SALZBURGER FESTSPIELE: CAPRICCIO konzertant am 4. August 2024
Musikalischer Hochgenuss unter Thielemann
Christian Thielemann. Copyright: Marco Borrelli
Im Großen Festspielhaus fand vor vollbesetztem Saal das Konversationsstück für Musik in einem Aufzug op. 85 „Capriccio“ von Richard Strauss konzertant mit den Wiener Philharmonikern unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann statt. Mit einer exzellenten Sänger-Riege, allen voran Elsa Dreisig als Gräfin, Bo Skovhus als Graf und Mika Kares als La Roche sowie Ève-Maud Hubeaux als Clairon waren alle Schönheiten des großartigen und auch inhaltlich so interessanten Stücks des Garmischer Meisters zu hören. Dennoch würde man sich eine szenische Wiedergabe wünschen. Bei dieser musikalischen Qualität ist aber auch eine konzertante Aufführung sehr gut machbar.
Gleich zu Beginn, als Konzertmeister Rainer Honeck zum Streicher-Sextett anhob, wurde eine kammermusikalische Atmosphäre im riesigen Festspielhaus erzeugt. Auch das große Orchester-Zwischenspiel vor dem finalen Monolog der Gräfin erklang so wunderbar wie eines der großen Orchesterstücke von Richard Strauss.
Elsa Dreisig sang einen herrlichen nachdenklichen Monolog, und man dachte sofort an den finalen Monolog der Gräfin im „Rosenkavalier“, gelegentlich auch an „Arabella“. Dreisig sang die Gräfin mit einem sehr schönen, glockenreinen Sopran bei perfekter Diktion und auch sehr guter Mimik. Bo Skovhus war der Graf, der immer wieder etwas rustikal die Diskussion neu anfachte, die ja in der Mitte des Stückes einem eindrucksvollen Höhepunkt entgegenstrebt, auch musikalisch – der Frage, ob eben erst das Wort und dann die Musik komme oder erst die Musik und dann das Wort. Prima la musica, dopo le parole. Da gingen die Meinungen damals vielleicht stärker auseinander als heute, wo es eher heißen müsste, prima la musica (wobei der Gesang als integraler Teil der musikalischen Komponente enthalten ist), dopo la direzione dell’opera…
Dass „Capriccio“ auch heute dennoch eine so starke Wirkung hat, zeigt einmal mehr, wie doch die Oper in allererster Linie von Musik und Gesang lebt, und nicht von Überschreibungen, Neulesungen, Statistenaufblähungen und ähnlichen, immer öfter am Werk und seinen zentralen Aussagen vorbeigehenden Regie-Konstrukten. Gerade erst erlebte man es wieder bei der Neuinszenierung von „Les Contes d’Hoffmann“ durch Mariame Clément bei diesen Festspielen.
Copyright: Marco Borrelli
Der finnische Bassist Mika Kares spielte und sang einen imposanten La Roche, und die Mezzosopranistin Ève-Maud Hubeaux war eine selbstbewusste attraktive Clairon mit starkem persönlichen Ausdruck. Trotz Notenpulten gab es eine intensive mimische Kommunikation und allen Sängern. Gleichwohl dachte man oft an die gute Inszenierung an der Wiener Staatsoper, die nun vielleicht einmal wieder aufgenommen wird.
Klaus Billand