Wieder Opernrarität in Rosenheim: „Treemonisha“ von Scott Joplin (Vorstellung: 24. 2. 2019)
Der im Jahr 2011 vom Dirigenten Georg Hermansdorfer gegründete Verein „erlesene oper“ brachte wieder eine Opernrarität im Kultur- und Kongresszentrum (KUKO) Rosenheim zur Aufführung: „Treemonisha“ von Scott Joplin.
Die 1911 komponierte Oper, deren Musik zwischen Verdi und Ragtime angesiedelt ist, gilt als erste Oper der amerikanischen Musikgeschichte. Ihre Uraufführung als semiprofessionelle Produktion fand 1972 in Atlanta unter Robert Shaw statt, nachdem es 1915 zu einer Aufführung mit nur stark reduzierten Möglichkeiten kam. Weitere Aufführungen fanden 1975 in Houston, 1979 in Venedig, 1984 in Gießen und 2005 in Luzern statt.
Scott Joplin (geb. 1868 in Texarkana, gest. 1917 in New York), der Komponist und Jazzpianist war, galt als „King of Ragtime“. Er trat 1885 bis 1893 in St. Louis auf, leitete eine Combo in Chicago und ließ sich 1907 in New York nieder. Durch die Wiederentdeckung des Ragtime ab den 1970er Jahren erlebte auch Joplins Musik eine Renaissance.
Die Handlung der dreiaktigen Oper „Treemonisha“, deren Libretto der Komponist selbst schrieb, spielt auf einer Plantage in Arkansas im September 1884. Der Inhalt in Kurzfassung: Monisha und Ned haben den Findling Treemonisha einst als eigenes Kind aufgezogen. Inzwischen ist Treemonisha 18 Jahre alt und angehende Lehrerin. Im Kampf gegen den Aberglauben, wie ihn die Voodoo-Priester verkörpern, will sie ihr Volk aufklären und zur Freiheit führen.
Georg Hermansdorfer, der auch die deutsche Übersetzung vornahm, inszenierte die Oper, die viele Massenszenen aufwies, sehr realistisch, wobei er auf eine subtile Personenführung achtete. Kreativ auch die Tänze der Bad Aiblinger Ballettschule (Choreographie: Gabriele Mooser). Sehr farbenprächtig waren die Bühnenbilder, die – wie in den vergangenen Jahren – wieder von Otto von Kotzebue gestaltet wurden.
Die Hauptdarsteller. Foto: Nicole Richter
In der Titelrolle brillierte die Sopranistin Sieglinde Zehetbauer, die am Salzburger Mozarteum Operngesang studierte und sich als Mozart-Sängerin bereits einen Namen machte, sowohl stimmlich wie darstellerisch in jeder Szene. Eindrucksvoll auch die japanische Sopranistin Kayo Hashimoto als ihre Pflegemutter Monisha, die ihre Rolle mit kräftiger Stimme ausfüllte. Mit einer großen Bühnenpräsenz wartete der Bassist Michael Doumas als ihr Pflegevater Ned auf, der auch noch dem Wanderprediger Parson Alltalk seine tiefe, warme Stimme lieh.
Der Salzburger Tenor Bernhard Teufl gab Treemonishas Geliebten Remus anfangs eher zurückhaltend, war aber im Schlussakt stimmlich sehr ausdrucksstark. Treemonishas Freundin Lucy wurde von der Sopranistin Kathleen Schramm gespielt.
Trefflich dargestellt wurden die beiden Gauner Zodzetrick und Cephus vom Bariton Andreas Agler und vom Tenor Markus Kotschenreuther, der auch noch den Dorfbewohner Andy spielte. Zwei weitere Gauner wurden vom Bariton Florian König und vom Bass Helmut Wiesböck gespielt. Stimmgewaltig agierte der Chor der „erlesenen oper“, der die Bewohner des Dorfs darzustellen hatte (Einstudierung: Lukas Gahabka).
Während der Ouvertüre huschten ein Engelchen (Anika Gallasch) und ein Teufelchen (Nina Bartl) gestenreich über die Bühne, die anschließend während der drei Akte auf zwei hohen Leitersitzen das Geschehen auf humorvolle Weise mit Mimik und Gestik kommentierten. Ein netter Regie-Gag, der beim Publikum gut ankam.
Dem Orchester der „erlesenen oper e.v.“ gelang es unter der einfühlsamen Leitung von Georg Hermansdorfer, die vielschichtige Partitur des Komponisten in allen Feinheiten wiederzugeben. Das begeisterte Publikum im ausverkauften Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem, rhythmischem Beifall, in den sich auch „Bravo“-Rufe mischten.
Man darf jetzt schon gespannt sein, welche Oper Georg Hermansdorfer, der verdienstvolle künstlerische Leiter der Rosenheimer Operngesellschaft, im nächsten Jahr „ausgraben“ wird. Die Aufführungstermine stehen bereits fest: 7. März 2020 (Premiere um 19:30), 15. März 2020 um 16 Uhr (13:30 Kindervorstellung).
Udo Pacolt