Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SALZBURG/ Festspiele: SALOME (Wiederaufnahme-Premiere)

26.08.2019 | Oper

SALZBURG/ Festspiele: SALOME (25.8.2019 abends)


Foto: Klaus Billand

Gestern Abend hatte ebenfalls Richard Strauss‘ „Salome“ des meiner Ansicht nach großartigen Regisseurs Romeo Castellucci Premiere, der mir schon mit seinem „Parsifal“ 2011 in Brüssel am Munt positiv aufgefallen war. Als einzige Oper hatte Markus Hinterhäuser diese „Salome“ aus dem Vorjahr übernommen. Das war nicht nur berechtigt, sondern zahlte sich auch aus, wenn man es am Publikumszuspruch gestern Abend bemessen möchte. Ungewöhnlich viel politische Prominenz hatte sich eingefunden, darunter Ursula von der Leyen, der ehem. deutsche Bundespräsident Host Köhler, Ursula Plassnik und Wolfgang Schüssel, was mich angesichts genau dieser Oper und der Art und Weise, wie Castellucci sie deutet – denn das war ja bekannt – etwas wunderte, zumal auch noch ohne Pause…

Als absoluter Star des Abends in der ebenso ausverkauften Felsenreitschule wie es bei „Luisa Miller“ das Große Festspielhaus zuvor war, strahlte wieder einmal die litauische Sopranistin Asmik Grigorian mit einer schier unermüdlichen und unverwüstlichen Stimme, die selbst noch in den letzten Momenten wie von Katapulten abgeschossen auf das Publikum niederging – mit all ihren Facetten von mädchenhafter Naivität, Ignoranz, Abenteurertum, Boshaftigkeit, Rachegefühlen und finalem Untergang – im wirklich letzten Bild, als ihr die ganze Dimension ihrer Handlungen klar zu werden schien. Also auch darstellerisch eine Leistung der Sonderklasse! Der Ungar Gábor Betz sang eindringlich und spielte vor allem auch wieder den Jochanaan mit seinen düsteren und maskulinen Abpercus wie einem dunklen Hengst und Pferdegeschirr, wozu noch mehr zu sagen sein wird. John Daszak gab wieder diesen eigenartigen, leicht verrückten und, bis es zur grausamen Realität kommt, stets von zwei Statisten geführten Herodes, der offenbar nicht Herr seines Reiches ist. Das macht auch Anna Maria Chiuri deutlich, die mit ausdrucksstarkem Mezzo bei jeder Gelegenheit hören ließ, was sie von ihm hält. Julian Prégardien sang einen wohlklingenden Narraboth mit hellem Tenor, immer unter Obhut des guten und besorgten Pagen von Christina Bock, bis es nicht mehr ging und er in sein Schicksal lief…

Die Inszenierung Castelluccis, der ja auch für Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, mit einer ebenso ungewohnten wie interessanten Choreografie von Cindy van Acker und dramaturgischer Unterstützung von Piersandra Di Matteo, besticht einmal mehr durch ihre ungeheure Bildersprache und die Art und Weise, wie sich die Figuren auf der Riesenbühne der Felsenreitschule bewegen, die ganz in Gold gefasst ist. Immer wieder verstört der Regisseur durch scheinbar überflüssige Nebenpersonen bzw. Nebenschauplätze, die aber offenbar zu seinem Duktus gehören, das wirklich Wesentliche noch stärker hervorzuheben. In anderen Momenten wiederum erleben wir Szenen, in denen außer den Protagonisten niemand auf der Bühne ist. So sehen wir Salomes Tanz, der eigentlich gar keiner ist, weil er m.E. schon viel früher stattgefunden hat, ohne eine andere Person auf der Bühne. Nur Salome allein ist wie ein Geschenk für Herodes nackt auf einem Stein mit der Inschrift „SAXA“ drapiert. Diese Inschrift wurde vom Neutor in der Domstadt übernommen und schmückt in voller Länge auch den Bühnenvorhang zu Beginn.

Bei immerhin schon einigen erlebten „Salome“-Produktionen erschien mir noch nie so schlüssig und nachhaltig klar, wie sehr die Abweisung Salomes durch Jochanaan das grausame Ende der Oper bestimmt. Das geht hier wie ein Pfeil durch das Geschehen, auch wenn Salome gar nicht agiert, sondern in einer Ecke kauert – und ganz unabhängig von all den Nebenpersonen und -schauplätzen. Castellucci hat dies auf der sexuellen Ebene noch damit akzentuiert, dass er Salome zur ja recht langen Abgangs-Musik des Propheten in die Zisterne einen völlig beinfreien erotischen „Tanz“ im Liegen vollführen lässt. Dieser endet ganz offensichtlich mit einem Orgasmus, aus dessen Erschöpfung sie erst erwacht, als Herodes mit seiner Bagage samt Stehlampen aus „Arsen und Spitzenhäubchen“ und Hausfotograf polternd auf die Bühne kommt. Das war für mich Salomes Tanz!


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Franz Welser-Möst zeigte am Pult der Wiener Philharmoniker seine und deren ganze Kompetenz beim Entziffern der genialen Partitur von Richard Strauss. Er verstand insbesondere die ruhigeren Phasen und kontemplativen Momente fein auszumusizieren und konnte dann bei den dramatischen Szenen noch stärker auftrumpfen. Nie aber wurde es pathetisch oder gar zu laut, oft klang es geradezu kammermusikalisch. Das genau das liegt ja auch in der Musik der „Salome“. Musikalisch also ebenfalls ein großer Abend. Wenn er auch nur eine Stunde und fünfzig Minuten dauerte, so kam er mir aufgrund seiner Spannung und Detailliertheit wie vier Stunden vor…

Weiere Aufführungen am 28. und 31. August.

(Detaillierte Rezension folgt hier und im Festspieldoppelheft des neuen Merker).

Klaus Billand aus Salzburg

 

 

Diese Seite drucken