SALZBURG/ Großes Festspielhaus: CAPRICCIO – konzertant am 4.August 2024
Richard Strauss: » Capriccio «: Mika Kares (La Roche, der Theaterdirektor), Sebastian Kohlhepp (Flamand, ein Musiker), Konstantin Krimmel (Olivier, ein Dichter), Elsa Dreisig (Die Gräfin), Ève-Maud Hubeaux (Die Schauspielerin Clairon) und Bo Skovhus (Der Graf, Bruder der Gräfin). Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele
An die Zuhörerschaft, welche, der Szene verlustig, zum Zuhören — oder einer stundenlangen Leseübung — verurteilt ist; an große Teile des Feuilletons, welche mangels intimer musikalischer Kenntnisse verzweifelnd (doch vergeblich) um Lesenswertes ringen; — und an die Sänger, welche, Kostüm und Maske entkleidet, sich einer zu oft ignorierten Wahrheit stellen müssen: Oper ist Theater durch Gesang.
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Der Erkenntnisgewinn dieser Abende ist ein vielfacher: zum ersten, daß man glaubte, die Bühnenmusik — Daniel Froschauer (Violine), Raphael Flieder (Violoncello) und Jobst Schneiderat (Cembalo) — für die alten französischen Tänze verstärken zu müssen. Sollte die Akustik des Großen Festspielhauses solches wirklich erfordern? Verfährt man bei Sonatenabenden ebenso? Zum zweiten, daß es uns heute an den Sängern für eine stimmlich zufriedenstellende Bewältigung dieser Partien fehlt. Darf man, wenn der Sänger des Monsieur Taupe, Jörg Schneider, den besten gesanglichen Eindruck hinterläßt, als einziger der Kunst des legato huldigt, feststellen, daß der Niedergang des klassischen (Opern-)Gesanges nicht länger zu leugnen ist? (Der Haushofmeister des Torben Jürgens war der Gräfin und Monsieur Taupe ein verläßlicher und wortdeutlicher Stichwortgeber.) Zum dritten, daß zumindest einige der Sänger mit micro-ports ausgestattet waren und diese auch Verwendung fanden: Oft geleugnet, (sah und) hörte man’s diesmal zweifelsfrei: die zumindest zeitweise elektroakustische Verstärkung von Stimmen auf einer Opernbühne. Und zum vierten, daß es auch in der Vergangenheit wohl wenige Kombinationen aus Dirigent und Orchester gab, welche die Capriccio-Partitur in derart vielen Farben und Schattierungen zum Erklingen brachten wie Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker. Einmal mehr waren es — wie in Wien in den letzten Jahren fast ausschließlich — Dirigent und Orchester, welche die Aufführung über das erwartbare Mittelmaß hinaushoben: das Sextett! Die » Mondscheinmusik «! So durchhörbar und doch zusammenklingend gearbeitet und gespielt hört man sie selten. Kapellmeister Thielemann fand durchwegs die richtigen Tempi. Da schleppte nichts, da brach kein Spannungsbogen, da war der Mann am Pult den Sängern unterstützender Anwalt…
…Das Ergebnis: stimmliche Alltagskost zu Höchstpreisen, überhöht allein von hervorragendem, festspielwürdigen Orchesterklang.
Frau Gräfin, das Souper ist serviert.
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Thomas Prochazka/ www.dermerker.com