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SALZBURG/ Festspiele: Live-Stream von BR-Klassik am 31.8.2024 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Sir Simon Rattle

01.09.2024 | Konzert/Liederabende

Salzburger Festspiele – Live-Stream von BR-Klassik am 31.8.2024 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Sir Simon Rattle/

Bewegende Leuchtkaft

Paul Bekker bezeichnete Mahlers sechste Sinfonie in a-Moll „als Kampf des Wollenden gegen das Starre, das Niederzwingende, das Stumpfe“. Im reichen Schlagzeug fallen Herdenglocken auf. Laut Bekker steht „die Andeutung des Eingreifens von etwas Außerweltlichem, etwas Übermächtigem, Schicksalhaftem, etwas, gegen dessen niederschmetternde, übernatürliche Wirkung der Mensch nicht mehr ankämpfen kann“ im Mittelpunkt. Diesen Aspekt arbeitet Sir Simon Rattle mit dem kultiviert und klangschön musizierenden Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks durchaus heraus.

Der erste Satz ist ganz deutlich ein Marsch mit einem ruhelos suchenden Wanderer. Mahler wollte damit seine Frau Alma charakterisieren.  Das Thema löst sich in seiner ganzen Energie aus Kraftproben, fährt dann entschlossen hoch und prallt auf einen Trompetenakkord, der sich geheimnisvoll aus Dur in Moll verwandelt.  Das Klangsymbol kehrt hier sehr deutlich wie ein Motto wieder.  Die Resignation des Unterliegens ist deutlich spürbar. Ein Choral und das schwungvolle zweite Thema setzen ein. Und nach der konzentrierten Exposition folgt eine Durchführung mit erregten Klängen. Das wuchtige Scherzo als dritter Satz hat hier etwas  Unheimlich-Phantastisches. Über Paukenschlägen hebt der plumpe Tanz an und prallt dann auf  das Dur-Moll-Motto aus dem ersten Satz. Die Tanzmelodien wirken dabei nicht sonderlich altväterlich, sondern besitzen fast schon etwas Schicksalhaftes. Und die verfremdete Oboen-Melodie besticht durch präzise Taktwechsel. Der Schluss droht mit einer dunklen Frage. Der zweite Andante-Satz in Es-Dur wirkt in Rattles Interpretation durchaus leidenschaftlich, die Themen überzeugen mit der Nähe zu Klangwunder und Entrückungsvision. Alles endet in ratlos-fragender Schönheit. Bei Sir Simon Rattle folgt die Antwort im Finale prompt – ohne Pause. Und der weiträumige Sonatensatz kann seinen klangtechnischen Glanz trotz des relativ raschen Tempos gut entfalten. Rattle pflegt keine betonbreiten Tempi wie etwa Sir John Barbirolli, sondern beschwört schon in der „Sostenuto“-Einleitung  fieberhaft ungeheure Kräfte, die dann noch erheblich zunehmen. Choralklänge verbinden sich mit dunklen Energien, aus den vorangegangenen Sätzen hallen die Themen nach. Leidenschaftlich begehren die Marschthemen hier auf, es ist ein ständiges Vorwärtsdrängen, das sich immer deutlicher bemerkbar macht. Der breit strömenden und aufschwingenden Melodie folgt in erschütternder Weise der Hammerschlag. Die sich dagegen aufstemmende heroische Kraft wird durch den zweiten Hammerschlag vernichtet. Und nach dem schwächeren dritten Schlag sinkt alles in tödlicher Ermattung zurück. Es ist ein ergreifender Moment, den das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Sir Simon Rattle minuziös einfängt.  Insgesamt ist bei dieser konzentrierten Wiedergabe eine klangliche Qualitätssteigerung vom ersten bis zum vierten Satz erkennbar. Am Ende Jubel, Ovationen.  

Alexander Walther

 

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