SA-CD MICHAEL FABIANO singt Verdi und Donizetti – erstes Soloalbum des amerikanischen Tenors mit Weltklassetimbre, PENTATONE
Die Karriere des amerikanischen Tenors Michael Fabiano ist seit ca. fünf Jahren dank diverser Video-Mitschnitte/DVDs gut dokumentiert. Das Angebot reicht von Donizettis „Lucrezia Borgia“ mit Renée Fleming aus San Francisco 2013, Verdis „La Traviata“ und Donizettis „La Poliuto“ aus Glyndebourne bis hin zu Puccinis „La Boheme“ aus der dem Royal Opera House Covent Garden mit Nicole Car unter Antonio Pappano. Ich habe Michael Fabiano kürzlich auf der Leinwand gesehen anlässlich einer europäischen Dokumentar-Filmpremiere mit dem Titel „Sempre Libera“ über das Leben und die Karriere der bulgarischen Sopranistin Sonya Yoncheva in Berlin am 6.5. im Schloss Friedrichsfelde, wo er die Sangesleistungen der Kollegin überaus sympathisch rühmte. Fabiano selbst gewann als erster Sänger 2014 sowohl den Beverly Sills Artist Award als auch den Richard Tucker Award. Er debütierte 2009 an der New Yorker MET in der Rolle des Raffaele in Verdis „Stiffelio“ und an der English National Opera als Herzog in „Rigoletto“. 2017 war es beim Festival d’Aix-en-Provence so weit, als Don José in Bizets „Carmen“ in dramatischere Gefilde vorzudringen.
Zeit also für das erste Solo-Album des aufsteigenden Tenorissimos. Die klug zwischen Bekanntem und Raritäten präsentierte Auswahl an Belcanto-Arien des frühen Verdi und des reifen Donizetti gibt genug Futter, um sich einen einigermaßen präzisen Eindruck zu verschaffen. Schon in der einleitenden Arie aus Luisa Miller „Oh! Fede negar potessi… Quando le sere placido“ kann sich der Zuhörer von dem betörend schönen Timbre, vor allem der pastosen Mittellage und wunderbar flutenden Piani bezaubern lassen. Seit José Carreras gloriosen Karrierehöhepunkt habe ich nicht mehr eine so emotional dichte, samtig fließende und ausdrucksintensive Mittellage gehört. Auf der anderen Seite gibt es durchaus auch sängerische Unebenheiten, vor allem im Passagio-Bereich, wo die Stimme in einer kleinen Amplitude enger und unsteter wird. Dafür kommt das hohe C in der berühmten Arie „La donna é mobile“ aus Verdis „Rigoletto“ wie geschmiert.
Mit den Arien des Riccardo aus Verdis „Un ballo in maschera“ und „Qual sangue sparsi… S’affronti la morte“ aus Verdis „La forza del destino“ nimmt er künftige Bühnenrollen mit die Neugier anfachenden Kostproben vorweg. Neben Berühmtem wie Edgardos „Tomba degli avi miei.. Fra poco a me ricovero“ aus „Lucia di Lammermoor“ serviert Fabiano auch die selten zu hörende Arie „Alma soave e cara“ aus Donizettis „Maria di Rohan“. Ein rarer Strauß an Verdi-Arien (aus Ernani, I Due Foscari, Oberto, Il Corsaro) besticht durch die sängerisch draufgängerische wie gleichermaßen sensitive interpretatorische Ausleuchtung.
Das London Philharmonic Orchestra und die London Voices unter der lebendigen musikalischen Leitung von Enrique Mazzola sorgen für einen frischen künstlerischen Rahmen des Recitals.
Der temperamentvolle Künstler, der sich auf seinem Twitter Account als „Pilot, Car Nut, Yankees-aholic, Co-Founder of ArtSmart, Lover of Education, Mass Transit Nerd, Proud American und Tenor“ ausweist, darf sich über sein außergewöhnliches Material freuen (eine Freude, die wir uneingeschränkt mit ihm teilen), könnte jedoch technisch noch nachjustieren, um die Geschmeidigkeit im Lagenausgleich und die Einheitlichkeit im Stimmsitz zu perfektionieren. Unschwer vorauszusagen, dass dieser Sänger bald in dramatischeren Verdi-Partien zu hören sein wird.
Dr. Ingobert Waltenberger