SALZBURGER FESTSPIELE: HAMLET – Premiere am 16. August 2024
Eindrucksvolle konzertante Wiedergabe
Stéphane Degout. Copyright: Marco Borrelli
Gestern Abend hatte eine weitere konzertante Oper bei den Salzburger Festspielen Premiere, „Hamlet“, die 1868 herauskam und nicht allzu oft im Opernrepertoire anzutreffen ist. Das ist nach den Erfahrungen dieser Aufführung nicht ganz nachvollziehbar. Bertrand de Billy dirigierte das Mozarteumorchester Salzburg und den Philharmonia Chor Wien unter der Leitung von Walter Zeh.
Es glänzten mit außerordentlichen sängerischen Leistungen insbesondere die lyrische Koloratursopranistin Lisette Oropesa als Ophélie, die charaktervolle Mezzosopranistin Ève-Maud Hubeaux als Königin Gertrude und der Bariton Stéphane Degout als Hamlet. Jean Teitgen gab den König von Dänemark, Claudius, mit einem prägnanten, aber etwas harten Bass. Die weiteren Rollen waren festspielreif besetzt, also Jerzy Butryn als Polonius, Julien Henric als Laërte, Liam James Karai als Horatio, Raúl Gutiérrez als Marcellus, Clive Bayley oben aus der Felsengalerie sehr effektvoll als Geist des ermordeten Königs, Ilya Silchuk als Erster und Seungwoo Simon Yang als Zweiter Totengräber.
Lisette Oropesa. Copyright: Marco Borrelli
Bertrand de Billy vermochte mit dem Orchester die facettenreiche, romantisch konzipierte Partitur mit intensiven musikalischen Farben umzusetzen und dabei besonders die großen existentiellen Auseinandersetzungen starker Charaktere im Stück zu betonen, insbesondere in den Auftritten von Stéphane Degout, Ève-Maud Hubeaux und Lisette Oropesa. Da wurde der Abend zu einem regelgerechten Fest der Stimmen. Unglaublich, welche Koloratur-Akrobatik Lisette Oropesa im besten vokalen Sinne bei ihrer großen Arie im 2. Teil hören ließ! Das Publikum geriet aus dem Häuschen. Stéphane Degout verfügt über einen kraftvollen farbigen Bariton mit vielen Facetten und war als Hamlet auch sehr stark in der Attacke. Ève-Maud Hubeaux entwickelt sich immer mehr zu einer führenden Mezzosopranistin unserer Tage. Sie brachte als Königin Gertrude und Mutter Hamlets eine stimmlich und darstellerisch sehr eindrucksvolle Leistung.
Eve Maud Hubeaux. Copyright: Marco Borrelli
Es ist überhaupt bemerkenswert, wie sehr selbst in einer konzertanten Wiedergabe doch emotionale darstellerische Qualitäten von Protagonisten unter Abwesenheit von Notenpulten und vor allem meist überflüssiger, von den Regisseuren hinzugedichteter Statisten einer szenischen Version zur Wirkung kommen, wenn die Sängerdarsteller wie hier ihre Rollen voll verstehen und ausfüllen. Das hat auch das Publikum mitgerissen. Der Philharmonia Chor Wien trug wesentlich zum großen Erfolg dieser Premiere bei. Gerade der Damenchor hatte große Momente im 2. Teil im Zusammenhang mit Ophélies Untergang.
Diese Premiere wurde vom Publikum nicht nur begeistert, sondern auch lange gefeiert. Am 19. August gibt es noch eine zweite Aufführung.
Klaus Billand