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SCHAFFHAUSEN/ Stadttheater: ADONIS von Johann Sigismund Kusser. Die Täuschungen Cupidos. Gastspiel Theater Heidelberg

19.02.2025 | Oper international

Johann Sigismund Kusser: Adonis • Gastspiel von Theater und Orchester Heidelberg im Stadttheater Schaffhausen • Vorstellung: 18.02.2024

Die Täuschungen Cupidos

Johann Sigismund Kussers «Adonis» ist der zweite Höhepunkt des Schaffhauser Spielplans der laufenden Saison. Die Produktion von Theater und Orchester Heidelberg bietet einen interessanten Einblick ins Opernschaffen jenseits der grossen zeitgenössischen Komponisten.

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Das vermutlich1699/1700 uraufgeführte Werk des Oberungarn Johann Sigismund Kusser (getauft1660 in Pressburg, gestorben 1727 in Dublin) wurde 2005 durch Samantha Owens in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart als Musikhandschriften-Konvolut bestehend aus einer Reduktionspartitur (Bass und führende Instrumental-/Vokal-Stimmen) und Instrumental-Einzelstimmen wiederentdeckt. Das Material dieses Konvoluts dürfte Kusser für die nach französischem Muster mit einem homogenen Streicher- und Oboenensemble besetzten Hofkapelle des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig eingerichtet worden. Ein gedrucktes oder handschriftliches Libretto ist nicht überliefert. Owens ist es zudem gelungen, die librettistische Grundlage zu identifizieren: Basis des «Adonis» ist die 1691 in Braunschweig uraufgeführte Oper «Gli inganni di Cupido» («Die Täuschungen Cupidos»). Hier hatte der Braunschweiger Hofmusiker Giuseppe Ferizzi ein Libretto von Flaminio Parisetti vertont. Handlung, Inhalt und Dramaturgie gehen uneingeschränkt auf dieses Werk zurück: Bei «Adonis» handelt es sich um eine inhaltlich und formal völlig übereinstimmende deutschsprachige Fassung (Autor unbekannt) von «Gli inganni di Cupido». So stellen sich die Fragen, wieviel der Musik von Kusser stammt, wie das Werk zur Repräsentation des württembergischen Hofes passt, und ob sich «Adonis» als Medium des Kulturtransfers (Transfer Braunschweig-Wolfenbüttler Modelle). Da sich Braunschweig-Wolfenbüttel am Modell der italienischen Oper orientierte, der Württemberger Hof aber klar nach Versailles orientiert war, und «Adonis» in diesem Sinne das beste zweier Kulturen enthält, hat ein Kulturtransfer stattgefunden. Dass Kusser sechs Jahre in Paris war und mit grosser Sicherheit von Lully ausgebildet wurde wie auch die Tatsache, dass Kusser zu Lebzeiten primär als Kenner und Orchestererzieher der französischen Musikkultur bekannt war, unterstützen Jörg Halubeks Vermutung, dass die instrumentalen Tanzsätze von Kusser stammen.

Jörg Halubek (Musikalische Leitung und Cembalo) hat das vorhandene Material für die Produktion eingerichtet und sich dabei an den erhaltenen Originalstimmen orientiert. So ist das Continuo mit Fagott (Hitomi Wilkening), Laute (Leon Jänicke), Barockharfe (Maximilian Ehrhardt), zwei Celli (Sebastián Escobar Avaria, Johann Aparicio Bohórquez) und Cembalo (Manon Parmentier) ungewöhnlich reich besetzt. Halubek gelingt es aufs Beste die französischen wie italienischen Einflüsse in der Partitur hörbar zu machen. Das Philharmonische Orchester Heidelberg bietet einen unheimlich farbenreichen, frisch musizierten Abend: schon allein diese Leistung lohnt den Besuch!

Alle Solisten überzeugen mit stupender Textverständlichkeit und technischer Souveränität. Eine solche Klasse ist in dieser Ballung nur ganz selten zu erleben! Theresa Immerz ist als Venus als indisponiert angesagt. Sie spielte den Part aber und Dora Pavlíková, die kurzfristig die für sie neue Partitur übernommen hatte, singt aus dem Orchestergraben. Jonas Müller gibt den Adonis mit agilem, wohlklingendem Bariton. Sreten Manojlović überzeugt mit kernigem Bassbariton als Vulcanus. Ein weiteres Ereignis des Abends ist der Countertenor Rémy Brès-Feuillet in der Rolle Apollo. Seine Stimme fasziniert von den ersten Takten an und lässt sich den Hörer immer wieder fragen, ob er nun einen Haute Contre oder einen Countertenor hört. Selten wird so klar, warum die barocke Ästhetik den Helden die hohe Lage zuschrieb. Zuzana Petrasová überzeugt mit markantem Mezzo als Pallas, Indre Pelakauskaite mit kristallklarem Sopran als Daphne. João Terleira gibt seinem hellen, höhentigernden Tenore di grazia den Cupido.

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Foto © Susanne Reichardt

Guillermo Amaya (Inszenierung) zeigt die Oper als Theater im Theater und betont mit der angedeuteten Gegenwart geschickt die Zeitlosigkeit von Cupidos Wirken. Stefan Rieckhoff unterstützt das Konzept mit seiner schlichten Bühne und Kostüme und den stimmigen Kostümen.

So geht Barock-Oper!

19.02.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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