Stehende Ovationen beim Auftritt Domingos – eine „Watschen“ für MeToo? Foto: Klaus Billand
SALZBURG/Festspiele: LUISA MILLER und SALOME WA am 25. August 2019
LUISA MILLER
Die full-time Beschäftigung mit Salzburg, dem ganzen Drum-Herum hier, und die noch zu schreibenden Rezensionen zu Bayreuth für das Festspieldoppelheft im September erlauben mir heute nur einige Anmerkungen bzw. Eindrücke zu den vor wenigen Stunden erlebten Aufführungen für den online merker – aber diese müssen sein.
Die konzertante Aufführung von Verdis „Luisa Miller“ unter der musikalischen Leitung von James Conlon mit dem Mozarteumorchester Salzburg wurde zu einem Triumph für alle Solisten, den Chor und das Orchester. Als sich die acht Solisten vor Beginn der Aufführung dem Publikum vorstellten und Placido Domingo als Vorletzter die Bühne betrat, brach ein offenbar auch – zu einem gewissen Maß wohl überdimensioniert – demonstrativ begründeterApplaus im Publikum los, das sich zu großer Zahl spontan von den Sitzen erhob. Dieser Applaus klang eigentlich schon wie ein Schlussapplaus, der ebenfalls und völlig zu Recht wegen einer von allen Akteuren gezeigten erstklassigen Leistung höchste Intensität erreichte.
Conlon lehnte es in seinem exakten Dirigat auf die ganze Dramatik und Tragik des Stücks an, die hier, trotz der konzertanten Form, auch mimisch bestens zum Ausdruck kam, insbesondere bei Nino Machaidze und Placido Domingo. Man merkte ihm bei seinen Gesten geradezu an, wie sehr ihm die darstellerische Komponente in der Beziehung zur geliebten Tochter fehlte. Seine sängerdarstellerischen Qualitäten kann ein Domingo eben nicht einfach aus der Jacke schütteln – er war wohl einer der ersten von diesem Kaliber. Sein kraftvoller Bariton konnte immer wieder auch zu quasi-tenoralen Höhen aufleuchten, die dann den unverwechselbaren Kern dieser Jahrhundertstimme offenlegten. Die Georgierin Nino Machaidze harmonierte bestens in ihrer Gestaltung mit dem Vater Placido, legte mit ihrem wohlklingenden und perfekt geführten Sopran sehr viel Empathie an den Tag und meisterte auch die Spitzentöne, wenngleich diese ihre obere Grenze aufzeigten.
Piotr Beczala, Nino Machaidze. Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele
Weltklasse pur bot Piotr Beczala als Rodolfo, der eine makellose und in jeder Situation begeisternde gesangliche Leistung zeigte. Nach den vielen Jahren, den ich ihn nun kenne, seit 2016 auch als Lohengrin, ist Beczala wohl nun auf dem Zenit seiner Kunst angekommen und verfügt neben seinem strahlenden und absolut höhensicheren Tenor auch noch über eine gewisse Italianità, die zu Beginn seiner Sängerkarriere noch nicht zu hören war. Ich scheue mich nicht, obwohl ich Superlative nicht mag, Piotr Beczala nun als den besten Tenor der Gegenwart in seinem Fach zu bezeichnen, und dabei schließe ich Richard Wagner ganz bewusst ein. Ich hoffe, dass er bald den Parsifal einstudiert…
Einen ganz ausgezeichneten Eindruck hinterließ Roberto Tagliavini als Graf Walter mit seinem kraftvollen und ausdrucksstarken italienischen Bass und ebenfalls mit gutem darstellerischen Ausdruck. Er dürfte nun zu den besten seines Fachs gehören. Der US-Amerikaner John Relyea gab einen Angst machenden üblen Wurm, so sehr ging sein voluminöser und resonanzreicher Bass durch Mark und Bein. Er wird im neuen Pariser „Ring“ den Hunding singen – das passt! Die italienische Mezzosopranistin Cecilia Molinari sang eine sehr gute, und dem Stück entsprechend etwas zurückhaltende Laura mit viel Anmut und großer Wortdeutlichkeit. Yulia Matochkina, eine der derzeit eindrucksvollsten Mezzosopranistinnen Russlands, sang eine gute Federica, die ihr ja keine allzu großen Glanznummern erlaubt. Oleg Zalytskiy gab den Bauern als Mitglied der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor die unter der Einstudierung von Huw Rhys James auf Augenhöhe mit den Solisten sang. So wurde diese Aufführung – zumindest für mich – zu einem der Höhepunkte der Salzburger Festspiele 2019! Beim Schlussapplaus meinte ich eine starke Rührung in Placido Domingos Gesicht wahrgenommen zu haben…
Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand
„Luisa Miller“ kommt noch einmal am 31. August.
Klaus Billand