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CD: GIUSEPPE VERDI: INNO DELLE NAZIONI • QUATTRO PEZZI SACRI • Freddie de Tommaso, Orchestra del Teatro alla Scala, Riccardo Chailly

28.06.2024 | cd

SACRI • Freddie de Tommaso, Orchestra del Teatro alla Scala, Riccardo Chailly

Ein Muss für jeden Verdi-Fan

verdi

In seiner neuesten Einspielung legt das Orchestra del Teatro alla Scala unter musikalischer Leitung von Riccardo Chailly zwei Kompositionen Giuseppe Verdis vor, die auf der Konzertbühne selten, bis gar nicht zu erleben sind.

Die weltliche Kantate «Inno delle nazioni» wurde 1862 von der königlichen Kommission (Royal Society of Arts), die die Londoner Weltausstellung 1862 veranstaltete, in Auftrag gegeben. Aus Anlass der Weltausstellung wurden vier Komponisten um eine festliche Komposition gebeten: Meyerbeer für Deutschland, Auber für Frankreich, Sterndale Bennett für Grossbritannien und Gioacchino Rossini für Italien. Nach der Absage Rossinis wurde Verdi angefragt. Die «Inno delle nazioni» sollte dem internationalen Publikum ein Jahr nach der Proklamation des Königreichs Italien die junge Nation als vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft präsentieren. Nach einem Einleitungschor tritt ein Barde (Tenor) auf, der auf das Elend der vergangenen Kriege zurückblickt und zur Völkerfreundschaft aufruft. Im Schlusschor werden die vier Nationen, die um eine Komposition gebeten wurden, in der Völkergemeinschaft begrüsst. Die Uraufführung der vier Kompositionen erfolgte nicht gemeinsam: die Gründe für die verspätete Aufführung der «Inno delle nazioni» sind unbekannt. Möglicherweise galt es Rücksicht auf das Zweite Kaiserreich Frankreichs zu nehmen, denn Verdi nutzte zur Charakterisierung die klar revolutionär konnotierte Marseillaise. Und bei dem «triumphalen» Ansatz werden die Anklänge an das Finale aus dem 2. Akt von «Aida» natürlich «ohrenkundig».

Den «Quattro pezzi sacri» («Vier geistliche Stücke») ist im (deutschsprachigen) Konzertbetrieb der Gegenwart deutlich häufiger zu begegnen, als dem «Inno delle nazioni». Mit den in seinem letzten Lebensjahrzehnt entstandenen «Vier geistlichen Stücken» kehrt Verdi zum Ausgangspunkt seiner Karriere zurück. Der Kirchenmusik. Die vier Stücke stehen für Verdis lebenslange Auseinandersetzung mit der Tradition. Die lose Sammlung nicht zusammenhängender Stücke umfasst vier Kompositionen: Ein «Ave Maria», ein «Stabat mater», ein «Laudi alle Vergine Maria“ und ein «Te Deum». Bei der Erstaufführung aller vier Stücke am 7. April 1898 konnte Verdi nicht dabei sein. Als Vertreter schickte er Arrigo Boito, den er natürlich genauestens instruiert hatte. Bei der italienischen Erstaufführung am 26. Mai 1898 liess sich Dirigent Arturo Toscanini vom Meister selbst instruieren. Verdi hat seine geistlichen Stücke nie aufgeführt erlebt.

Beim «Inno delle nazioni» lassen es das Orchestra del Teatro alla Scala und Chailly so richtig «patriotisch» krachen. Schon nach den ersten Takten wird klar, wieso es in den 1880er-Jahren Verdi die Rolle des patriotischen Komponisten (der er in der gern behaupteten Intensität nie war) zuzuschreiben. Der Coro del Teatro alla Scala und Freddie de Tommaso sind mit patriotischer Inbrunst am Werk. Die Leistung des Chores ist wie anzunehmen superb und de Tommaso präsentiert sein Material leidenschaftlich von der «heldischen» Seite.

In den gross besetzten Stücken der «Quattro pezzi sacri», das «Stabat mater» und das «Te Deum» wählt Ricardo
Chailly
einen ähnlich pathetischen Ansatz wie für den «Inno delle nazioni». So wird der Zuhörer unweigerlich an das Dictum «Oper im Kirchengewand» erinnert. Entsprechend «andächtiger» gelingen das «Ave Maria» und die «Laudi alla Vergine Maria».

Ein Muss für jeden Verdi-Fan!

 

28.06.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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