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SCHWETZINGEN: DIDONE ABBANDONATA

22.01.2016 | Oper

Schwetzingen: Didone abbandonata  21.1.2016

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Rinnat Moriah, Kangmin Justin Kim, (c) Annemone Taake

Diese beim „Winter in Schwetzingen“, dem Barockmusikfestival des Theater Heidelberg gespielte Oper, ist eigentlich ein im 18.Jahrhundert häufiges ‚Pasticcio‘. Die Urfassung der „Verlassenen Dido“ komponierte im frühen 18.Jh. der Napolitaner Leonardo Vinci auf das Libretto von Petro Metastasio. Diese Vorlage übernahm G.F. Händel, der inzwischen sein eigenes Theaterunternehmen in London begründet hatte (UA 1737), indem er die Arien der Hauptpersonen Didone, Enea (Äneas) und Jarba erweiterte, die der drei Nebenrollen Araspe, Selene und Osmida dagegen bei Verkürzung aller Rezitative reduzierte. Den einmaligen Schluß, eine Kette schroffer orchesterbegleiteter Rezitative der mit Selbstmord endenden Didone hat Händel aber ohne Schlußarie oder -chor exakt beibehalten. Trotz dieses starken dramaturgischen Eingreifens seitens Händels  blieb musikalisch das „vorklassische“ Idiom der Musik Vincis, einer sehr vitalen sinnlichen Komposition, durchgehend gewahrt. Die Aufführung seit Dezember 2015 beim ‚Winter in Schwetzingen‘ stellt einerseits eine Bearbeitung von Händels Pasticcio dar (weitere Straffung bei den Rezitativen sowie Begrenzung der da capo-Arien), die großen Arien der Hauptfiguren erklingen dagegen ungekürzt, um damit eine enormere Wirkung zu entfalten. Händel hat zudem einige Arien Vincis durch solche von Adolf Hasse, Vivaldi und Giacometti ersetzt. Die Heidelberger Philharmoniker spielen sie sowie die kleinen Zwischenmusiken mit großer Verve unter der engagierten Stabführung von Wolfgang Katschner, der mit Gerd Amelung auch diese Neuedition herausgeben wird. Er begleitete die Rezitative auch eigens auf der Laute. Auch weitere Originalinstrumente wie Theorbe, weitere Lauten und Cembalo kommen zum Einsatz.

In der Inszenierung von Yona Kim spielt sich die Handlung wie ein kammerspielartiges Psychodrama ab. Ein dunkel-goldener Einheitsraum mit kargem Mobiliar stellt den ‚Tatort‘ dar, nur mit dem Bild eines afrikanischen Raubtiers an der Wand, das aber sinnbildlich nach der Pause von seinem Platz verschwunden ist. (Bühne/Kostüme: Hugo Holger Schneider, Margrit Flagner)  Didone und Selene sind in chiffonartige fließende Gewänder gekleidet, Didone wahlweise auch mit einem schicken roten Jäckchen und Königsdiadem versehen. Die Männer treten in Haute-Couture-Seidenanzügen auf, nur Enea bevorzugt als Flüchtling ein hären-wollenes Gewand. Der Dienstmann des afrikanischen Herrschers Jarba, Araspe, verliebt sich in Didos Schwester Selene, diese ist ihrerseits in Enea verliebt. Die Hofdame Osmida will Jarba zur Macht in Karthago verhelfen.

Polina Artsis singt ihren kleinen Part mit kurz aufleuchtendem Mezzosopran in einem knappen streng wirkenden farblich abgestimmeten Rock-Oberteil-Ensemble. Namwon Huh gibt mit gediegenen Tenor drahtig schlagfertig den Araspe. Elisabeth Auerbach bringt für ihre Selene einen elegant geführten Mezzosopran ein. In der Rolle des Jarbas ist auch ein interessanter Countertenor zu erleben, der sich von dem Hauptprotagonist  Enea im Stimmtimbre unterscheidet: Terry Wey bringt ein fast lieblich zu bezeichnendes Organ mit, wobei er andererseits den etwas gewalttätig vorgehenden Herrscher von dessen Gewalt ironisch wieder etwas nimmt. Er kann seinen Counter auch klug changieren und dosieren und damit seine andauernden Intrigen bei der Königin beglaubigen. Enea in der Interpretation von Kangmin Justin Kim bevorzugt dagegen mehr durch die gerade Linie, seine einmal getroffene Entscheidung/Abreise behält er, wenn auch zögernd, bei. In halsbrecherischen Koloraturen bekräftigt er dies mit wunderbar hell fließender Stimme. Auch Rinnat Moriah ist dem Koloraturreichtum der Didone völlig gewachsen. Im Gegenteil, sie spielt auch noch anfangs neckisch dabei, bis sie einsieht, daß es für sie nur die Alternative des Todes gibt. Mit goldkehlengleichemTimbre umgarnt sei quasi ihre Comprimarii, dupiert sie dann gleichsam, und kann sich doch damit trösten, die größte Liebe des Trojaners Enea gewesen zu sein.                                                                        

Friedeon Rosén

 

 

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