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Saverio Mercadante: FRANCESCA DA RIMINI (Martina Franca, 2016)

01.03.2017 | CD/DVD/BUCH/Apps, dvd

DVD Cover Mercadante

Saverio Mercadante:
FRANCESCA DA RIMINI
42° Festival della Valle d’Itria, Martina Franca
Aufgenommen im Palazzo Ducale, Juli-August 2016

2 DVDs, 200 min., Dynamic (Naxos Deutschland GmbH)

Heutzutage klafft im italienischen Repertoire zwischen dem Trio Rossini / Donizetti / Bellini hier, Giuseppe Verdi dort, ein Loch. Zu ihrer Zeit wurde es nicht zuletzt von Saverio Mercadante (1795 – 1870) ausgefüllt, zu seiner Zeit enorm erfolgreich, von der Nachwelt vergessen, falls nicht das persönliche Interesse von Künstlern, der Unternehmungsgeist von Intendanten und letztendlich auch Zufall und Glück zusammen kommen.

In Wien erinnert man sich, von Mercadante seine vielleicht berühmteste Oper, „Il Giuramento“, gerade einmal, 1979 konzertant in der Staatsoper gehört zu haben – und vielleicht ist das Ereignis auch nur gegenwärtig, weil Placido Domingo damals mit von der Partie war. Von den an die 60 Opern, die der Komponist in seinem Leben geschrieben hat, wissen unsere Opernhäuser nichts mehr.

Umso größter letztendlich die Aufmerksamkeit, die das Festival della Valle d’Itria in Martina Franca letzten Sommer mit einer Mercadante-Uraufführung (!) erringen konnte. Denn die von ihm 1831 komponierte, für Madrid gedachte und aus vielen Gründen nie aufgeführte Oper „Francesca da Rimini“ ist vor ein paar Jahren durch Zufall wieder aufgetaucht. Man fand in Madrid das Autograf des Werks, und da Mercadante (in Altamura bei Bari geboren) als der „große Komponist Apuliens“ gilt, erstaunt es nicht, dass das apulische Paradefestival nur zu gern die Uraufführung brachte, nachdem die Salzburger Festspiele Abstand genommen hatten…

Immerhin traten zwei italienische Größen mit internationaler Reputation für das Werk an: der zwischen New York und Zürich so viel beschäftigte Fabio Luisi, der immer noch Zeit findet, als Musikdirektor des Festivals zu fungieren, ging mit spürbarer Lust an das Pult des Orchestra Internazionale d’Italia, um auf Mercadantes Musik aufmerksam zu machen, die weit über Bellini hinausgeht und schon mehr von Verdi hat (der ihm viel verdankt), kompakte Dramatik, gewaltige Chor- und Ensembleszenen und Arien und Duette, die technisch so schwierig sind, dass man die Ohren aufsperrt.

Die Geschichte von Francesca, die ihren Gatten mit dessen Bruder Paolo betrogen hat, ist durch Dante unsterblich und unzählige Male vertont worden (auch durch Rachmaninov, gerade eben gleichfalls als DVD erschienen). Pier Luigi Pizzi erzählt die Geschichte, verlässt sich aber in hohem Maße auf das Ambiente und auf die vorzüglichen Sängerinnen des Liebespaares. Die Freilichtaufführung fand im Hof des Palazzo Ducale von Martina Franca statt, der Pizzi (wie stets sein eigener Ausstatter) als Ambiente genügte, zumal er einen verlässlichen Mitspieler hatte: den Wind, der dort angeblich immer weht.

Ein paar schwarze Stoffbahnen und die Gewänder der Protagonisten: die stete Bewegung scheint mit der Musik zu gehen, die Figuren werden auch in kluger Farbdramaturgie charakterisiert: Francesca in Rot, Paolo (eine Hosenrolle) in Blau, dazu kommen noch Gatte (in Gelb) und Vater (in Lila), der Chor (aus Cluj-Napoca hergeholt, in Weiß und in Schwarz gekleidet) sowie Tänzer, die (Choreographie: Gheorghe Iancu) zwar eher konventionell springen und schreiten, aber sich in eine Aufführung zusammen fügen, die dem Geschehen Leidenschaft, Glaubhaftigkeit und durchaus auch die ihm gebührende Würde gibt.

Wunderbar sind zwei junge Sängerinnen, die in Mexiko geborene Leonor Bonilla, die mit der riesigen Rolle der Francesca die Chance ergriff, nachdrücklich auf sich und ihren impetuosen Sopran aufmerksam zu machen und gleichzeitig ihre liebliche Erscheinung auszuspielen. Sie tut es im edelsten Wettstreit gesanglicher Pracht mit der ergreifend intensiven Japanerin Aya Wakizono als Paolo, die ihren Mezzo leuchten ließ. Der erste Auftritt gehörte dem eifersüchtigen Ehemann, wobei der Türke Mert Süngü nicht ganz so souverän erklang, wie die beiden Damen, Antonio Di Matteo setzte seinen gaumigen Baß für Guido, den Vater, ein.

Man wäre gerne live dabei gewesen – betrachtet man allerdings die wehenden Gewänder, hätte man wahrscheinlich auch im Juli bei so viel Wind einigermaßen gefroren…

Renate Wagner

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Saverio Mercadante

FRANCESCA DA RIMINI

Regie und Ausstattung: Pier Luigi Pizzi
Choreographie: Gheorghe Iancu
Dirigent: Fabio Luisi
Orchestra Internazionale d’Italia
Cluj-Napoca Philharmonic Orchestra
Transylvania State Philharmonic Choir

Francesca – Leonor Bonilla
Paolo – Aya Wakizono
Lanciotto – Merto Süngü
Guido – Antonio Di Matteo
Isaura – Larisa Martinez
Guelfo – Ivan Ayon Rivas

 

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