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SA-CD JOSEF GABRIEL RHEINBERGER „WALLENSTEIN“ – Sinfonisches Tongemälde in d-Moll, Op. 10, Sinfonieorchester Liechtenstein unter Florian Krumpöck; Ars Production  

20.04.2021 | cd

SA-CD JOSEF GABRIEL RHEINBERGER „WALLENSTEIN“ – Sinfonisches Tongemälde in d-Moll, Op. 10, Sinfonieorchester Liechtenstein unter Florian Krumpöck; Ars Production

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Eigentlich ist diese CD als Geburtstagsgruß zum 300. Bestehen des Fürstentums Liechtenstein gedacht. Am 23. Jänner 1719 bestätigte Kaiser Karl VI. in Wien den Erwerb der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg durch den Fürsten Liechtenstein. Im selben Dokument vereinte er die beiden Landschaften zwischen der Schweiz und Österreich und erhob sie zum unmittelbaren Reichsfürstentum Liechtenstein.

 

Was liegt also näher, als einen solchen Anlass mit dem besten Orchester des Landes und einer Komposition eines (noch immer) wenig bekannten Liechtensteiner Tonsetzers auch musikalisch feierlich zu begehen. Gesagt, getan. Das Sinfonieorchester Liechtenstein hat sich 2012 unter dem Kürzel SOL als Liechtensteinisches Nationalorchester etablieren können. Josef Gabriel Rheinberger ist zwar ein in Liechtenstein geborener Komponist, wirkte aber sein Leben lang als Organist und Lehrer für Komposition an der Königlich Bayerischen Musikschule/Königlichen Akademie der Tonkunst in München. Zu seinen bekanntesten Schülern gehören neben Max Bruch, Hans Koessler oder Engelbert Humperdinck vor allem Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler.

 

Mit dem vorliegenden Album schließen wir hochwillkommene Bekanntschaft mit einem vergessenen Werk, zumal die Rheinberger-Diskographie alles andere denn gut bestückt ist. Vielleicht kennt ja der eine oder die andere die Weihnachtskantate „Der Stern von Bethlehem“, ein Lied oder einen Chorsatz. Aber das vom Komponisten schließlich selbst auf knapp 50 Minuten gekürzte Sinfonische Tongemälde zum historischen Sujet „Wallenstein“ wohl kaum.

 

1867 vom 27 Jahre jungen Komponisten fertiggestellt und kurioserweise mit zwei Widmungen versehen (Fürst Johann als auch des Tonschöpfers Frau), dürfte das musikalische Programm dennoch weniger Ausdruck der persönlichen Verflechtungen des Titelhelden mit dem Fürsten gewesen sein, sondern vielmehr auf eine autobiographische Parallele des Komponisten mit Elementen von Friedrich Schillers „Wallenstein Trilogie“ hinweisen. Rheinberger heiratete am 14. April 1867 Fanny von Hoffnaaß. Die wiederum war zu Beginn des Techtelmechtels mit Rheinberger noch verheiratet. Endlich verwitwet, verweigerte ihr Vater die Heirat. Des Ungemach nicht genug, litt sie später an einem bösartigen Tumor. Vielleicht half ja die Musik des Geliebten, jedenfalls genas sie. Der letzte Satz kann daher als große persönliche Liebeserklärung wahrgenommen werden.

 

Wenn ich die wunderschöne, unmittelbar verständliche und ansprechende Musik kurz charakterisieren müsste, würde ich sagen, Rheinberger ist in diesem Frühwerk ein ,später‘ Frühromantiker, der den Weg hin zur Tonsprache seiner Schüler erahnen lässt. Im melodisch reichen Fahrwasser eines Weber, eines Mendelssohn-Bartholdy schuf Rheinberger eine abwechslungsreiche, handwerklich gediegene Partitur. Der schwärmerische und in allerlei Frühlingsfarben schwelgerische Ton überwiegt. Anstelle einer großsprecherisch pathetischen Musik à la Franz Liszt hören wir intime Seelenskizzen, gehen durch sonnige Waldlichtungen, lauschen geheimen Bekenntnissen, untersetzt mit allerlei ironischen Brechungen. Rheinberger versteht es zudem, dem Sujet durch deklamatorisch konkretisierende Motive und eine dezent lautmalende Instrumentierung nahe zu kommen.

 

Florian Krumpöck, von 2012 bis 2014 künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Sinfonieorchesters Liechtenstein, gelingt eine von expressiver Artikulation und genießerischem Wohlklang durchdrungene Interpretation. Atmosphärisch dicht, kommt neben Erhabenem auch – ohne unangemessen drastische Töne anzuschlagen – der durchaus vorhandene Humor des Stücks nicht zu kurz. 

 

Neben dem tollen, überaus kennenswerten Stück des Albums gibt es noch einen anderen Grund, sich gerade jetzt das hochfürstliche Orchester einmal näher zu Gemüte zu führen: Am 27.6.2021 wird das Sinfonieorchester Liechtenstein unter der Leitung von Yaron Traub Hauptakteur der ICMA (International Classical Music Awards) Ceremony in Vaduz sein. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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