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SALZBURG/ Domplatz: JEDERMANN. Endzeit-Theater vor dem Domplatz

11.08.2023 | Theater

Endzeit-Theater vor dem Domplatz: JEDERMANN am 9.8.2023

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Michael Maertens. Foto: Salzburger Festspiele/ Matthias Horn

Beim Anblick des diesjährigen Jedermann-Darstellers drängt sich der Gedanke an Götz George regelrecht auf. Auch, wie Michael Maertens sich bewegt und schaut, erinnert stark an den 2016 verstorbenen, berühmten Kollegen. Ein ziemlich schmeichelhafter Vergleich für Maertens, der gleichwohl erfolgreich seine eigenen Akzente setzt. In der Titelrolle des weltbekannten Theaterstücks Hugo von Hofmannsthals folgt er auf Schauspielgrößen wie Curd Jürgens, Maximilian Schell oder Klaus Maria Brandauer. Als katholisch fixierte Mutter des Jedermanns fungiert Nicole Heesters, welche vor 50 Jahren als Buhlschaft zu sehen war.

Die Mutter warnt ihren erdverliebten Sohn bekanntermaßen vor den Folgen seines Handelns im Jenseits. Heesters, eine 86jährige Schauspielerin, zeigt hier, wie großes Theater geht. Ihre Rolle legt sie glaubwürdig und mit sichtlichem Talent an. Die „Grande Dame“ erntet zuletzt – wie fast die ganze Truppe – nur freundlichen Applaus, hätte aber absolut mehr Zuspruch verdient. Das etwas ausgelutschte Klischee der nervigen Mama meistern sie und Burg-Schauspieler Maertens gekonnt, wobei Nicole Heesters im Dialog etwas überzeugender wirkt.

Gleichwohl präsentiert sich auch dieser Jedermann insgesamt glaubwürdig und mit feinen psychologischen Nuancen im Spiel. Michael Maertens spielt keinen alten Widerling, der nur selbstverliebte Seiten hätte. So ganz wohl ist ihm offensichtlich nicht in seiner Haut angesichts des Elends in der Welt. Damit vermeidet es der in Hamburg geborene Schauspieler, eindimensional zu wirken oder im Verlauf des Stücks gar langweilig zu werden. Statt dessen bekommt das Publikum einen mit sich kämpfenden Reichen präsentiert, bei dem letztlich natürlich erst mal die Habsucht über das Gewissen siegt. 

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Michael Maertens (Jedermann), Valerie Pachner (Buhlschaft), Friedolin Sandmeyer (Dünner Vetter), Bruno Cathomas (Dicker Vetter). Foto: Salzburger Festspiele/ Matthias Horn

Das Bühnenbild, vor dem unter anderem Maertens agiert, beherrscht der riesige Protz-Palast des Früh-Kapitalisten. Davor: eine apokalyptische Erdhügel-Landschaft, aus der eine Reihe von Bettlern kriecht, um dem stadtbekannten Reichen ein paar seiner geliebten Talerchen abzuquatschen. Diesem behagt das gar nicht, schließlich gehört sein Herz dem Mammon (Mirco Kreibich) – dabei kann auch die Buhlschaft (Valerie Pacher) an Wichtigkeit nicht mithalten. Wohlhabender Mann, schlimme Sünden: Ein Stoff, den im 19. Jahrhundert bereits Charles Dickes in „A christmas carol“ vorwegnahm.

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Valerie Pachner (Tod), Michael Maertens (Jedermann). Foto: Salzburger Festspiele/ Matthias Horn.

Warum diesen Inhalt also nicht ins 21. Jahrhundert ziehen? Im dritten Jahr seiner Regie kann sich Michael Sturminger einem Tribut an den Zeitgeist nicht ganz verweigern. Gleich zu Beginn des „Jedermann“ sprayen Aktivisten also orange Farbe an dessen wie eine Festung wirkende Behausung. Dieser aktuelle Einschub wirkt ein wenig aufgesetzt, es gibt keine Erklärung oder Verbindung zum Inhalt des Stücks. Als Buhlschaft – nach dem Schema gereifter Mann plus jüngere Frau – wirkt Valerie Pachner etwas verhalten. Dagegen entfaltet sie in der Doppelrolle des Todes eine beklemmende Präsenz und große Schauspielkunst. Sehr zurückgenommen, dabei eindringlich führt Pachner dem Zuschauer die Endlichkeit seines Daseins vor Augen. Damit hebt sie sich positiv vom eher durchschnittlichen Spiel etwa der armen Leute oder der Tischgesellschaft ab. Dank einer Reihe komischer Szenen (z.B. durch den dünnen und dicken Vetter) wirkte das Schauspiel unterhaltsam.

Musikalisch wird der „Jedermann“ dieses Jahr vom „Ensemble 021“ begleitet, das rechts und links von den Kirchentoren positioniert ist. Für Bühne und Kostüme (eine waghalsige Mixtur aus Modern und Tradition) sorgen Renate Martin sowie Andreas Donhauser. Komposition: Wolfgang Mitterer, musikalische Leitung: Hannes Löschel. Choreografie: Dan Safer, Urs Schönebaum: Licht sowie Dramaturgie: Alexandra Althoff. Dass die Vorstellung dank des stabilen Wetters am Domplatz stattfinden konnte, war ein besonderer Gewinn für alle Beteiligten.  

Dr. Daniela Egert

 

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