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SALZBURGER FESTSPIELE / Szene Salzburg: ANGELA WINKLER

Vom Glück, eine einzigartige Schauspielerin geworden zu sein

14.08.2023 | Konzert/Liederabende
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Angela Winkler und Mitglieder des delian::quartetts. Handy-)Foto: Manfred A. Schmid

SALZBURGER FESTSPIELE / Szene: Brecht-Lesung und -Lieder mit ANGELA WINKLER & delian::quartett

13. August 2023

Von Manfred A. Schmid

Eigentlich wollte sie immer schon Sängerin werden. Berühmt geworden ist Angela Winkler allerdings als Schauspielern und gilt längst gilt als Grande Dame der deutschen Bühnenwelt. 1986 war sie erstmals bei den Salzburger Festspielen im Einsatz und ist seither regelmäßiger Gast des Festivals, zuletzt 2021 und 2022 als Mutter im Jedermann, wo sie im Vorjahr auch in der Marathonlesung von Dantes Göttlicher Komödie zu erleben war.

Relativ spät erfüllte sich Winkler ihren Jugendtraum. 2011 erschien die erste CD mit von ihr gesungenen Liedern, mehrere Konzerte als Sängerin sollten folgen. 2022 überraschte sie die ORF-Zuschauer, als sie in der Sendung „KulturMontag“, offenbar spontan, Bertolt Brechts Lied „Erinnerung an Marie A.“ zum Besten gab.

Ein Jahr später ist es nun soweit: Im Programm „Bertolt Brecht Vergnügungen“ rezitiert und singt Angela Winkler, begleitet vom delian::quartett – ja, so nennt sich das brillante deutsche Streichquartett – Texte des Dichters sowie Vertonungen von Kurt  Weill, Hanns Eisler und dem weniger bekannten Franz Servatius Bruinier, der der erste war, der mit Brecht als Komponist zusammengearbeitet hat.

Die Bearbeitungen der Lieder für ein Streichquartett wurden eigens für das delian::quartett erstellt, das sich durch seine Zusammenarbeit mit namhaften Musikerinnen und Musikern, vor allem aber auch mit Schauspielern wie Bruno Ganz, Ulrich Noethen, Ulrich Tukur und Peter Simonischek international bereits einen klingenden Namen gemacht hat.

Wie von dieser Gruppe bei Konzerten Literatur mit Musik verschiedenster Art, von Bachs Kunst der Fuge über Klassik bis hin zu Jazz und eigens für dieses Ensemble geschriebenen Werken, u.a. von Aribert Reimann, kombiniert wird, ist ziemlich einzigartig. Ein aktuelles Beispiel: Angela Winkler rezitiert Brechts Text „Vergnügungen“, entstanden 1954, darauf folgt die Wiedergabe von des Streichquartetts Nr. 4 op 83 von Dmitri Schostakowitsch aus dem Jahr 1949. Beiden Werken gemeinsam ist der Rückzug in die Privatsphäre, die Beschwörung von Ruhe Harmonie und Gelassenheit, die aber von außen immer wieder bedroht wird, im Falle Schostakowitchs droht sogar die Vernichtung der Existenz als Folge der künstlerischen Nichtanpassung an politische Richtlinien in Sachen Kunst. Wichtig dabei: Das Streichquartett wird als Ganzes aufgeführt, es gibt keine Lesungen zwischen den vier Sätzen. Das delian::quartett will neue Zuhörerschichten erreichen, aber ohne fauleKompromisse.

Angela Winklers Vorbilder bei der Interpretation der Lieder sind offensichtlich Lotte Lenya sowie die in den 20er Jahren übliche Art zu singen, wie man sie aus Schellack-Aufnahmen kennt. Wie Lenya hat sie eine ziemlich hohe Stimme, es fehlen ihr allerdings die für Lenya typischen Ecken und Kanten. Winklers Stimme kling durchwegs sanft und mild. Es braucht eine Weile, bis man heraushören kann, dass diese Stimme, wie es von stillen Wassern heißt, tief ist, in die Tiefe reicht, die seelischen und existenziellen Tiefen, Nöte und Zwänge ausloten kann, ihren Grund erreicht. „Ich habe eine leise Stimme, aber eine, die berühren kann, “ meinte sie in einem Interview, und dem kann man nur zustimmen. Ob es sich nun um Eislers „Das Lied vom kleinen Wind“ oder um Weills „Surabaya Johnny“ handelt, Winklers Gesang berührt.

Und doch: Den stärksten Eindruck des Abends hinterlässt ihre schlichte wie innige Rezitation von Bertolt Brechts „Terzinen über die Liebe“, eines der schönsten Liebesgedichte der deutschen Literatur. Da geht einem das Herz auf. Das ist die Angela Winkler, wie man sie kennt, schätzt, liebt und verehrt. Eine Ausnahmekünstlerin eben. Ihre spät erfüllte Leidenschaft für das Singen eröffnet Einblick in eine weitere Facette ihrer Kunst, die vom Publikum auch wertschätzend begrüßt wird. Letztendlich führt es aber doch zur Erkenntnis, dass es gut war, dass sie vor allem und zuallererst Schauspielerin geworden ist. Als solche ist und bleibt Angela Winkler, was sie ist: nämlich einzigartig!

 

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