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SALZBURG/ Mozartwoche: DAVIDE PENITENTE als Reiterballett in der Felsenreitschule

24.01.2015 | Konzert/Liederabende

22.1.:, Mozarts „Davide penitente“ als Reiterballett in der Felsenreitschule

 Marc Minkowski, der quirlige musikalische Leiter der Salzburger Mozartwoche, liebt nicht nur den Genius loci, sondern auch Pferde. In der Felsenreitschule waren die edlen Tiere einst daheim, wie schon der Name sagt. Mozarts näheres Verhältnis zu Rössern ist nicht genauer dokumentiert, aber auf jeden Fall war er ein Tierfreund und sowieso für viele Abenteuer zu haben. In der Kantate „Davide penitente“, 1785 in typischer Kontrafaktur-Manier auf das Kyrie und das Gloria des Fragments der c-Moll-Messe getextet und mit zwei neuen Arien verschmolzen, geht es um den reuigen König David. In den Psalmentexten kommen zwar keine Pferde vor, aber der biblische König wird schon auf solchen geritten sein. Also verbannte man die mit Mitgliedern des Mozarteumorchesters verstärkten Musiciens du Louvre, den Salzburger Bachchor und das Solistentrio in die Arkaden, verwandelte die Bühne in einen Reitstall zurück und setzte den Dirigenten auf ein erhöhtes Podest, von wo er über die „berittene“ Spielfläche hinweg mit bewegten Gesten die Musizierenden anfeuerte.

 Die angetretenen Kollektive sind Garanten für Mozart-Kompetenz und gaben ihr Bestes. Dass es mitunter zu Unschärfen kam, ist der weit auseinander gezogenen Aufstellung geschuldet. Die ohnehin nicht ideale Akustik des Raums diente nicht gerade besonderer Feinzeichnung. Der von Alois Glaßner einstudierte Bachchor schaffte es sogar, in der obersten Arkadenreihe, ohne Höhenangst mit Akzenten zu punkten. Christiane Karg, Sopran, und Marianne Crebassa, Mezzo, boten Mozart-Belcanto vom Feinsten. Der junge französische Tenor Stanislas de Barbeyrac empfahl sich mit weichem Timbre für das lyrische Fach. Außer zu singen und zu stehen, durften die drei nichts tun, denn erstens ist diese David-Kantate wenig dramatisch und zweitens mag der Pferde-Choreograph Bartabas die Kunstform Oper überhaupt nicht.

 Doch siehe da, es ereignete sich das Wunder einer hoch artifiziellen, dennoch anrührenden und unvergesslichen Aufführung. Denn Bartabas – das ist der Künstlername für  Clément Marty – ist nicht zu Unrecht der hoch verehrte Meister der Pferde à la France. Er hat alte Traditionen in Versailles wieder belebt. Die  Académie Équestre de Versailles ist ein Mekka aller Freunde der klassischen Reitkunst. In Salzburg gastierten 10 Reiterinnen und 2 Reiter auf wunderschönen Schimmeln – für Wissende: Criollos für die Gruppe, Cremellos für die Soli. Das braune Chefpferd „Le Caravage“ zügelte Bartabas selbst. Und verzauberte mit seinem Solo zur „Maurerischen Trauermusik“. Unglaublich, wie elegant und aristokratisch, wie würdevoll und charismatisch Ross und Reiter zu tanzen vermögen. Für den Rest des Abends verwandelten sie sich in ein sehenswertes Reiterstandbild am Bühnenrand und überließen die Fläche dem weißen Dutzend. Vor die bloß 45minütge Kantate hatte man nämlich Adagio und Fuge in c-Moll KV 546 zum Aufwärmen, den Priestermarsch aus der „Zauberflöte“ und die „Trauermusik“ gestellt, womit, mit Verlaub, die stärkste Musik des Abends verklungen war. Doch natürlich war Mozart auch dann genial unterwegs, wenn er bloß routiniert etwas zusammenbraute wie im „Davide“. Und Meister Bartabas ist hochmusikalisch und übertrug klingende Strukturen in abstrahierende, feine Bilder, atmosphärisch unterstützt von der nie aufdringlichen, natürlichen, mit warmen, halbdunklen Stimmungen arbeitenden Lichtregie des Bertrand Couderc. Meist lief alles sehr kontrolliert und kunstvoll abgezirkelt ab, doch einmal, im Ruhmgesang für den Herrn, ritten die Damen mit wehenden Haaren derart lustvoll im Kreis, dass man sich in archaische Rituale versetzt fühlte. Hin und wieder schnaubte ein Ross, was nicht weiter störte.

Das Publikum war nach einer guten Stunde Reiterballett begeistert. Das Experiment empfiehlt sich durchaus zur Fortsetzung. Warum kann man, z.B., nicht auch Wagners Walküren oder Smetanas Amazonen („Šárka“) in Salzburg reiten lassen?              

Gottfried Franz Kasparek

 

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