„Schlussvorhang“ von Michael Hampe
Michael Hampe: „Schlussvorhang“. Foto: H.L.Boehme/ Dresden
Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger
Ein unbedingtes Muss für jeden Theater- und Opernliebhaber ist die entzückende, kleine, handliche und praktische Veröffentlichung mit dem Titel „Schlussvorhang“ von Prof. Dr. Michael Hampe, einem der bewandertsten Kenner der gesamten Szene, der uns leider vor kurzer Zeit verlassen hat. Die Taschenbuchausgabe passt, wie der Name schon sagt, in jede Handtasche und unterhält in jeder Situation des Alltags, wie zum Beispiel im Zug oder in der Straßenbahn, denn Hampe beschreibt und karikiert mit viel Wissen, Kenntnis und Humor die gesamte Theaterlandschaft und Opernwelt. Vor allem aber vor dem Hintergrund der Kölner Eigenheiten und der besonderen Charakteristika der Stadt Köln, die er in den 20 Jahren seiner Intendanz des Kölner Opernhauses besonders gut kennenlernen durfte. Das rund 200 Seiten umfassende Werk bietet auch ein informatives Namensregister, das Komponisten, Weggefährten, Intendanten, Bühnenbildner, Künstler und Persönlichkeiten der Kölner Stadtgesellschaft umfasst. Seine reichhaltigen Erfahrungen könnte man wahrscheinlich nicht einmal in 20 solcher Volumina fassen, daher ist dieser kleine Überblick besonders interessant, zumal er völlig natürlich, fließend, in charmantem, erzählerischem Stil und durchaus nicht ohne sachliche und objektive Selbstkritik geschildert ist. Es macht einfach Spaß, dieses Büchlein zu lesen, und dabei erfährt man ganz nebenbei viel über mehrere Generationen des künstlerischen Lebens, seine Hintergründe und viele Situationen der neueren Kölner Kulturgeschichte, die man vielleicht bisher noch nicht kannte. Wer dem Autoren selbst begegnet war oder mit ihm zusammengearbeitet hatte, wusste sein bescheidenes Auftreten zu schätzen, das, gepaart mit großer Erfahrung, viel Verständnis, außerordentlichem Können auf jedem Gebiet und diplomatischem Geschick, eine großartige Persönlichkeit ausmachte. Deshalb war er nicht nur in Opern- und Theaterkreisen von seinen Kollegen und Mitarbeitern sehr geschätzt, sondern auch als Professor mit seinen vielseitigen Aufgaben an den diversen Hochschulen seines Wirkens äußerst beliebt.
Edda Moser. Foto: Andrea Matzker
Viele der von ihm im Namensregister aufgeführten Persönlichkeiten haben leider das Zeitliche inzwischen gesegnet, aber einige der erwähnten Künstler leben und wirken noch, wie zum Beispiel Edda Moser, die gerade kürzlich in Köln beim Wagner-Verband einen eindrucksvollen und amüsanten Auftritt hatte. Ihrer Einstellung entsprechend hatte sie sich als Sängerin von der Bühne bereits seit geraumer Zeit verabschiedet, und zwar bewusst auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Seitdem wirkte sie als Gesangsprofessorin an der Kölner Musikhochschule, widmet sich mit viel Engagement unter anderem dem Erhalt und der Pflege der deutschen Sprache und hält viele anregende Vorträge. Ihre Interpretation der Königin der Nacht auf der goldenen Version einer CD mit menschlichen Stimmen und Musikbeispielen für die Außerirdischen fliegt als Voyager Golden Record unter dem Titel „Music From Earth“ durch das All und stellt somit eine musikalische Visitenkarte der Menschheit dar. Auch ihre Darstellung aller vier Hauptrollen Olympia, Antonia, Giulietta, Stella in der geschichtlichen Aufführung von „Hoffmanns Erzählungen“ zum 100. Todestag von Jacques Offenbach in Köln mit Placido Domingo, Kathleen Kuhlmann, Claudio Nicolai, Ulrich Hielscher unter der Leitung von Sir John Pritchard ist unvergessen.
Bei „Hoffmanns Erzählungen“ führte Hampe selbst Regie. Oft aber, und das erklärt er recht ausführlich in seinem kleinen Büchlein, verzichtete er zugunsten von Glanz und Gloria der Kölner Oper darauf und engagierte weltberühmte Kollegen, wie zum Beispiel den charismatischen „Tausendsassa“, wie er ihn treffend nennt, Jean-Pierre Ponnelle. Mit dem Mozartzyklus erlangte die Kölner Oper Weltruhm, der fortgeführt wurde bis zur Carmen-Aufführung 1984, die wiederum bis 1995 auf dem Spielplan stand. Dann kam eine neue Ära. Hintergründe kommen zur Sprache, und einige bedeutende Kölner spielten dabei maßgeblich eine Rolle. So werden zum Beispiel ausdrücklich der legendäre Kulturdezernent Kurt Hackenberg und der langjährige Verwaltungsdirektor der Bühnen der Stadt Köln, Dr. Karl Zieseniß, erwähnt. Letzterer starb erst im Jahre 2020 mit über 100 Jahren, nachdem er noch, hoch geehrt, beim Richtfest der Sanierung der Bühnen Köln teilgenommen hatte. Hampe setzt selbst Menschen, die anderen vielleicht nicht unbedingt bekannt sein dürften, ein wohlverdientes Denkmal und erinnert auch an viele seiner ältesten Kollegen, wie unter anderem an Hansgünther Heyme, mit dem er eng verbunden war seit seiner Jugend in Heidelberg, und der nicht nur mit Maria Magdalena von Friedrich Hebbel in Köln brillierte.
Kurzum, dieses Büchlein ist ein Juwel und gehört in jeden gut sortierten Bücherschrank! Sein Druck entstand mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Kölner Oper. Der Preis ist mit gerade einmal 15 € durchaus erschwinglich und bietet dafür enorm viel Information.
Andrea Matzker/ Dr. Egon Schlesinger