SALZBURGER FESTSPIELE – COSI FAN TUTTE
Premiere, 2.8.2020 (Live gesehen via ARTE-TV im Wr. Kabelnetz)
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Es verstehe ein Anderer, ich nicht. Via ARTE-Live-Stream ist die Vorstellung für Österreich geogeblockt, während man sie über ARTE-TV, zumindest im Wr. Kabelnetz problemlos empfangen konnte – Anette Gerlach musste man halt „mitnehmen“. Allein, was tuts?
Es war von den beiden Opernproduktionen zweifelsohne die heiklere. Schließlich dauert das Werk, wenn man es weitgehend strichlos spielt, knapp 3 Stunden. Für Salzburg, wo es ja coronabedingt keine Pause geben darf, musste also eine Fassung gefunden werden, die nicht viel länger als zwei Stunden dauern durfte. Nun hatte man früher, gerade bei dieser Oper immer schon den Rotstift verwendet – ich erinnere an den „Böhm-Strich“ im 2. Akr, also ohne Dorabella- und ohne Ferrando-Arie – aber in Zeiten in denen in den meisten Opern faktisch fast jede Note gespielt wird, ist das ziemlich problematisch. Nun, man ging hier relativ klug vor. Man reduzierte die Rezitative auf ein Mimimum und strich Despina ihr erste und Ferrando und Guglielmo jeweils ihre zweite Arie, sowie das Mittelterzett in der 1. Szene. Die beiden Damen durften beide Arien singen.
Natürlich ist das künstlerisch anfechtbar, aber was wäre die Alternative gewesen? Eigentlich gab es keine, wenn man zum 100-Jahr-Jubiläum eine Mozart-Oper am Spielplan haben wollte. Die „Cosi“ ist nämlich jene Mozart-Oper, die den geringsten Dekorationsaufwand benötigt. Diese Erkenntnis stammt allerdings nicht von Herrn Hinterhäuser, sondern die hatten schon Oscar Fritz Schuh und Caspar Neher in den 50er-Jahren, als sie bei ihrer Produktion im Residenzhof mit einem Tisch, einer Bank und vier Sesseln auf sonst leerer Bühne ausgekommen sind.
Nun, in dieser Produktion ist die Bühne auch leer. Regisseur Christof Loy ließ sich von Johannes Leiacker ein Podium mit Stufen, die in den Orchestergraben führen und das am Ende von einer Wand mit zwei Türen begrenzt ist, bauen. Lediglich für die Parkszene im 2. Akt öffnet sich die Wand ein Stück und gibt den Blick auf einen Baum frei. Sonst gibt es kein Inventar, sodass die Sänger gezwungen sind herumzustehen, auf den Stufen zu sitzen oder am Boden herumkugeln. Loy, von dem man zweifelsohne bereits Schlimmeres erlebt hat, wusste mit den Sängern nicht viel anzufangen. Sie rannten oft planlos über die Bühne, rempelten sich an, wie man es ja aus vielen „modernen“ Inszenierungen kennt oder standen einfach herum. Eine wirklich Beziehung zwischen den einzelnen Personen, was ja in diesem Werk so wichtig ist, konnte man nicht erkennen. Natürlich gab es auch einige Unsinnigkeiten, wie z.B., dass die beiden Schwestern bereits bei Abschluss der Wette auf der Bühne der Bühne sind. Die Kostüme von Barbara Drohsin waren heutig und nahmen dem Werk natürlich auch einiges an Flair.
Musikalisch war die Aufführung durchwachsen. Joana Mallwitz, wie aufmerksame Online-Merker-Leser wissen, nicht die erste sondern bereits die dritte Frau, die Oper in Salzburg dirigiert, hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Sie mag alles sehr sorgfältig einstudiert haben, aber ihr Dirigat hatte keinerlei Atmosphäre. Die Musik kam nicht wirklich zum Klingen und die Tempowahl war zeitweise eigenartig. Z.B. hatte man bei der zweiten Fiordiligi-Arie das Gefühl, dass die Sängerin ihre liebe Not mit dem langsamen Tempo hat. Das Orchester folgte den Intentionen der Dirigentin.
Auch mit den Sängern konnte man nur bedingt zufrieden sein. Die beste Leistung bot für mich Andrè Schuen als Guglielmo. Er gehört ja zu den international bereits ziemlich renomierten Sängern und trumpft mit seinem schön klingenden Bariton durchaus auf. Er hatte zweifelsohne das Pech, dass man ihm die attraktivere der beiden Arien gestrichen hat. Darstellerisch wirkte er leider etwas hilflos. Ihm am nächsten kam Marianne Crebassa als Dorabella. Mit ihrem sehr beweglichen Mezzo bot sie eine mehr als zufriedenstellende Leistung und war auch darstellerisch überzeugend, auch wenn man sich etwas mehr Übermütigkeit gewünscht hätte. Elsa Dreisig konnte mich als Fiordiligi nicht wirklich überzeugen. Sie bemüht sich zwar auf Linie zu singen, aber ihre Stimme klingt irgendwie stumpf. Außerdem hat sie ziemliche Probleme mit den tiefen Passagen der Partie. Darstellerisch konnte sie mit ihrer „Schwester“ nicht mithalten. Bogdan Volkov verfügt über einen eher durchschnittlichen Tenor, dem das mozartische Timbre nahezu völlig fehlt. „Un’auro amorosa“ habe ich selten so gefühllos empfunden. Lea Desandre (Despina) spielte zwar recht lebendig, blieb stimmlich jedoch etwas soubrettenhaft. Johannes Martin Kränzle konnte den zynischen Strippenzieher eher wenig glaubhaft machen. Stimmlich blieb er eher unauffällig.
Der aus Sicherheitsgründen im Off plazierte Staatsopern-Chor entledigte sich seiner kurzen Aufgabe ordentlich.
Am Ende gab es viel Jubel, man war halt dankbar, dass es heuer überhaupt Salzburger Festspiele gibt.
Heinrich Schramm-Schiessl