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SCHLOSS KITTSEE: Sommerfestival mit WIENER BLUT von JOHANN STRAUSS eröffnet  

25.07.2020 | Operette/Musical

SCHLOSS KITTSEE: Sommerfestival mit WIENER BLUT von JOHANN STRAUSS eröffnet   24. Juli 2020

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Draust‘ in Kittesee gibt’s a Remasuri!

Von Manfred A. Schmid

„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, schwärmt Mephisto in Goethes Faust. Dass das vielbesungene Wiener Blut aber ein noch besondererer Saft ist, behauptet zumindest die gleichnamige Operette des Wiener Walzerkönigs, mit der das Sommerfestival Kittsee die heurige Saison eröffnet. Johann Strauß, schon etwas altersmüde geworden – er stirbt dann auch rund fünf Monate vor der Uraufführung des Werks im Oktober 1899 – macht sich nicht mehr selbst ans Vertonen des eigens für ihn verfassten Librettos von Viktor Léon und Leo Stein. Mit seinem Einverständnis fertigt vielmehr Adolf Müller eine Partitur an, bei deren Erstellung er sich aus dem überreichen Fundus an fulminanten Tänzen und funkelnden Melodien des Meisters bedienen konnte. Dabei belässt er es bei der originalen Orchestrierung und schreibt mit viel Geschick nur erforderliche Überleitungen in den großen Ensembleszenen dazu. Man kann also mit Fug und Recht von einem Strauß‘schen Meisterwerk sprechen, auch wenn die Homogenität des Stils nicht ganz so überzeugend ist, weil die darin verwenden Stücke aus verschiedenen Schaffensperioden stammen. Während in der Fledermaus der Champagner als Ursache aller Verwirrungen genannt wird, ist es in diesem Fall eben das titelgebende Wiener Blut, das an allem schuld ist.

Dem Sommerfestival Kittsee und seinem Intendanten Christian Buchmann kann nur für den Mut und die Entschlossenheit gratuliert werden, im Corona-Sommer 2020, allen Widrigkeiten zum Trotz und in atemberaubend kurzer Vorbereitungs- und Probenzeit, diese Operette auf die Bühne gebracht zu haben. Der Erfolg dieser – im heurigen Sommer äußerst raren – szenischen Darbietung kann sich durchaus sehen und hören lassen. Die Handlung spielt zur Zeit des Wiener Kongresses. Im Mittelpunkt steht der Diplomat Graf Zedlau, der als Gesandter des Zwergstaates Reuß-Schleiz-Greiz mehr seinen amourösen Trieben folgt als den diplomatischen Verpflichtungen. Neben seiner Ehefrau unterhält er ein Pantscherl mit der Tänzerin Franziska Cagliari. Als er sich schließlich auch noch für die junge „Probiermamsell“ Pepi zu interessieren beginnt, manövriert er sich in äußerste Kalamitäten und ist bald nur noch damit beschäftigt, die erotischen Partnerinnen auseinander und voreinander geheim zu halten. Bis alle drei letztendlich bei einem großen Ball mit anschließendem Heurigenbesuch aufeinandertreffen und sich alles – irgendwie – klärt und auflöst. Jaja. Das Wiener Blut….

Das Libretto – nicht gerade ein Meisterstück, aber solide gebaut, wenn auch manchmal textlich etwas holprig, weil man eben Worte für bereits bestehende Melodien erfinden musste – lebt vor allem vom alten Komödien-Klischee des Gegensatzes zwischen angeblicher preußischer Spießigkeit und Über-Korrektheit und wienerischer Leichtlebigkeit und Schlampigkeit. Doch dieses abgedroschenen Stereotypen scheinen den Regisseur Dominik Am Zehnhoff-Söns weniger zu interessieren. Es geht ihm mehr darum zu zeigen, wie sich die Verhältnisse und Gepflogenheiten auf dem diplomatischen Parkett in einem kleinen Privatkreis widerspiegeln. Die Liebeshändel nehmen sich dann aus wie Kabinettspolitik, es gibt erotische Grenzstreitigkeiten, Mobilmachungen, kurzzeitig abgeschlossene Friedensverträge und Reparationen des Trieblebens. Und auch das Ende entspricht weitgehend dem Ausgang des Wiener Kongresses: Die alten Verhältnisse werden wiederhergestellt. Der Graf begnügt sich wieder mit seiner Ehefrau, die Tänzerin versucht es mit dem Minister, und Pepi versöhnt sich mit dem Kammerdiener Josef. Die Restauration ist – vorläufig zumindest – gelungen.


Roman Pichler (Graf Zedlau) und Raimund Stangl (Kammerdiener Josef). Foto: Sommerfestival Kittsee/ Richard Schuster

Wie in Kittsee schon Tradition, kommen auch diesmal vorwiegend Nachwuchskräfte zum Zug. Sie alle verstehen es, die die Chancen, die ihnen die recht weitläufige, z.T. mit Requisiten etwas überladen wirkende Freilichtbühne von Manfred Waba vor dem Schloss bietet, mitreißend nützen. Roman Pichler, aus Südtirol gebürtig und in der Steiermark lebend, versucht als Schmalspur-Schwerenöter gar nicht erst den Preußen herauszukehren (das Mini-Fürstentum ist in Wahrheit ja auch nicht norddeutsch, sondern eher in Mitteldeutschland angesiedelt). Er ist vielmehr ein schon recht gut an die Wiener Lebensart assimilierter, also „eingewienerter“ Mann. Man nimmt es ihm daher gerne ab, dass er Angst davor hat, von seinem Chef, dem Fürsten und Ministerpräsidenten (Daniel Raschinsky), ob seines unsoliden Lebenswandels in die Heimat nach Greiz (immer wieder als „Graz“ ausgesprochen, was im Publikum stets für Heiterkeit sorgt) zurückberufen zu werden. Ein stimmstarker, beseelter Tenor, auch in der Höhenlage sicher.

Ihm zur Seite steht sein Kammerdiener Josef, der wie eine Art Wiener Leporello seinem Don Juanito immer wieder einfallsreich aus der Patsche hilft. Raimund Stangl, spielfreudig und komödiantisch stets präsent, erinnert in seiner Rolle auch an den Figaro, der bei aller Ergebenheit seinem Herrn gegenüber sich mit dem Umstand konfrontiert sieht, dass dieser seiner Pepi nachstellt, freilich ohne zu wissen, dass sie seine Braut ist. Besonders gelungen sind das Briefduett, indem er unwissentlich im Auftrag seines Herrn einen Rendezvousvorschlag an Pepi niederschreibt, und sein Begrüßungsduett mit Pepi, das die Probiermamsell schnippisch, gestelzt vornehm tuend eröffnet und das in die  Schnellpolka  „Draust‘ in Hietzing gibt‘s a Remasuri“ mündet. Für Komik sorgen weiters Philipp Landgraf als Karussellbesitzer Kagler und vor allem der vielseitige Josef Krenmair, der sowohl als fluchender Kutscher wie auch als genervter Heurigenkellner und jovialer Graf Bitowski beklatschte Auftritte verbuchen kann.


Petra Halper-König (Gräfin Zedlau). Foto: Sommerfestival Kittsee/ Richard Schuster

Exzellent besetzt sind die Damenrollen. Alle drei sind Soprane, die sich aber stimmlich und dem jeweiligen Temperament nach gut voneinander unterscheiden. Petra Halper-König ist eine elegante, würdige, um Fassung bemühte Gräfin, Kerstin Grotrian ein quicklebendige, von Energie und Lebenslust sprühende Tänzerin. Eine Soubrette, wie sie im Buche steht. Nicole Lubinger als Probiermamsell Pepi verkörpert die noch ziemlich unerfahrene, aber neugierige Unschuld vom Lande. Die Kärntnerin gestaltet ihren unvermuteten Auftritt in einer Ballettformation (Choreographie Jessica Wurzer) mit entzückender Patschertheit und dennoch nicht ohne Liebreiz.

Das 26-köpfige Festival Orchester Kittsee musiziert unter der bewährten Leitung von Joji Hattori im Inneren des Obergeschosses von Schloss Kittsee. Obwohl der Dirigent keinen direkten Sichtkontakt zur Bühne hat und die Musik nur durch die geöffnete Flügeltür und die Fenster zu vernehmen ist, lässt die Qualität nichts zu wünschen übrig. Die technischen Herausforderungen sind blendend gelöst.

Was es sonst noch zu berichten gibt: Die Bestuhlung der Tribüne ist – mit vornehmlich fix platzierten Zweiergruppen – den Corona-Auflagen gerecht. Beim Aufsuchen und Verlassen der Sitzplätze herrscht Maskenpflicht. Pünktlich zur Pause setzt heftiger Regen ein, der über das Ende der Pause weiter anhält, was einen Gutteil des Publikums dazu veranlasst, den Schauplatz zu verlassen und heimzufahren. Diejenigen aber, die ausharren, werden nach einer Wartezeit von weiteren rund 20 Minuten mit einem fulminanten Dritten Akt belohnt. Davor waren u.a. auch der Intendant und der Regisseur fleißig dabei, die Wassermassen aus dem Bühnenraum zu entfernen.

 

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