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SAALFELD/ Meininger Hof/Lyric Opera Studio Weimar: DON GIOVANNI. Premiere

16.02.2020 | Oper


Costas Tsourakis (Don Giovanni), Dennis Ryan (Komtur). Foto: Anke Neugebauer /Theater Rudolsstadt

Saalfeld Meininger Hof/ Lyric Opera Studio Weimar/ „Don Giovanni“- Premiere 15.02.2020

 Don Giovanni als Lebemann der „Goldenen zwanziger Jahre“

Wie würde Damon Nestor Ploumis, Gründer und Leiter des Lyric Opera Studios Weimar, die Geschichte von Affekten und Leidenschaften, das Hell und Dunkel dieser Story aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts auf die Bühne des „Meininger Hofes“ im 21. Jahrhundert bringen? Den Zuschauern des Theaters Rudolstadt sind die Aufführungen des Weimarer Opernstudios gut bekannt. Erfolge in den vergangenen Jahren wie: „Die lustigen Weiber von Windsor“, „Così fan tutte“ oder „La Cenerentola“ sind den Besuchern noch in lebhafter Erinnerung.

 

Die Regie

Damon Nestor Ploumis versetzt die Operngeschichte in die „Goldenen zwanziger Jahre“ in Deutschland. Für ihn ist das eine Zeit des Umbruchs, eine Umwertung bisheriger Werte und die Schaffung neuer Formen. „Das alte Morsche ist zusammengebrochen…“ (Scheidemann zur Gründung der 1. Republik)  es ist schon Geschichte und doch gibt es immer noch Vertreter dieses Ancien Régime im Sinne einer vergangenen Welt. Ploumis fokussiert die Inszenierung auf den Gegensatz von alter Welt und noch nicht entwickelter neuer Zeit. Für ihn ist Don Giovanni ein Mann, der die alte Welt verneint, aber neue Sinn-Formen nicht findet. Dafür verlegt er sich allerdings auf Stimulation durch immer neue Genüsse. Seine immer neuen Abenteuer bedeuten seine Lebensenergie. Dass er sich gerade nicht beschränken lässt, daraus schöpft er immer wieder neue Lebens-Impulse. Das Spiel mit Amouren und Gefahren wird sein Elixier. Doch die Dosis muss immer wieder gesteigert werden. Und so sucht Don Giovanni den ganz großen Kampf, nämlich den mit dem Göttlichen. Bei Ploumis schlittert er nicht irgendwie hinein in die Katastrophe, nein, er will die direkte Konfrontation. Denn die normal-menschlichen Gegner sind ihm schon „fad“. Ganz im mozartischen Sinne des „drama giocoso“ verbindet Ploumis Dämonie und Leichtsinn, Tiefsinn und Heiterkeit zu einer mitreißenden Tragikomödie, die allen Zuschauern verständlich wird, weil sie ins Allgemeingültige hineinwächst. Auf der Klaviatur einer künstlerischen Universalsprache spielt die Ploumis-Inszenierung verschiedenste Töne beim Publikum an. Dabei ist sein Regiestil temporeich und expressiv, eben wie die „Zwanziger Jahre“ es gewesen sind. Bei den Akteuren auf der Bühne schafft er Gegensatzpaare nicht nur zwischen Don Giovanni und dem Komtur, sondern auch zwischen ihm und seinen Opfern, aber auch zwischen einzelnen Protagonisten insgesamt. Meisterlich spielt er dabei mit den Ausdrucksformen der Commedia dell’arte und verbindet allerdings Typentheater mit sehr individuellen Charakteren. Dieses überzeugende Spiel ermuntert die Zuschauer immer wieder zu Szenenapplaus und lässt sie jede Sekunde mitfiebern.

 

Die Bühnengestaltung und Kostüme

hat Monika Maria Cleres entworfen. Sie erschafft auf einer relativ kleinen Bühne ein Kaleidoskop der „Goldenen Zwanziger“. Die Damen tragen den typischen Pagenschnitt und die Kleider dieser Zeit. Auch bei den Herren passt alles. Typische Anzüge und Mützen, Hüte und Schuhe ist ihre perfekte Ausstattung. Nur der Komtur ist „old-fashioned“ und kommt in einer älteren preußischen Uniform daher.

 

Die Sänger des Lyric Opera Studios Weimar

sind an diesem Premierenabend alle sehr gut. Costas Tsourakis als Don Giovanni parliert mit seinem griechischen Temperament. Exzentrisch und aus einer unendlichen Lebensfülle schöpfend, überschüttet er das Publikum mit seiner Spielfreude. Aber auch als tragischer Verlierer bleibt er glaubhaft. Er verbindet feinsinnigen Witz mit kraftvoll überschäumender Sinnenfreude. Assistiert wird ihm von Tim Bagley als Leporello, ein Bass-Bariton mit schönem Timbre und viel Volumen in der Stimme. Er spielt mal witzig süffisant und mal den trottlig Unterlegenen. Schon nach den ersten Tönen hat er die Gunst des Publikums gewonnen. Ebenso gelingt das Stéphanie Guérin als Zerlina. Mit ihrem Mezzosopran verzaubert sie schnell das Publikum und dazu gibt es von ihr noch erotischen Esprit, da schlagen die Männerherzen höher, nicht nur im Stück. Auch Meagan Reimer Larios gelingt es als Donna Elvira sich in die Gunst der Zuhörer mit ihrem Mezzo zu singen. James Hogan als Don Ottavio zeigt sich als drahtiger Tenor. Scott Hetz Clark brilliert in seiner Rolle als Masetto und legt auch einen kleinen Stunt hin, als ihn Don Giovanni reinlegt und hinschubst. Alyson Spina spielt die Rolle der Donna Anna mit viel innerer Überzeugung und treffendem Ausdruck. Pointiert charakterisiert sie damit die liebende Tochter des Komturs. Dennis Ryan lässt das Publikum mit seinem kräftigen Bass erzittern und erschauern. Besonders in der Szene, wo er Don Giovanni in die Hölle befördert, vermag er die Dramatik unglaublich zu steigern. Das erreicht er mit seiner puren Anwesenheit und seiner erschütternden Stimme. In diesem Moment gab es im Saal wohl niemanden, der keine Gänsehaut bekam. Verstärkt wurde der Auftritt durch Verdunkelung und Nebelschwaden auf der Bühne und entsprechendes Licht. Den Schluss rundete ein wirklich gelungenes Sextett ab. Auch der Chor, bestehend aus allen Teilnehmern des Kurses, ließ durch passende Spieleinlagen und sängerisches Können die Premiere zum Erfolg werden. Zum Prinzip des Opernstudios gehört es übrigens, die Hauptrollen in den weiteren Vorstellungen zu tauschen, damit alle Teilnehmer einmal eine geeignete Solo-Partie singen können. Die Solisten wiederum dürfen Chorerfahrung sammeln. So entsteht eine echte Gemeinschaftsarbeit.


Scott Hetz Clark (Massetto), Stéphanie Guérin (Zerlina). Foto: 

Orchester und Dirigent

Die musikalische Leitung des Abends liegt in den Händen von Oliver Weder. Er zeigt vor allem bei den dramatischen Szenen die Fähigkeit, die Spannung ständig zu steigern und dabei ein präzises Wechselspiel mit den Sängern herzustellen. Auch bei den Arien können sich die Sänger immer auf ihn verlassen. Die Einsätze sind auf den Punkt genau. Die Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt geben dieser Premiere nicht nur einen wohltemperierten Musikfluss, sondern die dramatische Kraft, die für dieses Mozart Werk nötig ist. Gemeinsam mit dem Regisseur hat sich Weder für die längere „Wiener-Fassung“ entschieden, weil diese zusätzlich viele schöne Arien wie „Mi tradi“ bietet.

 Die Probenarbeit zur Inszenierung wurde durch die Klavierbegleitung von: Cheuky Chan, Tackyoung Chung, Soojeong Kwon und Ka Man Tsang unterstützt. Einstudierung und Regieassistenz hatte Matthew Jack Knight übernommen.

Fazit: Diese Inszenierung ist sehens- und hörenswert, denn dem Charme dieser jugendlich frischen Spielweise kann sich niemand entziehen. Die unterhaltsame und spritzige Regie von Damon Nestor Ploumis wird zu einem neuen Höhepunkt im Spielplan des Theaters Rudolstadt. In der Spielstätte „Meininger Hof“ werden viele Nachmittagstermine angeboten, so dass Senioren, aber auch Schulklassen gute Chancen haben, eine richtig frische Mozart-Aufführung zu sehen. Die ausgesprochen freundliche Atmosphäre, die vom Personal des Hauses ausgeht, lädt zusätzlich in diese gastliche Spielstätte ein.

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

 

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