Opernrarität bei den Salzburger Festspielen: „Il templario“ von Otto Nicolai (Premiere: 27. 8. 2016)
Unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada spielten die Wiener Philharmoniker groß auf. Rechts vom Dirigenten Juan Diego Flórez, links Kristiane Kaiser und Adrian Sâmpetrean (Foto: Salzburger Festspiele / Marco Borelli)
Im Großen Festspielhaus von Salzburg hatte am 27. August 2016 eine echte Opernrarität Premiere: „Il templario“ von Otto Nicolai. Diese Wiederentdeckung hat eine reizvolle Vorgeschichte, wie vor einigen Tagen vom Online-Merker berichtet wurde: Clemens Hellsberg, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Wiener Philharmoniker bekam vom Tenor Juan Diego Flórez eine E-Mail, in der der Sänger sein Interesse an der Oper „Il templario“ von Otto Nicolai, dem Gründer der Wiener Philharmoniker, bekundete. „Es hat durchaus Gewicht, wenn solch ein großer Künstler wie Flórez sich für eine solch selten gespielte Oper einsetzt“, sagte Clemens Hellsberg.
Dass Hellsberg es geschafft hat, diese Oper bei den Salzburger Festspielen ins Programm aufnehmen zu lassen, freute nicht nur Juan Diego Flórez, sondern auch das Publikum, war doch „Il templario“ bei der Uraufführung in Turin 1840 ein so großer Erfolg, dass der Komponist als leitender Hofkapellmeister an die Wiener Oper verpflichtet wurde, wo er 1842 die Philharmonischen Akademien gründete, aus denen die Wiener Philharmoniker hervorgingen.
Es lag also nahe, die Wiener Philharmoniker die Oper von Otto Nicolai in der konzertanten Aufführung im Großen Festspielhaus spielen zu lassen. Und es wurde ein triumphaler Erfolg, an dem das Orchester unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada genau soviel Anteil hatte wie das glänzende Sängerensemble mit Juan Diego Flórez an der Spitze.
Die Handlung der Oper, deren Libretto Girolamo Maria Marini nach dem Roman Ivanhoe von Sir Walter Scott verfasste, in Kurzfassung: Beim Turnier von Ashby hat ein unbekannter Ritter den als unbesiegbar geltenden Briano di Bois-Guilbert geschlagen. Nun erwartet er die Überreichung des Lorbeerkranzes durch die von allen bewunderte Rovena, die er seit langem liebt. Briano unterlag, weil er einen Augenblick lang abgelenkt war, als er die schöne Jüdin Rebecca im Publikum erblickte. In Rebecca ist er verliebt, seit er sie in Palästina sah. Doch nun beginnen die Probleme. Denn Rebecca liebt den geheimnisvollen Sieger, der niemand anderer ist als Vilfredo d’Ivenhoe, den sie einst verwundet am Ufer des Jordans fand und gesundpflegte. Aber Vilfredo ist in Rovena verliebt, die seine Liebe erwidert. Briano fasst den Entschluss, Rebecca zu entführen. – In einem Turmzimmer der Templerkomturei durchlebt die gefangene Rebecca in Gedanken ihre Liebe zu Vilfredo, den Sohn des Cedrico il Sassone, und weist aus diesem Grund Briano schroff zurück. Der Großmeister Luca di Beaumanoir trifft ein und bezichtigt Rebecca der Hexerei, worauf sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt werden soll. Doch ein Gottesurteil in Form eines Zweikampfs rettet Rebecca. Vilfredo, der „unbekannte Ritter“, befreit sie und stattet damit seinen Dank für die einstige Errettung in Palästina ab.
Die Wiener Philharmoniker gaben unter der temperamentvollen Leitung des kolumbianischen Dirigenten Andrés Orozco-Estrada, der in Wien seine Ausbildung erhielt, die farbige Partitur des Komponisten, die an Kraft und Dramatik reich ist, in allen Facetten wieder. Als Vilfredo d’Ivanhoe glänzte der peruanische Tenor Juan Diego Flórez mit seiner vom Publikum heißgeliebten hellen Stimme, die auch bei den höchsten Tönen für Entzücken sorgt. Seinem Gegenspieler Briano lieh der italienische Bariton Luca Salsi seine faszinierend kraftvolle Stimme, die das Große Festspielhaus mühelos füllte.
In der Rolle der Rebecca brillierte die französische Mezzosopranistin Clémentine Margaine mit ihrer wandlungsvollen Stimme, die warm und kraftvoll klang, während die blonde Wienerin Kristiane Kaiser mit ihrem dramatischen Sopran in der Rolle der Rovena begeisterte, die als Mündel von Cedrico il Sassone sich in seinen Sohn Vilfredo verliebte. Cedrico wurde vom rumänischen Bass Adrian Sâmpetrean gesungen, dessen mächtige Stimme wunderbar zum Führer der angelsächsischen Traditionalisten passte.
Den Großmeister der Templer gab der mexikanische Bariton Armando Piña, die Rolle des Isacco di York wurde vom österreichischen Tenor Franz Supper gesungen. Mit eindrucksvoller Stimmkraft wartete der fast hundertköpfige Salzburger Bachchor auf (Einstudierung: Alois Glassner).
Das von der musikalischen Qualität dieser Opernausgrabung begeisterte Publikum bejubelte am Schluss alle Mitwirkenden mit großem Beifall und vielen Bravo-Rufen für Juan Diego Flórez und Luca Salsi, Brava-Rufen für Clémentine Margaine sowie Bravi-Rufen für die Wiener Philharmoniker und seinen Dirigenten Andrés Orozco-Estrada.
Udo Pacolt
PS: Am 30. August findet eine weitere konzertante Aufführung im Großen Festspielhaus in Salzburg statt.