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SA-CD JULES MASSENET: WERTHER – Live-Mitschnitt 2023 aus der Houston Grand Opera; EuroArts

11.01.2025 | cd

SA-CD JULES MASSENET: WERTHER – Live-Mitschnitt 2023 aus der Houston Grand Opera; EuroArts

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Die Houston Grand Opera (HGO) ist eines der bedeutendsten und innovativsten Opernhäuser der USA. 2023 hat sie eine Neuproduktion von „Werther“ unter der Leitung des französischen Regisseurs Benoît Jacobs in den Spielplan genommen. Die HGO reüssiert besonders mit ihrer Community & Learning Initiative, d.h. mit einer Reihe an Bildungs- und Informationsprojekten, Subskriptionsangeboten, verbilligten Einzelkarten und vor allem als Auftraggeberin von zeitgenössischen Opern. Erstaunliche 76 waren es bis zum Jahr 2024.

Dies gesagt, zeigt die neue Produktion in der vorliegenden Audio-Version insgesamt, was die Leistungen von Orchester, Chor und kleineren Rollen betrifft, ihr Format und Profil. Aber um es gleich vorwegzunehmen, mangelt es der Aufnahme an zwei wirklich außerordentlichen Protagonisten für Werther und Charlotte. Dazu kommt, dass die Aufnahmetechnik die Sänger und Sängerinnen zugunsten des Orchesters benachteiligt sowie die hallige, je nach Bühnen-Standort unstete und unscharfe Wiedergabe der Stimmen als störend empfunden werden kann.

Um nicht falsch verstanden zu werden, Matthew Polenzani als Werther singt mit dem nötigen Feuer, stilistisch gediegen und weist eine bewundernswerte Pianokultur aus. Live hat er vielleicht besser geklungen als auf Konserve. Ich habe diesen Tenor als Jean in Massenets „Herodiade“ an der Deutschen Oper Berlin als eindrücklichen Interpreten in Erinnerung. Aber nicht alle Sänger haben eine für das Mikro gleich gut geeignete Stimme. Polenzani kommt hier bisweilen in der Höhe eng rüber. Das im Dramatischen offen zu Tage tretende, harte kurze Vibrato kann beim besten Willen nicht als einschmeichelnd bezeichnet werden.

Frau Isabel Leonard hingegen führt ihren üppigen Mezzosopran im Piano und in der Mittellage angenehm samtig und expressiv durch die Freuden und Leiden dieser unglücklich in Werther verliebten, mit einem anderen (Albert) verheirateten Frau, neigt aber im Forte zu einem ziemlich breiten Vibrato, das im Legato besonders heraussticht. Beiden nimmt man in ihrer durchaus vorhandenen Intensität die Schwärmerei und die wechselnd sich gegenseitig aufschaukelnde Emotionalität der Rollen zwar ab, aber das Hören bereitet kein durchgängiges Vergnügen.

Ganz einverstanden und glücklich bin ich hingegen mit der spannungsreichen wie poetisch einfühlsamen musikalischen Leitung von Robert Spano, einem im hochromantischen Fach bestens bewährten Dirigenten. So hat Spano in Seattle mehrere Durchgänge von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ erfolgreich geleitet.

Zudem erweist sich die Besetzung vor allem des Albert mit dem wunderbaren lyrischen Bariton des Sean Michael Plumb, der Sophie mit der leuchtkräftigen lyrischen Sopranistin Jasmine Habersham sowie des Schmidt mit dem vielversprechenden, dunkel timbrierten Spinto-Tenor von Ricardo Garcia, seit der Saison 2023/24 Ensemblemitglied des Staatstheaters Darmstadt und nicht zuletzt des amerikanischen Bassbaritons Patrick Carfizzi als Amtsmann, als durchwegs erstklassig.

Was die Konkurrenzsituation auf dem Tonträgermarkt angeht, so ist diese überwältigend. Zumal es von dieser für mich persönlich musikalisch attraktivsten Oper von Jules Massenet viele hervorragende Aufnahmen mit den aufregensten Stimmen für die beiden Hauptrollen von Werther und Charlotte gibt. Angefangen von George Thill, Ninon Vallin; Nicolai Gedda, Victoria de los Angeles; Regine Crespin, Alfredo Kraus bis zu Roberto Alagna, Angela Gheorghiu oder Jonas Kaufmann, Sophie Koch (DVD), um nur einige besonders (legendär) herausragende zu nennen.

Fazit: Eine künstlerisch, was Dirigat, Orchester, Chor und ausgewählte Interpreten anlgeht, eine sehr gute Aufführung. Aus meiner Sicht aber tontechnisch und in der Besetzung der beiden Hauptrollen im Vergleich zu dem herrschenden, überwiegend unglaublich qualitätsvollen Angebot am Markt wenig konkurrenzfähig.

Dr. Ingobert Waltenberger  

 

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