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SCHAFFHAUSEN/ Stadttheater: DIE WEISSE DAME von François-Adrien Boieldieu:- Gastspiel der Kammeroper München

22.01.2025 | Oper international

François-Adrien Boieldieu: Die weisse Dame • Gastspiel der Kammeroper München im Stadttheater Schaffhausen • Vorstellung: 21.01.2024

Eine Rarität, die es lohnen würde, in ihrer Originalgestalt wiederentdeckt zu werden

Das Stadttheater Schaffhausen bietet in dieser Saison einen besonders reichhaltigen Spielplan. Neben Dauerbrennern wie «Aida» oder «Die Fledermaus» zählen auch Raritäten wie «Adonis» von Johann Sigismund Kusser (1660-1727) (https://www.stadttheater-sh.ch/vorstellungsdetails/adonis/) oder eben Boieldieus «La Dame blanche» dazu.

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© Stadttheater Schaffhausen / Benjamin Güdel

Boieldieus «La Dame blanche» gehört zu jenen Werken, die in jeder seriösen Operngeschichte einen grösseren Platz einnehmen, auf den Spielplänen der Gegenwart kaum je aufzufinden sind. Von daher ist jede Gelegenheit diese Werke live erleben zu können zu begrüssen und wahrzunehmen. Bei Raritäten stellt sich dem Gestalter des Spielplans relativ rasch die Frage, warum das Stück eine Rarität ist oder zu einer solchen wurde und damit die, wie man das Stück dem Publikum der Gegenwart zugänglich machen will. Vertraut man dem Stück oder führt man es zur Gegenwart hin? Beide Zugänge haben ihre positiven wie negativen Aspekte. Hat man ein «erzogenes» Publikum, oder wie Festivals gar ein «Spezial-Publikum», spricht nichts gegen die Originalgestalt. Dominiert ein Konzept oder ist die Aufführung explizit auf Breitenwirkung angelegt, können Änderungen notwendig erscheinen.

Mit dem Konzept der Kammeroper München, zu dem Aufführungen im kleinen Rahmen und Nachwuchsförderung gehören, sind viele Werke nur schwer in Einklang zu bringen. So auch Boieldieus Meisterwerk, das hier in deutscher Sprache als «Die weisse Dame» gegeben wird. Der fehlende Chor wird solistisch besetzt, der Orchestersatz, ohne den Charakter der Musik zu verändern, kammermusikalisch reduziert. Die Reduzierung auf zwei Akte (um die dramatische Stringenz zu erhöhen und einen passenden Augenblick für die Pause zu finden) und die damit notwendige Umstellung einzelner Nummern der Oper wie auch die Ergänzung einzelner Rollen um zusätzliche Arien (zwecks «Aufwertung» einzelner Figuren) geht in Richtung Regietheater und lässt bei allem Wagemut doch fehlendes Vertrauen in das Werk vermuten. Letztlich überwiegt – beim Kritiker – die Freude eine Ahnung vom Werk zu bekommen.

Das mit 12 Musikern besetzte Orchester der Kammeroper München unter Leitung von Aris Alexander Blettenberg vermittelt einen hervorragenden Eindruck des Werks. Die kammermusikalische Besetzung dürfte hier schon fast von Vorteil sein.

Dominik Wilgenbus (Regie) genüge für seine Inszenierung drei bühnenhohe Vorhänge und fünf auf der Bühne positionierte Scheinwerfer (Bühne: Tobias Melle). Hier erzählt er die von ihm arrangierte ohne Umwege klar und deutlich (Kostüme: Uschi Haug).

Luis Hernández-Luque gibt den fremden Offizier George Brown mit feinem Tenor. Strömt die Stimme in der Mittellage frei, so neigt sie dazu sich in der Höhe zu verengen. Theresa Geyer verkörpert mit klar strahlendem Sopran Anna, die verwaiste Freundin des Grafen Julius. Mechtild Söffler überzeugt mit gutgeführter Stimme und inspiriertem Spiel als Jenny. Mit kernigem Bariton gelingt Jakob Schad eine überzeugende Interpretation des Gaveston. Die Entdeckung des Abends ist der lyrische Spieltenor Kyoungloul Kim als Dickson. Er überzeugt mit unbändiger Spielfreude und grossartiger Bühnenpräsenz und einem strahlenden, absolut höhensicheren Tenor, der im italienischen Fach als idealer Tenore di grazia triumphieren würde. Vera Maria Bitter als Margarethe und David Holz als Mac Irton ergänzen das Ensemble.

Alles in allem ein erfreuliche Bekanntschaft mit einer Rarität mit herrlich leichter, fast belkantesker Musik, die es lohnen würde, in ihrer Originalgestalt wiederentdeckt zu werden.

24.01.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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