SALIERI: PRIMA LA MUSICA E POI LE PAROLE; MOZART: DER SCHAUSPIELDIREKTOR, Nikolaus Harnoncourt, live Salzburg 2002 – Belvedere 2 CDs
Der nun auf CD publizierte Live-Mitschnitt aus dem Großen Saal der Stiftung Mozarteum Salzburg vom 3. Februar 2002 ist die zweite Auseinandersetzung Nikolaus Harnoncourts auf Tonträger mit der Kombination des deutschen Singspieles „Der Schauspieldirektor“ von Mozart mit der italienischen Oper „“Prima la musica e poi le parole“ von Salieri. Schon 1987 hat Harnoncourt die beiden ursprünglich in Folge einer Wettbewerbsidee Kaiser Josephs II erstmals am 7.2.1786 zusammen in der Schönbrunner Orangerie aufgeführten Werke mit den Solisten R. Alexander, J. Hamari, Laki, Holl und Hampson mit dem Concertgebouw Orchester aufgenommen.
Der ORF-Mitschnitt lässt den Hörer nicht nur an der Musik teilhaben, sondern hat auch die launige, wie so oft leicht professorale Einführungsrede Harnoncourts eingefangen. Wer glaubt, dass Mozart damals den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, sei „nicht sehr gescheit“, lautet denn gleich das Verdikt des gestrengen und genialen steirischen Dirigenten. Denn Mozart hat bei diesem Versuch, eine deutschsprachige Oper zu schaffen, laut Harnoncourt „das Thema verfehlt“. Bei Mozart stört der im Vergleich zu nur 20 Minuten Musik viel zu lange, gar nicht besonders einfallsreiche Text. Wie wahr! in der Aufführung in Salzburg hat die Dramaturgie dazu das Ganze noch aus der Distanz von heute schrecklich bemüht „aktualisiert“. Werner Scheyder als Schauspieldirektor Frank muss jede Menge an billigen tages- und kultur- und medienpolitischen „Witzen“ und Schabernack á ls Frosch in der Fledermaus von sich geben.
Da nützt es auch nichts, dass es „eine fantastische Ouvertüre, Arien und Ensembles gibt, die bis in die letzte Einzelheit durchgefeilt sind, höchste psychologische Auslegungen“ sozusagen. Salieri hatte den besseren Text und „überhaupt nicht versucht, irgendwelchen tiefgründigen Subtexte in die Komposition hineinzuschreiben, sondern folgt einfach den Worten auf sehr, sehr witzige Art.“
Wir beugen uns diesem zutreffenden Urteil des großen Meisters der Originalklangbewegung. Abgesehen vom unsäglichen Text wurde 2002 in Salzburg ganz vortrefflich gesungen, wie das auch auf der der CD zugefügten Version ohne Dialoge angenehm nachvollzogen werden kann. Eva Mei ist eine edel klingende Madame Herz (ganz traurig wie Konstanze bezaubert sie mit der Ariette „Da schlägt die Abschiedsstunde“), Patricia Petibon eine quirlig freche Soubrette, vom Klang der Stimme her zu Recht Mademoiselle Silberklang genannt, Markus Schäfer ein typischer Tenor mit dem lautmalerischen Namen „Monsieur Vogelsang“ und Oliver Widmer der so wie der Tenor arienlose, in den Ensembles komische Bass Buff.
Die Salieri-Oper um die Frage der Vorrangstellung von Musik oder Wort enthält neben der Sinfonia fünf Arien, eine Cavatine, ein Rondo, zwei Duette und ein Finale. Das Sängerensemble ist mit Manfred Hemm als Maestro, Oliver Widmer als Poeta, Melba Ramos als Eleonora und Eva Mei als Tonina ebenfalls vorzüglich besetzt.
Schlichtweg ereignishaft sind der Concentus Musicus Wien unter einer wie immer nach allen Regeln der Kunst und des Quellenstudiums geschärften Lesart durch Nikolaus Harnoncourt. Er sieht die Partituren nicht als Nebenrepertoire, sondern erfüllt die Musik mit ganzer Seele und trotz der komödiantischen Grundierung mit allem Wissen um tiefe menschliche Abgründe gerade in der Kunst. Das Terzett „Ich bin die erste“ ist ja nicht nur als ein köstlicher Zickenkrieg zwischen einer jungen und einer alternden Sopranistin zu sehen, sondern signalisiert auch den knallharten darwinistischen Überlebenskampf und die aufreibende ständigen Konkurrenz aller gegen alle auf den Bühnen dieser Welt. Trotz des ziemlich blöden, gerade wegen der tagespolitischen Aktualisierung unrettbar veralteten Textes im Schauspieldirektor eine uneingeschränkte Empfehlung (man kann ja auch die Version mit gestrichenen Dialogen anhören).
Dr. Ingobert Waltenberger