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SÃO PAULO/Brasilien/ Sala São Paulo : KONZERT DES SYMPHONISCHEN ORCHESTERS / Marin Alsop

21.12.2014 | Konzert/Liederabende

SÃO PAULO/Brasilien: Konzert des Symphonischen Orchesters des Bundestaates São Paulo am 20.12.2014

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Edna D’Oliveira, Marin Alsop, Luciano Botelho, Lucio Bruno. Foto: Dr. Klaus Billand

Das weit über Brasilien hinaus bekannte und weitaus beste Orchester des Landes, ja wohl auch ganz Südamerikas, das Orquestra Sinfonica do Estado de São Paulo feiert in dieser Temporada sein 60-jähriges Bestehen und genau heute auch den 80. Geburtstag des Dirigenten (ex-TKO Wien und OSB Orquestra Sinfônica Brasileira, Rio) und Künstlerischen Direktors der Petrobrás Sinfônica und Sinfônica Heliópolis (ein Orchester bestehend aus jungen Musikern eines Armenviertels (Favela Heliópolis), Isaac Karabtchevsky, mit der 2. Symphonie von Gustav Mahler.

 Am gestrigen Nachmittag gab das OSESP, wie es von den Musikliebhabern São Paulos genannt wird, eine erstklassige „Carmina Burana“ von Carl Orff, die dritte innerhalb von nur drei Tagen. Unter ihrer Chefdirigentin, der US-Amerikanerin Marin Alsop, die den Posten 2012 angetreten hat – eine Schülerin von Leonrad Bernstein, die auch viel mit den großen Orchestern der USA arbeitet, gelang dem Orchester und den Chorensembles eine beeindruckenden Aufführung, die, kaum war der letzte Ton verklungen, standing ovations zur Folge hatte.

Der herrliche Konzertsaal, die Sala São Paulo im Complexo Cultural Júlio Prestes, ist die ehemalige Empfangshalle einer Kaffee-Eisenbahnlinie, erbaut zwischen 1926 und 1938. Sie beherbergt nach einer technisch und ästhetisch äußerst eindrucksvollen Adaptation im Jahre 1999 das OSESP. Im sog. Schuhkarton-Format gestaltet, von Akustikern oft als das beste Modell für Konzertsäle angesehen, wird der Saal – bei weitgehender Erhaltung der Originalarchitektur – an den Seitenwänden von mächtigen korinthischen Säulen dominiert. Der Architekt Nelson Dupré baute einen hochmodernen Zuschauerraum aus elfenbeinfarbenem Holz mit 1.500 Plätzen und eine Bühne mit 320m2 und 190 Chorplätzen hinein. Die Decke besteht aus 45 jeweils 7.5 Tonnen schweren Holz-Segmenten, die den akustischen Anforderungen des jeweiligen Stückes entsprechend computergesteuert heraufgezogen oder herabgelassen werden können, eine für Konzertsäle dieses Formats einzigartige Technologie. Diese variable Decke beherbergt wohl das Geheimnis für die wahrlich als phantastisch zu bezeichnende Akustik, wohl noch besser als die des Wiener Musikvereins. So garantiert sowohl bei kammermusikalischen Darbietungen wie bei den dynamischsten Tutti großer Symphonieorchester stets bestechende Transparenz und klangliche Brillanz. Das war auch bei „Carmina Burana“ an diesem Nachmittag wieder zu erleben.

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Edna D’Oliveira. Foto: Klaus Billand

Die Musiker überzeugten unter der sehr engagierten Leitung von Marin Alsop mit enormer Dynamik, hoher Transparenz und auch bestechender Qualität in den Einzelstimmen. Zwischen den einzelnen Nummern entstand ein geschlossener und den facetten- sowie farbenreichen Duktus der „Carmina“ stets aufrecht erhaltender Spannungsbogen. Edna D’Oliveira sang den Sopran-Part mit charaktervoller Mittellage und viel Ausdruck im Vortrag. Luciano Botelho gestaltete den Monolog vom zu Tode gequälten Schwan genau mit der für diesen Part so charakteristischen tenoralen Farbgebung. Eine gute Stimme für den Belcanto – Bellini gehört auch zu Botelhos Favoriten. Licio Bruno schließlich, der Wotan des „Ring des Nibelungen“ in Manaus von 2002 bis 2005, konnte mit seinem Bass-Bariton in der Mittel- und tieferen Lage überzeugen, wirkte aber in der Höhe an der Grenze seiner vokalen Möglichkeiten. Vielleicht zollte hier auch die eng aufeinander liegende Folge der drei Aufführungen plus Generalprobe ihren Zoll.

Einen ganz ausgezeichneten Eindruck machten die drei Chorensembles auf der Empore hinter dem Orchester, i.e. der Kinderchor des OSESP unter Leitung von Teruo Yoshida, der Akademische Chor des OSESP unter Leitung von Marcos Thadeu und der Chor des OESP unter Leitung von Naomi Munakata. Die drei Gruppen harmonierten bestens, sangen mit kräftigen Stimmen äußerst transparent und verfügen über eine gute Legatokultur wie auch die Fähigkeit zur Attacke bei großer Dynamik. Durch die hohe Positionierung der Chöre hinter dem Orchester ergab sich eine außergewöhnlich gute Klangbalance. Es war eine „Carmina Burana“ auf höchstem internationalem Niveau.

Zuvor gab es noch zwei kurze Stücke des finnischen Komponisten Arvo Pärt (1935), und zwar „Mein Weg“ [1989-2000], für Kammerorchester, musikalisch allerdings wenig ergiebig, sowie „Salve Regina“ [2001], ein musikalisch sehr ausdrucksvolles Chorstück mit viel Lyrik und musikalischer Feinzeichnung, das bisweilen an die Oper „Die Dialoge der Karmeliterinnen“ von F. Poulenc erinnerte.

(Fotos in der Bildergalerie)

Klaus Billand aus São Paulo

 

 

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