SALZBURG MOZARTWOCHE: Eröffnungskonzert über Stream
Mozarteum-Orchester Salzburg, Keri-Lynn WILSON
Wolfgang Amadeus als Stimmungsaufheller und Lichttherapie im Lockdown
27.1. 2021 – Karl Masek
Mathilde Calderini, Xavier de Maistre, Kery-Lynn Wilson. Copyright: Wolfgang Lienbacher
Auch die Veranstalter der Mozartwoche Salzburg 2021 haben all unser Mitgefühl in dieser verdammten Zeit der Pandemie. Auch hier musste natürlich umgestellt, verkürzt, geändert werden. Also auf Vorstellungen ohne Publikum, und auf Stream-Übertragungen setzen.
Dankbarkeit ist auch in diesem Fall ein Leitwort. Danke, dass die KünstlerInnen wenigstens auf diese Art Auftritte haben! Danke, dass das Publikum in den Genuss von Übertragungen kommt, und es sich dabei sogar auf dem Sofa bequem machen kann!!
Der künstlerische Leiter der Mozartwoche, Rolando Villazon, moderierte dieses Eröffnungskonzert. Das Temperamentsbündel war schier außer sich vor Freude, die Programmpunkte ansagen zu dürfen. Er fand dafür gefühlte achtunddreißigmal das Wort „WUNDERBAR“! Ich dachte, das © für dieses Wort hätte längst Harald Serafin seit seiner Intendantenzeit in Mörbisch gepachtet!
Das Mozarteumorchester Salzburg bestritt nun die Eröffnung. Geleitet wurde das Konzert von der kanadischen Dirigentin Keri-Lynn Wilson. Sie ist längst an den Dirigierpulten der renommiertesten Opernhäuser angekommen. Covent Garden London, die Bayerische Staatsoper München, die Arena di Verona, das Bolshoitheater Moskau und das Mariinsky Theater Sankt Petersburg befinden sich auf der umfangreichen Gastspielliste. An der Wiener Staatsoper hat Wilson vielfältiges Repertoire dirigiert. Nun also das Debüt in Salzburg!
Luca Pisaroni, Giulia Semenzato, Rolando Villazon. Copyright: Wolfgang Lienbacher
Das Mozart-Programm begann mit der Symphonie Nr. 25 in g-Moll, KV 183. Mozart hat dieses überaus kühne, dramatische Werk mit 17 Jahren komponiert und unmittelbar nach einem Wien-Aufenthalt in Salzburg fertiggestellt. Selbst das Menuett ist in Moll gehalten (nur das Trio steht in G-Dur als Kontrast zur Paralleltonart B-Dur in den Seitenthemen der Rahmensätze), was lange Zeit zur Spekulation geführt hat, ob Mozart in Wien eine persönliche Krise durchgemacht hat. Für derlei Spekulationen fand man aber keine Grundlage. Es ist einfach eine besonders durchgearbeitete Gesamtstruktur der 4 Sätze und ein Zurücklassen überkommener Konventionen!
Keri-Lynn Wilson legte großen Wert auf schöne Legatobögen, auf genaue Phrasierung, ohne auf Überakzentuierungen zu setzen. Das Mozarteumorchester Salzburg spielte inspiriert, besonders positiv dabei, wie im Trio Oboen, Fagotte und Hörner miteinander kommunizierten. Ein erstklassiger Auftakt!
Höhepunkt des Vormittags war im Anschluss daran das Konzert für Querflöte, Harfe und Orchester in C-Dur, KV 299. Man möchte es nicht glauben, dass Mozart die Flöte als Instrument gar nicht geschätzt haben soll („Zauberflöte“ hin oder her!). Es ist ein wunderbares, inspiriertes Werk! Kantabel, apart, höchst anmutig, in perfekter Übereinstimmung die beiden Soloinstrumente. Das C-Dur, überhaupt die weiche Klanglichkeit: Ein perfekter Stimmungsaufheller ist Mozart bei diesem Werk. Eine musikalische Lichttherapie geradezu!
Mathilde Calderini (Flöte) entführte also in lichte Höhnen, begeisterte mit schwebender Melodik, Verzierungen, Trillern und dem eleganten „einander-Zuspielen“ der Motive, die von der Harfe locker, perlend übernommen wurden. Begeisterung, dem Weltklasse-Harfenisten Xavier de Maistre wieder einmal begegnet zu sein. Die Wiener Musikfreunde haben seine Zeit bei den Wiener Philharmonikern und in der Wiener Staatsoper nicht vergessen! Die perfekte Übereinstimmung der beiden, das sanguinische Musikertemperament, mit dem sie die Pointen setzten: die reine Freude!
Nicht ganz auf gleicher Höhe war der vokale Mittelteil mit 3 Konzertarien und 2 Ausschnitten aus der Oper Le Nozze di Figaro. Rolando Villazon sang das erste erhaltene Vokalwerk des Salzburger Genies, die Arie für Tenor und Orchester „Va, dal furor portata“, KV 21. Ein unfassbar reifes Werk eines Neunjährigen! Mit dem ihm eigenen Totaleinsatz, ohne Rücksicht auf Verluste. Mit Respekt gebietender Vehemenz stürzte sich Villazon in die dramatischen Steigerungen und die rasanten Koloraturen. Dabei sind allerdings die stimmlichen Verschleißerscheinungen nicht mehr zu überhören, auch nicht die nur mehr mit roher Gewalt hervorgestoßenen Hochtöne, die dann auch mal zu tief angesetzt werden.
Luca Pisaroni hatte in Rezitativ und Arie für Bass und Orchester „Così dunque tradisci“-“Aspri rimorsi atroci“, KV 432 mit den tiefen Tönen zu kämpfen. Diese Konzertarie wurde für Ludwig Fischer geschrieben, den ersten „Osmin“. Alles klar, da sind tiefe Kellertöne dabei!
Schließlich Giulia Semenzato, die sich bei den „Le Nozze“-Ausschnitten als Susanna viel besser fühlte als in der kraftfordernden, teuflisch schwierigen Sopranarie „Bella fiamma addio“-“Rasta, oh cara, KV 528. Seelenvollen Ausdruck gab es wohl, und interessante Stimmfarben bei etlichen überraschenden harmonischen Wendungen.
Ein bisschen Bühnenluft war mit dem Duettino Susanna/Il Conte „Crudel! Perque finosa“ und dem Terzett Basilio/Conte/Susanna, mit Villazon als Musiklehrer samt schriller Falsett-Einlage zu spüren. Die Figaro-Ouverture schnurrte vorher hurtig ab.
Die Symphonie Nr. 29, A-Dur, KV 201 rundete die Eröffnung repräsentativ ab. Das Orchester bewies im Salzburger Heimspiel im vertrauen Großen Saal des Mozarteums, wie wertvoll es für die Stadt und das Festspielgeschehen im Sommer wie im Jänner ist. Elastischer Klang, feine Pointen im Menuett und im übermütigen „Allegro con spirito“!
Karl Masek