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SALZBURG/ Großes Festspielhaus: AIDA – Sensationsdebüt von Anna Netrebko. Premiere

07.08.2017 | Oper

Salzburg/ Großes Festspielhaus: WENN SICH DER OPERNHIMMEL ÖFFNET: ANNA NETREBKO’S SENSATIONSDEBÜT ALS AIDA (6.8.2017)


Anna Netrebko (Aida). Copyright: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele

„Liebestod“ à la Giuseppe Verdi: Aida und Radames sterben freiwillig gemeinsam und nehmen vom „Tal der Tränen“ mit den Worten „Si schiude il ciel“ – „Wenn sich der Himmel öffnet“ Abschied. Und dieser emotionale Flow ging diesmal voll auf das Konto von Anna Netrebko: hier öffnete sich wahrlich der Opern-Himmel! Ihr Rollendebüt als Aida war tatsächlich sensationell und man muss in der Chronik der Oper bis in die Goldenen 50er und 60er Jahre zurückblättern, will man Vergleichbares finden. Die russische Diva hat die große, blühende Höhe für den Triumph-Akt, sie besteht mit ihrem dramatischen Sopran gegen den riesigen Chor, das Orchester und alle Kollegen; aber sie verfügt zudem auch über die zartesten Piani in der Nilarie, im großem Duett mit Radames („Fugir“) oder in der Final-Szene. Dazu kommt, dass die Stimme der Netrebko keinerlei Schwierigkeiten mit der tiefen Lage hat: sie will offenbar ihren Mezzo-Kolleginnen zeigen, was Belcanto-Qualität im dunklen „Samt“ der unteren Tessitura bedeutet.

Und Nerven hat die russische Primadonna mit österreichischem Pass offenbar überhaupt nicht. Oder sie sind aus Stahl. Denn das Hauptproblem dieser Premiere war wohl der hohe Erwartungsdruck, der nur teilweise eingelöst wurde. Vor allem die sehr statische Regie der iranischen Foto-und Video-Künstlerin Shirin Neshat polarisierte das Publikum, auch beim Ensemble gab es Schwachstellen. Immerhin stand ein frischer, jugendlicher Radames mit Francesco Meli, der sich seit seinem Manrico enorm gesteigert hat, zur Verfügung.


 Anna Netrebko (Aida), Ekaterina Semenchuk (Amneris), Roberto Tagliavini (Der König), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Copyright: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele

Und auch Riccardo Muti mit den Wiener Philharmonikern und dem Wiener Staatsopernchor (L: Ernst Raffelsberger) gehört zu der Haben-Seite dieser Premiere. Doch halten wir uns an die Chronologie: im Vorspiel der 1871 in Kairo uraufgeführten Oper von Verdi versucht Riccardo Muti den kammermusikalischen Charakter zu betonen und nicht den pathetischen „Kriegs-Sound“. Dann die erste Szene: Dmitry Belosselskiy als  düsterer Ramphis bleibt auch in der Folge die beste der „tiefen Männer-Stimmen“. Dann eine wahrlich grandiose „Celeste Aida“ von Francesci Meli (aus Genua): mühelos, hell, mit Emphase vorgetragen. Nun Auftritt von Amneris: Ekaterina Semenchuk wirkt den ganzen Abend angestrengt, nicht in Form – entweder rächt sich das permanente „dramatische Fach“ (von Azucena bis Eboli) oder sie hatte einfach keinen guten Abend. Inzwischen wird klar: die Inszenierung von Shirin Neshat (Bühne Christian Schmidt) setzt ganz auf starke Bilder, verzichtet auf jeden Orientalismus.

Endlich Auftritt von Aida: die russische „primadonna assoluta“ bringt  sofort jene Spannung, die alle erhofften. Sie ist keine Sklavin, sondern selbstbewusste „Rivalin“, ihr phantastisches blau-graues Kostüm (Tatyana van Walsum) könnte bei einem internationalen Mode-Event reüssieren. Erster Höhepunkt: „Ritorna vincitor!“ Als Sieger kehre heim. Die Arie der äthiopischen Prinzessin als Wechselbad zwischen Liebe zu Radames und Patriotismus. Die Gefühle wogen wie das wilde Meer. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Anna Netrebko hat bereits zu diesem Zeitpunkt alles gewagt und alles gewonnen. Und so blieb es auch: der König von Robert Tagliavini war zu bieder und den Raum-Dimensionen des Großen Festspielhauses nicht ganz gewachsen.


Benedetta Torre (Oberpriesterin), Franceso Meli (Radamès), Dmitry Belosselskiy (Ramfis), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Copyright: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele

Das gilt dann auch für den Amonasro von Luca Salsi. Er wirkt wie der jüngere Bruder von Aida. Dazu ein statischer Triumphmarsch – spätestens hier wird klar, dass das Konzept der „großen Bilder“ nicht wirklich aufgeht. Aber was soll’s wenn man einen so herrlichen Nilakt mit mühelosem hohen Piano-C erleben kann. Und auch das Duett mit Radames hat man selten so verführerisch, so hoffnungsfroh gehört wie bei dieser Premiere. Die Gerichtsszene war dann wieder ein kleiner Rückschritt, am Ende wurde der Tenor auch etwas müde. Aber der überirdische Klang von Anna Netrebko entschädigte dann im Finale für alles, was zu einer Sternstunde fehlte. Das Aida-Rollendebüt von Anna Netrebko ist jedenfalls schon jetzt in die Operngeschichte eingegangen! Und der Opernhimmel hat sich geöffnet!

Peter Dusek

 

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