Schubert/Shostakovich: SCHWANENGESÄNGE für Viola und Klavier CAvi-music CD
Pauline Sachse (Viola) und Lauma Skride (Klavier) begeistern mit überirdisch schönen Klängen
Da tun sich zwei sensationell aufspielende Musikerinnen zusammen, singen auf ihren Instrumenten von Schmerz und Tod und treffen den Pfeil mitten ins Herz des Lebens. Die Liebe ist größer als der Tod, könnte als Vermächtnis und Motto dieser Interpretation geschrieben sein.
Franz Schuberts Schwanengesang D 957 und seine Taubenpost D 956a stehen im Zentrum einer Deutung für Klavier und als Pendant zur Singstimme, in diesem Fall der Bratsche. Schubert hatte die Lieder nach Texten von Rellstab, Heine und Seidl nach der Winterreise unter dem Einfluss von Beethovens Tod geschrieben, zu einem Zyklus wurden sie erst posthum zusammengefasst. Der Ersatz der menschlichen Stimme durch ein Instrument könnte ja als Verengung und des poetischen Worts beraubte Verkürzung gesehen werden. Nicht aber, wenn diese Lieder so gespielt werden, wie dies Pauline Sachs und Lauma Skride tun. Pauline Sachs auf der Viola vermag die gesamte Bandbreite der dargebotenen Lyrik zu vermitteln, ja auf ihrem Instrument so intensiv und leidenschaftlich in Ton zu gießen, dass alle Stimmungen von Düsternis bis zu „schwärmerischer Sehnsucht, drängender Ungeduld bis zu freudvoller Erwartung“, wie sie es selbst formuliert, kompakte Gestalt annehmen. Ich habe jedenfalls keinen Sänger vermisst. Sachse, die ihre Tätigkeit beim Rundfunkorchester Berlin zugunsten einer Professur in Dresden aufgab, ist eine wahre Zauberin auf ihrer 1610 in Brescia gebauten Bratsche mit dem schönen Namen „Butterfly“. Ich möchte noch einmal Frau Sachse zu den Heine-Gedichten im „Schwanengesang“ zitieren: „Sie sind im Schmerz und beginnenden Wahnsinn gleichwohl in ihrer tiefsten Sehnsucht stets ohne Pathos und erkunden die Schatten der Seele mit sensibler Schönheit. Es liegt eine unbeschreibliche Schwermut in Text und Musik, sie sich im gleichen Atemzug entblößt und verschleiert“. Ich denke, dass damit auch das Wesentliche über das Geheimnis des Spiels von Pauline Sachse gesagt ist, die mit dieser Interpretation wohl ECHO-verdächtig ist. Ebenso begleitet Lauma Skride, Schwester der Geigerin Baiba Skride, die Lieder mit enormer energetischer Einfühlung und deutender Frische. Ihr Anschlag ist präzise und ploppt wie Champagner. Sie ergänzt sowohl in den lyrischen als auch emotional dichteren Passagen wundersam das Spiel ihrer Partnerin. Großartig!
Als Spiegel zu den letzten Schubert-Werken haben die Künstlerinnen Dmitri Shostakovich‘ Sonate für Viola und Klavier Op. 147, im Todesjahr des Komponisten geschrieben, gewählt. Im Juni und Juli 1975 innerhalb kürzester Zeit entstanden, ist die Sonate das Opus summum der in Töne gegossenen Lebensdramatik des russischen Meisters. Am 5. Juli schließt Shostakovich die Arbeit an der Partitur ab und stirbt am 9. August. Die Sonate wurde am 25. September von Fjodor Druschinin und Michail Muntjan uraufgeführt. Insbesondere der dritte und letzte Satz, das Adagio, ist ein wahrer schicksalsgeladener Schwanengesang mit allen ambivalenten Gefühlen, Aufbegehren, Reminiszenzen, Reverenzen (musikalisch an Beethoven, dessen Sonaten Op. 27 Nr. 2 und Op. 110 er zitiert) und friedvoller Lossagung geworden. Die Interpretation durch Sachse und Skride hat Referenzcharakter und ist an Subtilität und Lautmalerei, aber auch im musikalischen Farbenspiel rund um die Maskeraden einer verzerrten Wirklichkeit aus einer Zeit, die von “Heuchelei, Angst, Verrat, unvorstellbaren menschlichen Abgründen und überzogener Selbstdarstellung geprägt war“, unüberbietbar. Anhören!
Dr. Ingobert Waltenberger