Elena Stikhina, Pavel Cernoch. Foto: Salzburger Festspiele/ Thomas Aurin
SALZBURGER FESTSPIELE – MÉDÉE am 19.8. 2019 (letzte Vorstellung)
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Im Rahmen des heurigen „Antike“-Schwerpunktes im Opernprogramm setzte man zum zweiten Mal in der Festspielgeschichte – zuletzt 2000 in einer halbszenischen Aufführung unter Sir Charles Mackerass – Luigi Cherubinis „Médée“ auf den Spielplan. Die Handlung schildert den Verrat des Argonauten Jason an Médée, die ihm half das Goldene Vlies zu rauben und ihm auch zwei Kinder gebar.
Das Werk entstand zwischen Mozart und den grossen italienischen Belcantoopern von Rossini, Donizetti und Bellini. Das Libretto basiert auf der Tragöie „Medea“ des Euripides sowie dem Drama „Médée“ des Pierre Corneille und stammt von Francoise-Benoit Hoffman.
Griechische Tragödien sind in der Regel von einer gewissen Größe geprägt und diese Größe verlangt auch Cherubini in seiner Musik. Bereits die ersten Takte der Ouvertüre weisen darauf hin. Womit wir bereits beim Hauptproblem dieser Produktion wären. Regisseur Simon Stone verkleinert die Handlung auf eine Beziehungskiste in der heutigen Schicki-Micki-Szene und erzählt somit seine eigene Geschichte. Schon die Segnung des Hochzeitspaares, bei Cherubini als grosses Tableau vorgesehen, spielt in der Lobby eines Hotels und Créon wünscht seiner Tochter auf einer Bank sitzend den Segen der Götter, während Jason gelangweilt entweder mit Händen in der Hosentasche an der Wand lehnt oder Champagner in sich hineinschüttet. In dem Moment als Médée als unbekannte, verschleierte Frau auftreten soll, bricht die Szene aprupt ab und wird in einem Bordell fortgesetzt, wo Créon von Auftauchen Médées per Handy informiert wird. Médée selbst ist offenbar noch außer Landes – in der ersten Szene des zweiten Aktes will man ihr am Flughafen die Einreise verwehren – und führt die Auseinandersetzung mit Jason am Ende des ersten Aktes per Telefon. Diese Szene hat mich am meisten verärgert, denn dieses Duett, das für mich die Schlüsselszene des Werkes und der Angelpunkt für den weiteren Konflikt bis zur abschliessenden Kathastrophe ist, müssen die beiden Aug in Aug singen. Und so geht es den ganzen Abend über weiter, bis zu jener so oft erwähnten Schlusszene an der Tankstelle, wo Médée sich und ihre Kinder im Auto verbrennt. Dabei ist Stone durchaus in der Lage. die Personen intelligent zu führen, weshalb ich mich frage, warum er das nicht auch zusammenbrächte, würde er die vorgegebene Handlung realisieren. Die Bühnenbilder von Bob Cousins sind hübsch bis stimmungsvoll, nur halt im falschen Stück. Das gleiche gilt für die Kostüme von Mel Page. Nervig wie so oft, die heute offenbar unvermeidlichen Videoeinspielungen.
Besser kommt die musikalische Seite weg, wobei ich mit Thomas Hengelbrock am Pult der sehr konzentriert spielenden Wr. Philharmoniker nicht ganz glücklich wurde. Da klang vieles viel zu deutsch-zackig. Von Italianitá, die zweifelsohne damals schon erahnbar war, war kaum etwas zu bemerken. Elena Stikhina, die anstelle der ursprünglich vorgesehenen aber schwanger gewordenen Sonya Yoncheva die Titelrolle übernommen hat, bot eine sehr gute Leistung. Sie bewältigte die enormen Klippen der Partie ohne grössere Probleme und lässt die Stimme schön strömen. Was ihr fehlt, ist die grosse Attacke, die für diese Rolle unerlässlich ist. Darstellerisch konnte sie mich nicht restlos überzeugen und wirkte stellenweise etwas zu hascherlhaft. Die beste Leistung des Abends boten für mich einerseits Alisa Kolosova als Néris, die ihre Arie wunderschön sang und Vitalij Kowaljow als stimmschöner Créon. Rosa Feola hat für die Dircé eine schon zu schwere Stimme und fällt durch sehr scharfe Höhen auf. Pavel Cernoch als Jason konnte seine Stimme kaum wirklich zum klingen bringen und war besonders in der Höhe sehr eng. Der Staatsopernchor in der Einstudierung von Ernst Raffelsberger entledigte sich seiner Aufgabe zufriedenstellen.
Am Schluss jubelte das Publikum, wobei mir nicht ganz klar war, worüber – Cherubinis „Médée“ kann es nicht gewesen sein.
Heinrich Schramm-Schiessl