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SCHRATTENTHAL / Schlosshof: Annette Dasch und Daniel Schmutzhard im LIEBESGARTEN

Duette im Original und Duettversionen von Schubert-Sololiedern

08.08.2020 | Konzert/Liederabende


Annette Dasch, Daniel Schmutzhard. Foto: Festival Retz/ Wolfgang Ehrendorfer

SCHRATTENTAL / Schlosshof: Annette Dasch und Daniel Schmutzhard im LIEBESGARTEN

7. August 2020

Von Manfred A. Schmid

Corona-Not macht nicht nur erfinderisch, sondern eröffnet auch besetzungsmäßig wundersame Möglichkeiten. So beim Festival Retz, das heuer zwar auf den Programm-Mittelpunkt Kirchenoper verzichten muss, dafür aber für das Ersatzprogramm mit Annette Dasch und Daniel Schmutzhard zwei internationale Größen ins Weinviertel locken kann. Das Sängerehepaar, das – wie so gut wie alle Kolleginnen und Kollegen – schwer unter den Bühnen-Entzugserscheinungen zu leiden hatte, brannte nur so darauf – wie Dasch im Zugabenteil ihres Duett-Abends im Hof des Schlosses Schrattenthal dankbar und sichtlich berührt bekennt – wieder vor ein Publikum treten zu können. Ähnliches ist zeitgleich übrigens auch in einem anderen Teil des Weinviertels – im Grenzgebet Poysdorf/Mikolov (Nikolsburg) gelungen, wo für das in kürzester Zeit entwickelten Wagner-Festival u.a. Martina Serafin und Tomasz Koniecny als Mitwirkende gewonnen werden konnten.

Die aus Berlin gebürtige Annette Dasch und der Tiroler Daniel Schmutzhard – das Ehepaar ist derzeit an der Frankfurter Oper engagiert – eröffnen ihren Liebesgarten genannten Liederabend, begleitet von Wolfgang Fritsche am Klavier,  mit einem dramaturgisch fein abgestimmten Schubert-Block. Tod und Verzweiflung, Trauer und Leid, aber auch Entschlossenheit angesichts des Unausweichlichen prägen die ausgewählten Lieder. Besonders reizvoll entpuppt sich bei ihrer Interpretation, dass hier Kompositionen, die ursprünglich für eine Singstimme geschrieben worden sind, diesmal auf zwei Rollen verteilt vortragen werden. Manche Lieder deuten schon im Titel auf diese Gestaltungsvariante hin – „Der Tod und das Mädchen“, „Der Jüngling und der Tod“, „Mignon und Harfner“, inhaltlich trifft das aber auch auf die übrigen Texte – „Hektors Abschied“ und „Cronnan“ – zu. Ist es in „Der Tod und das Mädchen“ der Bariton Daniel Schmutzhard, der da die Rolle des besänftigenden Todes übernimmt, so tritt in „Der Jüngling und der Tod“ Annette Dasch als Tod auf, der der Bitte des jungen Mannes, ihn von der Qual des Lebens zu erlösen, entgegenkommt. Im abschließenden Duett „Licht und Liebe“ – in dieser Auswahl die einzige Komposition, die Schubert als Duett konzipiert hat – zeigt sich dann alles in übergreifende, wonnevolle Liebe entrückt.  Besondere Wirkung ergibt sich daraus, dass sich der Tod jeweils zuerst aus der Ferne oder hinter der Bühne zu Wort meldet, bevor er sich dann behutsam annähert. Der Tod bei Schubert, das unterstreichen die Interpreten, ist nicht der bedrohliche Feind des Menschen, sondern er entpuppt sich vielmehr als sorgender Freund. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die tolle Akustik des Schlosshofes: Die Bühne ist vor der der mächtigen Kapelle positioniert, man braucht keinerlei Verstärker, auch dann nicht, wenn sich Annette Dasch, gut 30 Meter entfernt, aus dem Park meldet. Dankbar und von der dramaturgischen Kraft beeindruck nimmt man die ungewohnte Umwandlung von Sololiedern in Duette als bereichernde Erfahrung zur Kenntnis. Dennoch ist festzuhalten, dass die ursprüngliche Formn ihren Reiz behält, geht es beim Sologesang doch darum, beide gegensätzlichen Aspekte ohne Bruch stimmlich und gestalterisch zu bewältigen. 

Auf den einleitenden gedankenschweren und emotionsgeladenen Schubert-Block folgen Vier Duette op. 28 von Johannes Brahms. Keck und übermütig vorgetragene, volkstümliche, humorvolle Kompositionen über Tändeleien, bei denen es vor allem darum geht, Hindernisse, die einer Liebesbeziehung im Wege stehen, möglichst rasch zu überwinden. In den daran anschließenden Drei Duette op. 111 von Max Reger, ursprünglich für zwei Frauenstimmen – Sopran und Alt – komponiert, wartet der Komponist mit einfallsreicher Harmonik auf. Er hinterfragt ironisierend die romantisierenden Textvorlagen – „Frühlingsfeier“ (Steindorf), „Abendgang“ (Brantl) und „Waldesstille“ (Rafael)- und regt mit seiner für ihn typisch ausladenden Melodik die Interpreten zu Höchstleistungen an. Eine Entdeckung, denn das originelle Liedschaffen dieses Komponisten wird nur höchst selten berücksichtigt.


Daniel Schmutzhard. Foto: Festival Retz/ Wolfgang Ehrendorfer

Der letzte Block des ohne Pause durchgezogenen Programms mit vier Liedern von Robert Schumann trägt den Titel „Liebesgarten“, enthält aber mit „Die Liebe ist ein Rosenstrauch“ und „Unter’m Fenster“ nur zwei Nummern aus dem gleichnamigen Liederzyklus op. 34. Diese werden von zwei Rückert-Vertonungen ergänzt. Gerade die Duette aus Schumanns umfangreichem Liedschaffen sind noch immer viel zu wenig bekannt. Wie ungerechtfertigt diese Vernachlässigung ist, zeigen Annette Dasch und Daniel Schmutzhard, wandlungsfähig unterstützt vom Pianisten Wolfgang Fritzsche, in ihren differenzierenden Interpretationen. Verschiedensten Stimmungen werden evoziert. „Die Liebe ist ein Rosenstrauch“ wird liedhaft dargeboten, „Unter‘m Fenster“ erzählt von einem jungen Mann, der das Mädchen um Einlass bittet und schließlich erhört wird, unter der Bedingung „Dass du’s nur keiner Seele sagst“. Das „Tanzlied“, in dem eine Frau ihren Geliebten zum Tanz auffordert, während er sich spröde zeigt, erweist ist rhythmisch stark akzentuiert und hat geradezu Walzer-Qualitäten. Das Lied „Die tausend Grüße“ hinwiederum ist eine überschwänglich hymnische Liebeserklärung.

Der begeisterte Applaus des Publikum wird mit drei Zugaben belohnt, von denen die (Ur-?)Aufführung eines jüngst eigens für sie geschriebenen Liedes des walisischen Komponisten Gareth Valentine über „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ den stärksten Eindruck hinterlässt. Eine geistreiche, mit geradezu kabarettistischem Übermut und atemberaubender Schlagfertigkeit vorgetragene Komposition, deren Aufführung sie ihre im Publikum anwesenden Kindern widmen.

 

 

 

 

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