20.08.2024 Salzburg/Felsenreitschule „Der Spieler“
Vorab meine persönlichen Bedenken zu dieser Aufführung:
Asmik Grigorian
Es ist problematisch, diesen Roman von Dostojewski zu dramatisieren, die Dialoge sind wie so oft, nicht das ausschließlich Wesentliche, die verbindenden Texte dazwischen sind nicht darstellbar
Nun hat Sergej Prokofjew daraus eine Oper komponiert, die nur die Dialoge umfasst, deshalb fehlt naturgemäß allzu vieles. Der Komponist versucht, die Handlung durch seine musikalischen Mittel mit grellen Dissonanzen und Dramatik zu untermalen, die es in der Intensität nicht bedürfte. 130 Minuten Hochspannung sind damit zu viel des Gut(gemeint)en. Der Zuhörer ermüdet ob der Opulenz der Klänge. Ein weiteres Problem stellt die riesige Bühne (Bühnenbild George Tsypin) dar. Wie schon im Vorjahr bei der „Griechischen Passion“ ist es schwer, diese große Fläche mit sinnvollem Inhalt zu füllen. Dazu werden zahlreichen Roullette-Tische immer wieder auf den Bühnenboden gesenkt, die handelnden Personen – eigentlich ist es ja zum Teil ein Kammerspiel – sind ständig in Bewegung, womit man nicht notwendige Aktionen vorgaukelt. Peter Sellars brachte als Regisseur die notwendige Routine mit, um das schwer Mögliche möglich zu machen.
Musikalisch wird einiges geboten, die Wiener Philharmoniker spielten unter der sicheren Leitung von Timur Zangiev in Bestform, da blieb kein Wunsch an packenden Passagen offen. In der Titelrolle als Alexej sang der Tenor Sean Panikkar mit unfassbarer Kraft und Ausdauer. Höhensicher und äußerst präsent war er der Fels in der Brandung, er gestaltete die Rolle des widerborstigen Spielsüchtigen sehr glaubwürdig. Asmik Grigorian war ihm stimmlich als Polina ebenbürtig, wenn auch die Rolle der kratzbürstigen Angebeteten nicht in gleichem Umfang zur Handlung beizutragen hatte. Ihr kraftvoller, sicherer Sopran war aber ein gewaltiges Plus der Aufführung. Violeta Urmana konnte die Rolle der „Erbtante“ Babulenka mit viel Temperament und Stimmvolumen bewältigen. Peixin Chen als General konnte sich mit mächtigem Bass behaupten. Juan Francisco Gatell, ein weiterer stimmgewaltiger Tenor auf der Bühne, war als Marquis sehr überzeugend. Das Publikum dankte ihnen und den zahlreichen weiteren Mitwirkenden mit großem Applaus.
21.08.2024 Salzburger Festspiele „Hoffmanns Erzählungen“
Kathryn Lewek, Benjamin Bernheim, Kate Lindsey. Foto: Monka Rittershaus
Im Wettstreit um die schlimmsten Verhunzungen im Opernbetrieb zwischen Webers „Freischütz“ und Offenbachs „Hoffmann“ hat Letzterer wieder die Nase vorne. Hatte man bei Ersterem in den letzten Jahren viele seltsame Ideen miterleben müssen, so ist es der Regie von Mariame Clement gelungen, alles zu toppen, was bisher versucht worden war. Die Oper in der Filmszene zu platzieren, ist so plausibel, wie „Tannhäuser“ als Wettstreit beim Zwiebelschneiden am Holmenkollen zu sehen – vielleich wird das aber noch kommen. Meine Phantasie reichte nicht aus, alle Ideen der Regisseurin nachzuvollziehen, weshalb ich es bleiben lasse. Musikalisch kann man bei geschlossenen Augen viel Positives verzeichnen. Benjamin Bernheim ist ein hervorragender Hoffmann, sein schlanker Tenor glänzt mit schönem Timbre und sicherer Höhe. Möglicherweise war aber sein multipler Einsatz als Akteur und Regisseur aber dann doch zu viel für seine Stimme, im letzten Akt musste man einige Aussetzer vernehmen. Ihm zur Seite stand mit Kathryn Lewek in allen vier Frauenrollen ein kraftstrotzender Sopran. Man hätte nicht gedacht, dass die doch sehr unterschiedlichen Stimmansprüche überwiegend erfüllt werden könnten. Manchesmal wäre allerdings weniger mehr gewesen – vielleicht wollte es aber die Regie genau so. Kate Lindsay sang die Muse/Niclausse mit Vehemenz, ihre tolle Stimme war nur in den tieferen Lagen nicht ganz so präsent wie in den Höhen. Christian van Horn war mit profundem Bass ein glaubwürdiger Bösewicht Lindorf/Coppelius/Miracle/Dapertutto. Leider musste die berühmte Diamantenarie dem Willen zur Neuerung zum Opfer fallen und durch eine andere Arie ersetzt werden, warum auch immer. Interessant ist der reichhaltige Fundus in Offenbachs Nachlass, der immer wieder neue Arien (auch bei Giulietta und Niclausse) zum Vorschein bringt. Mit diesen könnte man schon fast eine neue Oper schreiben. Die Wiener Philharmoniker spielten routiniert ihren Part, Marc Minkowski dirigierte mit Umsicht. Die Divergenzen bei der Premiere dürften sich verflüchtigt haben. An der Leistung des Chores wären nur die unsauberen Einsätze in Lutters Weinkeller, pardon in der Kantine der Filmfirma, zu bemängeln.
Ein Erlebnis war es allemal, wenn auch nicht nur im positiven Sinn.
Johannes Marksteiner