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SCHWETZINGEN: DIE GETREUESTE ALCESTE von Georg Caspar Schürmann (1672-1751)

06.12.2019 | Oper


Sophie Junker, Rupert Enticknap,  (c)theater heidelberg

Schwetzingen: Die getreue Alceste/ G.C.Schürmann  5.12.2019 –   2.Vorstellung

Im Rokokotheater wird beim ‚Winter in Schwetzingen‘ des Theater Heidelberg die deutsche Barockoper „Die getreue Alceste“ von Georg Caspar Schürmann auf ein Libretto von Joh. Ulrich König ausgegraben. Nach einer Reihe italienischer Barockopern, meist aus deren neapolitanischer Blütezeit, wollten Dramaturg und Operndirektor Thomas Böckstiegel und seine Co-Direktorin Ulrike Schumann dieses Jahr eine authentisch deutsche Oper herausbringen, und sind bei G.C. Schürmann, einem Braunschweiger Komponisten fündig geworden. Seine „Alceste“, die ja eine ansehnliche Konkurrenz aufweist, konnte er aber nur in Braunschweig, wo er Hofkapellmeister & Sänger war, original und mit Erfolg aufführen. in anderen Städten, z.B. auch am ‚Gänsemarkt‘ in Hamburg, wurde sie als sog. Pasticcio, also mit vielen zusätzlichen Arien anderer Komponisten gespielt. Böckstiegel konnte die renommierte Barockspezialistin Christina Pluhar, auch Leiterin des bekannten Ensembles Arpeggiata, dazu gewinnen, die Oper aufgrund der Manuskripte ‚wiederzuentdecken‘. Die von Haru Kitamita erstellte Noten-Edition wurde von Thomas Böckstiegel, dem Regisseur Jan Eßinger und Benita Roth (Ausst.) zu einer Heidelberger Fassung entwickelt, die das Barocklibretto übernimmt, in der aber einige Arien wegfallen, bzw.gekürzt oder mit Rezitativen getauscht werden. Das scheint wohl auch sehr nötig gewesen zu sein, denn auch in der gekürzten Fassung schlichen sich noch musikalische Längen ein. Aufgewertet wurde die sonst interessante Partitur durch die Dynamik des Spiels mit Theorbe und Barockgitarre, Viola da gamba, Cembali & Orgel, so  daß eine sehr farbige Instrumentierung erreicht wurde. Christina Pluhar dirigierte das Ensemble mit stets wachem Auge & Ohr und arbeitete kompositorische Feinheiten heraus.

Das Regieteam Jan Eßinger/Regie und Benita Roth/Ausstattung hat die Handlung in erfrischender Weise adaptiert. Das 1. Bild wirkt ganz modern aufbereitet. Es könnte in der völlig weiß gehaltenenen Außenanlage eines griechischen Hotels spielen.  Hier fläzen sich Urlauber mit Drinks in Liegestühlen  und konversieren dabei in verschiedenen Konstellationen. Bei einem plötzlichen Sturm der Göttin Thetis raubt ihr Schützling Licomedes die Braut Alceste. Das 2.Bild zeigt einen eingeknickt schiefen Lorbeerbaum, dem der Sturm zugesetzt hat, und im Hintergrund ein Gestrüpp mit anderen Inselbäumchen, unter dem Lorbeerbaum befinden sich viele von Menschenhand in Mustern angelegte weiße Steine. Licomedes und Alceste werden von Admetus verfolgt, beide verenden im Zweikampf. In ergreifender Weise erlebt Alceste den Tod ihres Gatten mit. Inzwischen kommen auch die anderen Beteiligten aus dem 1.Bild hinzu, Hercules, Hyppolite, eine amazonische Prinzessin als Hosenrolle, die in Hercules verliebt ist und ihn begleitet, Cephise, „der Alceste Confidentin“ sowie Strato, Vertrauter des Licomedes, in Cephise verliebt, was im 1. Bild dadurch zum Ausdruck kommt, daß er im Hotelambiente quasi über sie herfällt. Jemand muß nun laut dem Orakel der Pallas sich für Admetus opfern, wenn dieser wieder von den Toten erweckt werden soll. Hercules erklärt sich bereit, die durch Selbstmord verschiedene Alceste aus dem Hades zu holen, Gegenleistung: er will sie als Frau behalten. Er verzichtet dann aber doch zugunsten der liebenden Brautleute und wendet sich Hyppolite zu. Cephise läßt sich endlich auf Stratos Avancen ein, nachdem sie vorher Hyppolite zugetan erschien. Das alles ist flott inszeniert, und die Maß geschneiderten bis lustig legeren Kostüme tragen zum guten Gesamtbild bei.

Die Titelrolle singt mit angenehm cremig timbriertem Sopran Sophie Junkers und kann dabei auch in einigen Arien glänzen, besonders aber im Duett mit Admetus in der Naturszene. Sie führt ihre Stimme aufblühend in den teils ungewohnten Barockpassagen Schürmanns. Der Admetus ist Rupert Enticknap mit glockig timbriertem erlesenem Countertenor. Auch ihm gelingen echt pointierte Arien. Den Hercules übernimmt Ipca Ramanovic mit ausgewogenem musikalischem tiefem Stimmduktus. Die Hyppolite der Elisabeth Breuer ist ein besonders feines Rollenporträt eines 60erJahre Hippies mit Gitarre & Rundbrille, der aber hier auch der etwas dicklichen Cephise zugetan erscheint. Ihr steht ein ausdrucksreich feiner bis neckisch ironischer Sopran zu Verfügung. Der Tenor Stefan Sbonnik gestaltet den wilden Licomedes und nach dessen Tod den Pheres, Vater des Admetus.

Emmanuelle de Negri kann als Cephise mit einem eleganten schönfärbigen Sopran aufwarten. Sie wirkt in der Inszenierung das Stück über als eigenständige unabhängige Frau, nicht als ‚der Alceste Confidentin‘. Der Mezzo der Aline Quentin als Claentes, des Admetus Leib-Page, verbleibt etwas im Schatten.

Alle weiteren Nebenrollen werden von Mitgliedern des für diese Produktion neu gegründeten Schwetzinger Opernstudios bekleidet. Die junge Lettin Baiba Urka übernimmt die Sopranrollen Pallas und Thetis sowie Proserpine, wobei sie  mit schwarzer Maske in den Hades hineingefahren kommt. Der Charon ist jungbaritonal Lars Conrad auf seiner Barke, der Pluto parallel zu Proserpine bassal Maximilian Haschemi.                                             
 Friedeon Rosén

 

 

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