JEDERMANN – Salzburger Festspiele, 28.7.2017
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Tobias Moretti (Jedermann), Edith Clever (Mutter). Copyright: Matthias Horn/ Salzburger Festspiele
Es ist sicher nicht das stärkste Stück von Hofmannsthal und hätte Max Reinhardt im Jahr 1920 nicht die Königsidee gehabt, mit einer Aufführung des „Jedermann“ die schon lange diskutierte Idee von Festspielen in Salzburg in die Tat umzusetzen, wäre das Stück heute wahrscheinlich total vergessen. Auch über die Aufführungen in Salzburg wurde immer wieder gelästert. Die Speerspitze dieser Lästerer war Helmut Qualtinger mit seinem berühmtem Satz: „Das Stück passt überall hin, nur nicht nach Salzburg.“ Immer wieder gab es Überlegungen, das Stück neu zu schreiben, aber auch so bedeutende Autoren wie Peter Handke lehnten ab.
Daher versuchte man es immer wieder mit der Inszenierung. So zum Beispiel 1961 Reinhardts Sohn Gottfried, der das Stück als Totentanz inszenierte oder 1969 Leopold Lindtberg, der die Aufführung im Stil des Jesuitentheaters gestaltete. Letztendlich ist man aber immer wieder zum Konzept Max Reinhardts zurückgekehrt. Die letze Produktion des britisch-amerikanischen Teams ging überhaupt auf die Wurzeln zurück, dem englischen Morality-Play „Everyman“. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Tobias Moretti es abgelehnt hat in dieser gelungenen Produktion die Titelrolle zu verkörpern und noch weniger zu verstehen, dass die Festspielleitung vor dem „TV-Star“ offenbar in die Knie gegangen ist, zumal eine neue Produktion maximal 3 Saisonen am Spielplan sein kann, weil 2020 in jedem Fall eine Neuinszenierung fällig ist.
Man engagierte also Michael Sturminger als neuen Regisseur, der sich beim ersten Pressetermin brüstete, eine zeitgenössische Inszenierung zu machen, als ob das heute noch etwas Besonderes wäre. An der Inszenierung gibt es eigentlich nur wenig auszusetzen, sieht man davon ab, dass natürlich einige Elemente von der Check-Liste des zeitaktuellen Theaters (Koffer, Spitalsbett oder Neonröhren) vorkamen. Hingegen stört die Verlegung ins Heute überhaupt nicht. Was irritiert ist in erster Linie die Dramaturgie. Dass der Regisseur manche Passagen gestrichen hat, ist noch zu akzeptieren, aber dass er Textpassagen umschrieb ist schon einigerrmassen bedenklich. Besonders abzulehnen ist jedoch die Umstellung des Handungslaufes, nämlich die Verlegung der Szene Gott-Tod vom Beginn des Stückes zwischen die erste Szene Jedermann-Buhlschaft und die Tischgesellschaft, denn das zerstört die komplette Symetrie des Stückes. Ebenso stört der Umstand, dass das Glockengeläut und die Jedermann-Rufe einfach an den Anfang gestellt wurden, so als wären sie dem Regisseur lästig, aber er wollte sie dem Publikum halt nicht vorenthalten. Dabei sind gerade diese beiden Elemente wichtig für den Spannungsaufbau der Tischgesellschaft. Die Gestaltung von Bühne und Kostümen durch Renate Martin und Andreas Donhauser sind zweckentsprechend und die Musik von Matthias Rüegg passt sehr gut, da sie stellenweise an mittelalterliche Musik erinnert.
Angenehm überrascht war ich von Tobias Moretti in der Titelrolle. Ich gebe ehrlich zu, dass ich bei seiner Nominierung sehr skeptisch war und vermutete, dass man ihn hauptsächlich wegen seines populären Namens engagiert hat. Aber er machte seine Sache gut. Speziell im ersten Teil fand er eine gute Mischung zwischen Leichtsinn und versteckter Menschlichkeit. Nach dem Erscheinen des Todes wirkt er dann jedoch eher agressiv verzweifelt denn reumütig und so ganz nimmt man ihm die Reue nicht ab. Stefanie Reinsperger hat mich als Buhlschaft eher enttäuscht. Sie wirkte weder leichtlebig noch verführerisch. Auch sprachlich setze sie mit den wenigen Sätzen, die sie zu sprechen hat, kaum Akzente. Zudem ist es jetzt schon die dritte Produktion, wo sie nicht als erste Jedermann verlässt und man ihr ausserdem den Höhepunkt des Schreis beim Erscheinen des Todes nicht gönnt. Peter Lohmeyer war schon wie in der vorigen Produktion ein ausgezeichneter Tod. Warum er ihn diesmal allerdings als Transsexuellen spielen musste, hat sich mir nicht erschlossen. Hanno Koffler war ein etwas blasser Gesell aber ein sehr prägnanter, diesmal kaum komischer Teufel. Mavie Hörbiger wirkte als Werke etwas überdreht, sprach allerdings gut. Sehr gut gefiel mir Edith Clever, eine der einstigen drei Ikonen der Berliner Schaubühne. Ihre Darstellung der Mutter strahlte die richtige Mischung aus Strenge, Nervigkeit und echter Sorge um den Sohn aus. Dazu sprach sie sehr prägnant. Sehr schwach war Johannes Silberschneider als Glaube. Er blieb darstellerisch blass und sprach seinen Text ohne jeglichen Ausdruck. Christoph Franken beraubte man des spektakulären Herausfahrens aus der Truhe und er blieb eher konturlos und unspektakulär. Die Darsteller der kleineren Rollen boten unterschiedliche Leistungen.
Das Publikum aber war begeistert und spendete jubelnden Beifall.
Heinrich Schramm-Schiessl