Astrid Kessler (Abigaille). Foto: C. Kaufhold
Saarbrücken: „NABUCCO“- Besuchte Vorstellung am 10.03.2019
Einzig allein die Neugierde auf die Abigaille, den Titelhelden und natürlich meine Liebe zu Giuseppe Verdi bewogen mich die Aufführung „Nabucco“ am Saarländischen Staatstheater privat zu besuchen und es kribbelte danach gewaltig in den Fingern darüber zu berichten.
Die Inszenierung von Maximilian von Mayenburg (sein Name sei lediglich zur Abschreckung erwähnt) beinhaltete das übliche Panoptikum zeitgenössischer Regiekunst einfallsloser Wiederkäuer, Tanja Hofmann lieferte dazu die gewöhnungsbedürftige Bühnenausstattung und Sophie du Vinage die abstruse Kostüme-Mixtur – interessant lediglich Abigailles mondäner Outfit nach der Pause.
Nach ihrer fulminanten Sieglinde vor einer Woche galt natürlich das Haupt-Interesse meiner musikalischen Begierden Astrid Kessler und welch angenehme Überraschung bot sich da meinem Gehör (nicht nur!). Kannte ich die Partie bisher nur von Interpretationen hochdramatischer Soprane, durfte ich eine völlig neue Variation der Abigaille erleben. Gilt doch diese Partie mit ihren unbequemen Höhen, Intervallsprüngen als stimmtötend und als Warnung mancher Pädagogen an junge Sängerinnen, widerlegte Astrid Kessler derartige Prognosen. Beherzt, souverän verstand es die Künstlerin ihre enormen vokalen Ressourcen gekonnt zu präsentieren, ihr jugendlich-dramatisches Timbre schwang sich mühelos und stimmschön mit Power in die immensen Höhenattacken, schenkte der Melodik betörende Prädikation und beeindruckte mit enormer Flexibilität ihres bestens fokussierten Soprans. Ohne Fehl und Tadel und aus dem Vollen schöpfend erklangen das gefürchtete Rezitativ, die von lyrischen Qualitäten geprägte Cabaletta sowie das prächtige Einfügen in die Duette, Terzette und Ensembles. Bravo – ein gelungenes Rollen-Debüt und vom Publikum mit dem Löwenanteil der Begeisterung bedacht.
Mit weichem dunklem Timbre, klangvollem Höhenstrahl und herrlichen Couleurs ihres ansprechenden Mezzosoprans reüssierte Judith Braun in der leider viel zu kleinen Partie der Fenena.
Tenoralen Höhenglanz schenkte Angelos Samartzis dem Ismaele und präsentierte sein Spinto-Material in qualitativ bester Manier.
Den georgischen Bariton Michael Bachtadze erlebte ich bisher in vorzüglichen Verdi-Partien, mir schien der Sänger hatte heute nicht seinen besten Tag oder die konfuse Szene beeinträchtigte seine stimmliche Kompetenz. Entfaltete der bisher bestens vernommene Sänger nur zuweilen sein substanzreiches, markantes Timbre, im Kern bestens ausgereiftes Material, den Atem für lange Phrasen, die souveränen Tonansätze, die patinierten Höhenaufschwünge.
In solider Bassformation servierte Hiroshi Matsui den würdevollen Zaccaria. Gut besetzt die weiteren Partien Abdallo, Anna + Sacerdote mit Algirdas Drevinskas, Vera Ivanovic, Vadim Volkov.
Großartig, agil in vokal schwelgerischem Melos verkörperte der Chor des Staatstheaters die Formationen der Babylonier sowie traumhaft intoniert die Klage der Hebräer Va, pensiero im Schatten der publikumsblendenden grellen Neonröhren.
Am Pult des Saarländischen Staatsorchesters waltete sehr temperamentvoll der junge Dirigent Stefan Neubert und ließ es gehörig krachen. Jedoch schöpfte er mit dem klangvoll musizierenden Orchester die knalligen Rhythmen und Fortissimo-Effekte der Partitur voll aus, verstand es sensibel den schwelgerischen Melos dieser herrlichen Musik zu wahren und band transparent die feinen harmonischen Lyrismen zum klangvollen akustischen Gebinde.
Das recht undisziplinierte Publikum während der Aufführung des randvoll besetzten Hauses feierte alle Beteiligten leistungsrecht mit lautstarker Begeisterung.
Gerhard Hoffmann