J.S. BACH: JOHANNES-PASSION – Bachchor und Bachorchester Mainz, NAXOS 2 CDs – Eine vorzügliche Passions-Neuerscheinung rechtzeitig vor Ostern
Ralf Otto ist ein hocherfahrener Chorleiter und versteht seinen Bach. Für die vorliegende Aufnahme hat er die späte Fassung des Jahres 1749 gewählt, fünf zusätzliche Nummern (1 Choral, 1 Chor, drei Arien) aus der Version 1725 sind in einem Anhang zu hören. Die wohl theatralischste Passionsvertonung folgt einem rein musikalisch motivierten Konzept, die Texte sind ja – anders als bei der Matthäus Passion – uneinheitlich und setzen sich aus Bibelquellen, aber auch Dichtungen barocker Poeten wie Barthold Hinrich Brockes, Christian Heinrich Postel oder Christian Weise zusammen. Die Anzahl der solistischen Partien ist vergleichsweise begrenzt und somit die rezitativische Wiedergabe des Evangeliumsberichts ein wesentlicher Faktor.
Ralf Otto betont mit dem ganz herausragenden Bachchor Mainz und dem nicht minder versierten Bachorchester Mainz den „theatralischen“ Faden der Partitur und setzt diese mit viel Swing und einer schon fast tänzerischen Geste um. Transparent, aber gnadenlos vorwärtsdrängend, ohne Rast und Ruhe, dafür einem untrüglichen Gespür für Klangmalerei und dramatische Akzente, baut Otto mit seinen Mitstreitern das formal strenge, jedoch so menschlich berührende Gerüst dieses musikalischen Leidenswegs Jesu Christie. Freilich verleiht der theologische Gehalt, Christi final als siegreichen König darstellen zu wollen, dem Gesamtduktus etwas weniger Kontemplatives und als dies bei der Matthäus-Passion der Fall ist.
Die Aufnahme kann auch mit einer Reihe an erstklassigen Solisten aufwarten. Georg Poplutz ist mit seinem hellen lyrischen Tenor ein Evangelist wie aus dem sprichwörtlichen Büchl, Yorck Felix Speer mit profundem Bass ein seinem Schicksal folgender Jesus. Die Arien sind bei Julia Kleiter (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), Daniel Sans (Tenor) und Matthias Winckhler in allerbesten Kehlen. Der homogen singende Kammerchor (11 Soprane, 8 Alte, 7 Tenöre, 8 Bässe) reüssiert in den Chorälen, aber um die Qualität vollends schätzen zu können, höre man etwa die vom rasanten Tempo her fast unsingbaren Chöre „Wäre dieser nicht ein Übeltäter“ oder „Wir dürfen niemand töten“. Stupend, wie hier einheitliches Vorpreschen „vor dem Takt“, Leichtigkeit, innere Kohäsion, Klangschönheit in allen Lagen und vollkommenen Durchhörbarkeit Hand in Hand gehen. Das fabelhafte Bachorchester Mainz stellt den gesamten Reichtum an farbiger Instrumentierung in den Dienst der gemeinsamen Sache. So differenziert und den Charakter der einzelnen Instrumente betonend habe ich ein der Originalklangbewegung verpflichtetes Orchester diese Passion noch nicht spielen gehört. Die Aufnahmequalität des in der Christuskirche Mainz aufgenommenen Albums genügt auch hohen audiophilen Ansprüchen.
Diese Johannes-Passion soll der erste Teil eines Bach-Zyklus sein, der bis 2019 Einspielungen des Weihnachtsoratoriums, der Matthäus-Passion und der h-Moll-Messe umfassen soll. Man darf sich trotz übersättigtem Markt darauf freuen.
Dr. Ingobert Waltenberger