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SALZBURG/ Festspiele/ Großes Festspielhaus: JEDERMANN von Hofmannsthal

02.08.2021 | Theater

SALZBURGER FESTSPIELE 2021 – JEDERMANN-1-8-2021 (wg. Schlechtwetter Gr. Festspielhaus)

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Lars Eidinger, Verena Altenberger. Foto: Matthias Horn/ Salzburger Festspiele

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Im Sommer 2013 hatte eine wunderbare Inszenierung des „Jedermann“ durch das britisch-amerikanische Duo Crouch und Mertes Premiere. Diese war durchaus modern, aber trotzdem sehr nah am Konzept von Max Reinhardt. Als 2017 dann Tobias Moretti die Titelrolle übernehmen sollte, war er aus nie wirklich bekannt gewordenenen Gründen nicht bereit, in dieser Inszenierung zu spielen. Aber anstatt, dass ihn die Fesztspielleitung vor die Alternative gestellt hat, entweder er spielt in der vorhandenen Inszenierung  oder man löst den Vertrag, ist man vor ihm in die Knie gegangen und hat Michael Sturminger mit einer Neuinszenierung beauftragt. Diese Inszenierung war ein einziger Unglücksfall – ich habe szt. im Online-Merker darüber berichtet. Möglicherweise hat das Sturminger selbst erkannt und für die rundum neu besetzte Aufführung in diesem Jahr eine Neuinszenierung angekündigt. Nun, die Grundkonzeption ist gleich geblieben, er hat allerdings einige der gravierensten Unsinnigkeiten geändert. So ist z.B. die richtige Szenenfolge wiederhergestellt worden und sowohl Glockengeläut also auch Jedermann-Rufe kommen an den im Text vorgesehenen Stellen. Es wäre aber natürlich nicht Sturminger, hätte er nicht andere Unsinnigkeiten eingebaut, wie z.B. die Schuldknechtszene, eine der stärksten Momente des Stückes, in eine Slapstickszene in einem Box- oder Catcherrimng umgedeutet oder die Rolle der Guten Werke von  einem Prosachor wiedergeben lassen. Im Gesamten gesehen ist die Inszenierung allerdings weniger schrill als die voherige und kommt der Aussage des Stückes durch mehr ruhige Momente entgegen. Inwieweit hier die Schauspieler von sich aus mitgewirkt haben, lässt sich schwer beurteilen, ist aber nicht von der Hand zu weisen.

Bei der Besetzung der Rollen wurde heuer wie wild gegendert. Vor allen Dingen bei den Allegorien hat man es mit dem Geschlecht nicht so genau genommen. Sogar Gott wird von einer Frau dargestellt.

Der neue Jedermann war Lars Eidinger und er war sehr gut. Seine große Persönlichkeit sicherte der Rolle die Bedeutung, die sie hat und auch sprachlich blieb kein Wunsch offen. Er artikulierte deutlich, wie man es heute am Theater fast nicht mehr gewohnt ist und hatte auch mit der mittelalterlichen Sprache Hofmannsthals keine Probleme. Schade, dass man ihm die Schlußszene etwas verdorben hat, da man seinen Text nahezu zur Gänze gestrichen hat und er im Schoss des Todes gleichsam zur Pieta erstarrt. Die Rolle der Buhlschaft  wird von den Medien jedes Mal gehypt, obwohl es in Wirklichkeit eine der größten „Wurzen“ der Theaterliteratur ist, zumal man ihr ja seit der Stückl-Inszenierung den einzigen Trumpf, nämlich den Schrei mit dem sie beim Erscheinen des Todes lt. Originaltext als Erste (!) Jedermann verlässt, auch ohne logische Begründung weggenommen hat. Auch in dieser Inszenierung verlässt sie ihn als Letzte, sagt aber gar nichts mehr. Es kommt nur zu einem letzten Geschlechtsverkehr und das wars dann. Verena Altenberger entledigte sich ihrer Aufgabe mit Anstand. Die superkurzen Haare und der rote Hosenanzug sicherten ihr halt die nötige Aufmerksamkeit.

Dass der Tod von einer Frau gespielt wird, ist nicht neu, das war 2004/05 bereits Ulrike Folkerts. Nunmehr übernahm Edith Clever – sie bildete einst gemeinsam mit Libgart Schwarz und der leider bereits verstorbenen Jutta Lampe die große Frauentrias der Berliner Schaubühne – diese Rolle und sie hinterließ einen hervorragenden Eindruck. Auch sie artikulierte ausgezeichnet und verlieh der Rolle ihre ganze Persönlichkeit. Mavie Hörbiger spielte sowohl Gott als auch den Teufel. Gott gelang ihr dabei durchaus besser, auch wenn man an die markerschütternde Deklamation eines Ewald Balser oder Will Quadflieg nicht denken durfte. Auf der anderen Seite stellte sie zwar ein recht possierliches Teufelchen dar ohne jedoch wirklich zu überzeugen. Sie war weder wirklich komisch aber auch überhaupt nicht gefährlich und hatte auch keine wirkliche Durchschlagskraft. Der Glaube wurde nach längerer Zeit wieder von einer Frau dargestellt. Kathleen Morgeneyer hatte weder die Persönlichkeit noch die stimmliche Überzeugungskraft für diese Rolle. Sie sagte bestenfalls ihren Text auf und bewegte sich zeitweise eher wie ein Fotomodell. Die Guten Werke wurden, wie oben bereits erwähnt, von einem Prosachor dargestellt und blieben damit eher wirkungslos. Der Mammon des Nico Kreibich, der auch den Schuldknecht spielte, war praktisch nicht vorhanden, was vermutlich auch auf die merkwürdige Personenführung zurückzuführen ist.

Angela Winkler blieb als Jedermanns Mutter blaß und über die sonstigen Darsteller sei mir nur erlaubt zu sagen, daß sie einer Salzburger Festspielaufführung nicht wirklich würdig waren. Wenn man an die Kaliber denkt, die früher diese Rollen gespielt haben, wurde einem weh ums Herz.

 

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

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