Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Royal Ballet-Stars zu Gastspiel in Brno: Doppel-Interview mit Marianela Núñez und Reece Clarke: „Tschaikowsky Pas de Deux zu tanzen macht dem Publikum und uns große Freude“

02.02.2024 | Tänzer

Doppel-Interview mit Marianela Núñez und Reece Clarke: „Tschaikowsky Pas de Deux zu tanzen macht dem Publikum und uns große Freude“

Die beiden Stars des Royal Ballett London Marianela Núñez und Reece Clarke gastierten für einen Abend in Brno: im „Balanchine“-Programm bestehend aus „Serenade“, Tschaikovsky Pas de Deux“, „Concerto Barocco“ und „Episodes“ tanzten die beiden Principal Dancers den „Tschaikovsky Pas de Deux“.

b1

Das Team vom NdB Balet mit den Gaststars: Marianela Núñez, Mário Radačovský (artistischer Direktor des Balletts vom NdB), Reece Clarke, dahinter Michaela Paučo (Marketing and PR Ballet NdB), Karel Littera (Ballettdramaturg) und Anna Baštařová (Marketing and Production assistant); Copyright: Arthur Abram

Geboren in Argentinien, erhielt Marianela Núñez bereits mit drei Jahren Ballettunterricht und trat im Alter von acht Jahren ins Instituto Superior de Arte des Teatro Colon in Buenos Aires ein. Sechs Jahre später erhielt sie einen Vertrag für das Corps de ballet im dortigen Ballettensemble. Sie tanzte zahlreiche Rollen und gastierte bereits sowohl mit der Compagnie als auch mit Maximiliano Guerra. Bald darauf – 1997 – setzte sie ihre Ausbildung an der Upper School der Royal Ballet School fort und wurde im darauffolgenden Jahr zu Spielzeitbeginn ins Royal Ballet London aufgenommen. 2001 avancierte sie zur First Soloist, ein Jahr später zur Principal Dancer. „Ich kam mit 16 Jahren in die Compagnie“, erzählt Marianela Núñez. „Ich entdeckte alle diese wunderbaren Choreografien und vor allem diese perfekte Fusion von klassischen Werken und zeitgenössischen Piecen, die das Repertoire hier ausmachen. Ich wurde gleichsam adoptiert – die Compagnie ist meine Familie.“ Kürzlich feierte die zierliche Tänzerin ihr 25 Jahre Jubiläum der Zugehörigkeit im Royal Ballet. „Ich fühle mich immer noch täglich inspiriert, das ist es, was man sich als Künstlerin wünscht, das ist, was ich so liebe in dieser Compagnie. Es ist faszinierend, dass so viele gern im Royal Ballett wären – und ich tanze in diesem wunderbaren Ballettensemble!“ meint sie.

Was ist das Besondere am Royal Ballet? Ihr Traum war es immer, im Royal Ballet in London zu tanzen, weil hier das klassische Ballett einen hohen Stellenwert hat – und dieser Traum erfüllte sich für sie. Marianela Núñez schätzt hier vor allem das breit gefächerte klassische Repertoire, das als reiches Erbe der Choreografen, die hier wirkten, hoch gehalten wird.  Kevin O´Hare, der Direktor des Royal Ballet, findet immer eine optimale Kombination für den Spielplan, in dem er die Werke von Frederick Ashton oder Kenneth MacMillan, die stets einen wesentlichen Platz im Repertoire einnehmen, mit zeitgenössischen Piecen wie von Wayne McGregor (Resident Choreographer) oder Christopher Wheeldon (Artistic Associate) aber auch mit Stücken anderer Choreografen verbindet.

Reece Clarke stimmt ihr zu und ergänzt: „Ich bin in der Royal Ballet School aufgewachsen, ich konnte während meiner Ausbildung viele Vorstellungen sehen. Den Tänzern bei ihren Auftritten zu zu schauen ist sehr inspirierend für die eigene Entwicklung. Es war immer mein Wunsch, im Royal Ballet zu tanzen – und dieser Traum erfüllte sich. Wir haben hier ein großes starkes Erbe an klassischen Werken, die uns von der vorigen Generation  weitergegeben wurden – und die jetzige Generation an Tänzern coacht die kommende, so bleiben diese Werker weiterhin von bestimmender Bedeutung für uns.“

Reece Clarke begann ebenfalls bereits mit drei Jahren mit dem Ballettunterricht, zunächst in seiner schottischen Heimat und folgte damit als jüngster seinen drei älteren Brüdern nach, die auch alle in der Ballettschule waren. 2006 trat er in die Royal Ballet School (White Lodge) ein – es war das erste Mal, dass vier Brüder gleichzeitig in der renommierten Ballettausbildungsstätte aufgenommen waren! Er wechselte dann in die „Upper Class“ und erhielt schließlich einen Vertrag für die Compagnie in der Saison 2013/14.

Gegründet 1926 von Ninette de Valois, ist die Royal Ballet School nicht nur die offizielle Ballettschule für das Royal Ballet und das Birmingham Royal Ballet, die Royal Ballet School zählt auch zu den bedeutendsten und berühmtesten Ballettschulen der Welt für klassischen Tanz. Während die jüngeren (Alter 11 – 16) in der White Lodge/Richmond Park untergebracht sind, studieren die älteren (16 – 19 Jahre) in Covent Garden – der Royal Opera nahe gelegen und durch eine Fußbrücke verbunden. 

Die folgenden Avancements bestätigten die erfolgreiche Karriere von Reece Clarke: zunächst First Artist (2016) und ein Jahr später Soloist; wurde er 2020 zum First Soloist ernannt und 2022 avancierte er zum Principal. Reece Clarke errang bereits mehrere Preise, darunter u.a. den Young British Dancer of the Year“ (2012), er gewann den „Lynn Seymour Competition“ (2013) und erhielt einen Preis der Ballet Association. Seit seinem Engagement in das Royal Ballet wurde ihm der „Emerging Artist Award“ der National Dance Awards (2016) verliehen. Reece Clarke tanzt zahlreiche klassische Hauptrollen wie auch Partien in zeitgenössischen Piecen.

 Marianela Núñez ist eine vielfach ausgezeichnete Künstlerin – u.a. Best Female Dancer“ (2005, 2012, 2018 sowie 2022), „Critics’ Circle National Dance Awards“ (2006), „Konex de Platino for Best Dancer of the Decade“ in Argentinien (2009), „María Ruanova Award“ (2011) und „Olivier Award for Outstanding Achievement in Dance“ (2013). Sie tanzt im Royal Ballet alle Hauptpartien im klassischen wie im zeitgenössischen Repertoire. Als international berühmter Tanzstar gastiert sie weltweit wie z.B. in Italien (Scala in Milano), in den U.S.A (Metropolitan Opera in New York), in Österreich (Wiener Staatsoper), in Australien (Australian Ballet) aber auch in ihrer Heimat Argentinien, um nur einige Orte zu nennen.

Was ist wichtig für das Ballett im 21. Jahrhundert? Da sind sich beide einig: „Ballett ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Es geht um den Respekt der Vergangenheit gegenüber, während es gleichzeitig wichtig ist, das Ballett in all seiner Bedeutsamkeit in der Gegenwart zu würdigen und für die Zukunft zu bewahren. Der wunderbar ausbalancierte Spielplan des Royal Ballet ist das beste Beispiel dafür.“

Nach der Bühnenprobe am Vorstellungstag stehen die beiden Tanzstars für das Interview zur Verfügung. Am Vortag angereist, hatten sie zunächst die Brünner Compagnie, das NdB Balet, kennengelernt und  im Ballettsaal geprobt, um sich dann am darauffolgenden Tag die Bühne anzuschauen und sich dort gemeinsam mit dem Dirigenten, Marko Ivanović, Chefdirigent des NdB sowie mit Ballettmeister Ivan Popov, auf die abendliche Aufführung vorzubereiten, indem Tempi und Auftritts-Posen für den jeweiligen musikalischen Einsatz besprochen wurden und ein Durchlauf absolviert wurde.

Da beide zum ersten Mal in Brno sind, hatten sie auch Zeit, die Stadt zu besichtigen? Leider nein, bedauern beide, nur im Vorbeifahren haben sie die schöne Architektur der alten Häuser bewundert. „Wenn man gastiert, sieht man außer dem Hotelzimmer und dem Theater mit dem Ballettstudio und der Bühne meist nicht viel von der Stadt, in der man sich gerade befindet“, finden es beide schade, dass sich Sightseeing zeitlich nicht unterbringen ließ. Überrascht waren sie vom herzlichen Empfang, der ihnen bereitet wurde – damit hatten sie nicht gerechnet. „Alle Menschen sind hier so freundlich und zuvorkommend, wir fühlen uns hier bestens aufgehoben und unterstützt. Alle sind neugierig auf unseren Auftritt  und die erwartungsvolle Spannung spüren wir“, freuen sie sich über die Sympathien, die ihnen entgegen gebracht werden – und von den stürmischen langanhaltenden Beifallsbekundungen des Publikums nach ihrem Auftritt waren die beiden dann überwältigt.  

b2

Beifallsstürme für Marianela Núñez und Reece Clarke; Copyright: Arthur Abram

Mit dem Programm „Balanchine“ hat das Ballett des Narodni divadlo Brno vier Piecen – „Serenade“, „Tschaikovsky Pas de Deux“, „Concerto Barocco“ und „Episodes“ – des Meisters der Choreografie, George Balanchine im Repertoire. Klare Linien und purer ästhetischer Tanz ohne Ablenkung durch aufwändige Kostüme sind charakteristisch für seinen Stil. Wie wichtig sind seine Werke noch heutzutage? Marianela Núñez und Reece Clarke antworten übereinstimmend: „Seine Werke sind unsterblich und haben einen wichtigen Platz in der Ballettgeschichte – sie sind zeitlos gültig und das NdB Balet ist sicher glücklich, vier seiner Kreationen in einem Programm zu haben.“ Marianela Núñez führt weiter aus: „Ich liebe klassische Ballette und ich liebe die Stücke von George Balanchine. Man kann in seinen Choreografien sehen, dass er die Frauen liebte, so wie er seine Werke kreierte. Seine Schritte sind an sich oft einfach, aber wie er sie dann zusammensetzt, das ist phänomenal und herausfordernd zu tanzen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte – George Balanchine hätte ich sehr gern einmal persönlich getroffen. Man nehme nur sein „Apollo“-Ballett, das ist so zeitlos, das passt jederzeit perfekt in einen Abend mit zeitgenössischen Werken“, schwärmt sie. Reece Clarke ergänzt: „Wenn wir Tschaikovsky Pas de Deux tanzen, dann freut sich das Publikum, aber auch wir haben große Freude daran, das zu tanzen.“ Und sie nickt zustimmend. Beide benennen noch die Ästhetik von Balanchines Stil und heben vor allem seine hohe Musikalität hervor, die seine Choreografien auszeichnen. Auch „Diamonds“ aus dem Ballett „Juwels“ tanzen die beiden sehr gern – es ist für sie wie eine Belohnung, das Stück tanzen zu dürfen.

Was sind ihre Lieblingschoreografen außer Balanchine? Das sind zu viele, um sie alle aufzuzählen, aber einmal mehr nennen sie die bedeutenden Choreografen, die die große Palette im Repertoire des Royal Ballet ausmachen – Frederick Ashton, Kenneth MacMillan, Wayne McGregor, Christopher Wheeldon, aber auch Peter Wright, Glen Tetley, John Cranko  und Jiří Kylián zählen u.a. dazu. „Und auch Ninette da Valois darf nicht vergessen werden“, zählt Marianela Núñez weiters auf. Zu „Onegin“ von John Cranko meint Marianela Núñez, dass jeder Akt perfekt die Handlung erzählt und die Pas de deux sehr fordernd sind. Aus Tatjanas Sicht hat wohl schon jede Frau eine derartige Situation in Liebesdingen durchgemacht – es falle ihr daher leicht, sich in diese Rolle hinein zu fühlen und diesen Charakter darzustellen. Reece Clarke merkt an, welch spannende Erfahrung es jedes Mal sei, eine Rolle nach längerer Zeit wieder zu tanzen, da man sich ja als Person und Tänzer weiterentwickelt und man damit auch die jeweilige Partie weiter entwickle und mit neuen Aspekten erfülle. 

Was sind ihre nächsten Pläne? In der laufenden Saison steht in London im Februar und März  „Manon“ auf dem Spielplan, das sie gerade vorbereiten, später folgt dann noch eine längere Serie an „Schwanensee-Aufführungen von März bis Ende Juni, dazu kommen noch andere Piecen und auch der Sommer ist mit Galaauftritten schon verplant. Sehr gerne würden sie wieder in Brno auftreten: „Wir wurden hier so wunderbar herzlich und freundlich aufgenommen, wir kommen gerne wieder“, meinten sie unisono.

b3
Autogrammstunde nach der Vorstellung: Marianela Núñez und Reece Clarke; Copyright: Radim Dolanský

Das sehr ballettinteressierte Publikum in Brno war jedenfalls vom Gastauftritt der beiden Stars restlos begeistert, was nicht nur der große Jubel und der intensive Beifall, die Blumensträuße und die Standing Ovations bewiesen, sondern auch im Anschluss an die Vorstellung die endlose Reihe an geduldig Wartenden im Pausenfoyer bei der Autogrammstunde, als Bücher, Programmhefte und Fotos signiert wurden und auch viele die  Möglichkeit nutzten für Selfies mit den beiden Stars Marianela Núñez und Reece Clarke.

Ira Werbowsky

 

 

Diese Seite drucken