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SALZBURG / Felsenreitschule: RSO-KONZERT UNTER CORNELIUS MEISTER. Musik als legaler Drogenrausch

13.08.2017 | Konzert/Liederabende

Salzburg – Felsenreitschule

MUSIK ALS LEGALER DROGENRAUSCH: RSO-KONZERT UNTER CORNELIUS MEISTER (12.8.2017)

„Tristan-Vorspiel und Liebestod“ sowie „Tod und Verklärung“ – zwei Meisterwerke des Konzert-Repertoires von Richard Wagner und Richard Strauss im Wettstreit mit Stücken, die nur den Spezialisten der Moderne ein Begriff sind – „Siddhartha“ von Claude Vivier und „Hymnos“ von Giacinto Scelsi. Dazu gehört Mut bei der Programmierung und Tollkühnheit bei der Realisierung; und ein Orchester von der Potenz des RSO-Wien samt dem nötigen Chefdirigenten: Cornelius Meister wird im Herbst 2018 als Chefdirigent der Stuttgarter Oper beginnen. Sein letztes Jahr für den ORF startete er somit mit diesem anspruchsvollen Programm der Gegensätze in der riesigen Felsenreitschule und das Publikum war von dem Konzert mehr als hingerissen. Vor der Pause also „Siddhartha für großes Orchester in acht Gruppen“. Die Uraufführung des Stückes   des 1948 geborenen kanadischen Komponisten Claude Vivier fand 1976 in Montreal statt. Der Stockhausen-Schüler war damals 28 Jahre jung. Und niemand ahnte, dass dem hochbegabten Musiker schon 7 Jahre später ein Ende bevorstand, das frappant an Pier Paolo Pasolini’s Sterben erinnert. Vivier gehört jedenfalls zu den Hochbegabungen in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts, ist keiner Schule zu zuordnen und unternahm mehrere Reisen nach Asien. Im Programmheft der Salzburger Festspiele beschreibt Volker Rülke den musikalischen Aufbau des Werkes: „Siddhartha beginnt höchst wirkungsvoll mit einer Art Urknall, einem über den ganzen Klangraum hin ausgespannten Einzelton in geballter Klangstärke. Nach und nach tritt aus diesem schockhaften Anfang eine große Fülle von Gestalten hervor, die von signalartigen Fanfaren über reich ornamentierte melodische Linien bis zu schwebenden Liegeklängen reichen. Die schweifende, unvorhersehbar sich vollziehende Entwicklung des Stückes führt dabei mehrmals von massiven, oft metallisch gefärbten Orchestertutti zu zarten kammermusikalischen Passagen der einzelnen Unterensembles.“ Jedenfalls war das Publikum in der Felsenreitschule von diesem Flirren und Changieren in der Version des ORF-Radio-Symphonieorchesters unter Cornelius Meister sehr angetan: heftiger Applaus mit mehrfachen Hervorrufungen des Dirigenten schon vor der Pause. Im zweiten Teil: als Auftakt die 1863 in Sankt Petersburg uraufgeführte Konzert-Version des Vorspiels samt Liebestod aus „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner. Ein Markstein der Musikgeschichte. Eher nüchtern dargeboten, weniger romantisch als gewohnt – als „Brückenschlag“ in die Moderne. Dann Giacinto Scelsi: wieder ein Komponist mit einer spielfilm-reifen Biographie. 1905 in La Spezia geboren, 1988 in Rom gestorben; er entstammt einer alten italienischen Adelsfamilie; es gab psychische Krisen, Klinik-Aufenthalte und Neubeginn. Der „Hymnos für Orgel und zwei Orchester“ entstand im Jahr 1963 (vor der tiefen Depression), dauert nur 12 Minuten und hielt den Vergleich zu Wagner und Strauss in jeder Hinsicht stand. Das war rauschhafte Musik, vom RSO unter Cornelius Meister und dem Organisten Robert Kovács grandios in Klang umgesetzt. Das war Musik als emotionaler Flow, als Gefühls-Ekstase. Hinreißend. Und zuletzt “Tod und Verklärung“- die nicht einmal 30minütuge Tondichtung des 26jährigen Richard Strauss. Man könnte die Handlung mit den Worten umschreiben: Niedergang eines musikalischen Genies, Sterben und Wiederauferstehung in der Ewigkeit! Strauss nimmt im Finale von „Tod und Verklärung“ seine großen Opern wie Salome oder Frau ohne Schatten vorweg, er überschreitet die romantisch-tonalen Grenzen, die Wagners Tristan überwunden hat. Und er bildete den Höhepunkt eines Konzerts, das in seiner programmatischen Kühnheit einem österreichischen Spitzenorchester die Chance gab, zu beweisen, zu welcher außerordentlichen Klangkultur das RSO unter Cornelius Meister fähig ist. Wer immer sein Erbe in einem Jahr antritt, die Latte liegt hoch!

Peter Dusek

 

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