Wieder Opernraritäten in Rosenheim: Zwei Einakter von Ferdinando Paër: „Der Scheintote“ und „Das unverhoffte Abendessen“ (Vorstellung: 4. 3. 2018)
Der im Jahr 2011 vom Dirigenten Georg Hermansdorfer gegründete Verein „erlesene oper“ wartete auch heuer wieder mit zwei Opernausgrabungen auf: „Der Scheintote“ und „Das unverhoffte Abendessen“. Beide Einakter wurden von dem italienischen Komponisten mit österreichischer Abstammung Ferdinando Paër (1771 – 1839), der in seiner Heimatstadt Parma studierte und von 1797 bis 1803 das Wiener Kärntnertortheater leitete, geschaffen. Seine Kompositionen wurden in Wien von Beethoven bewundert und in Paris, wo er 1839 starb, von Napoleon. Insgesamt schrieb er mehr als 40 Opern, aber auch Oratorien, Kantaten und Klavierstücke. Zu seinen Schülern zählte Franz Liszt, Nicolo Paganini und Charles Gounod.
Sonja Bühling in der Rolle der Claudia und Michael Doumas als gräflicher Kutscher (Copyright: Nicole Richter)
Der Inhalt der Oper „Der Scheintote“ („Il morto vivo“), die Paër im Jahr 1799 komponierte und im Wiener Kärntnertortheater uraufgeführt wurde (Libretto: Carlo Prospera Defranceschi), in Kurzfassung: Der Schmied Marke will seine Tochter Hanna mit dem gräflichen Kutscher verheiraten, was sie entsetzt ihrem Geliebten Niklas berichtet. Er trinkt versehentlich aus einer Flasche mit einem Betäubungsmittel. Jakob und Bastian, zwei Bauern, sollen Hanna helfen, den vermeintlich Toten verschwinden zu lassen. Doch plötzlich erwacht Niklas wieder, kann sich aber an nichts erinnern. Nach einigen Verwirrungen klärt sich alles auf – und Hanna erhält von ihrem Vater die Zustimmung zur Heirat.
Wie schon in den vergangenen Jahren agierte das Sängerensemble im Kultur- und Kongresszentrum (KUKO) Rosenheim mit großem Engagement und sichtbarer Begeisterung. Die am Salzburger Mozarteum ausgebildete Sopranistin Sieglinde Zehetbauer – sie ist auch Gründungsmitglied des Vereins „erlesene oper“ – brillierte in der Rolle der Hanna sowohl stimmlich wie schauspielerisch. Ihren Vater gab der Bariton Andreas Agler mit kantiger Stimme und humorvollem Spiel. Dessen Schwester Claudia spielte die in Rosenheim geborene und am Salzburger Mozarteum studierende Mezzosopranistin Sonja Bühling gleichfalls sehr komödiantisch. Den gräflichen Kutscher, für den sich Claudia schließlich entscheidet, mimte der Bass Michael Doumas. Die beiden Bauern Jakob und Bastian wurden vom Tenor Tobias Gründl und vom Bass Jakob Loy mit teils grotesk wirkender Komik gespielt.
Barnabas (Andreas Agler) bietet seiner Köchin Gertrude (Kayo Hashimoto) eine Opernrolle an (Copyright: Nicole Richter)
Nach der Pause kam der Einakter „Das unverhoffte Abendessen“ („Le maître de chapelle ou Le souper imprévu“), der 1821 an der Pariser Opéra-Comique erstmals gespielt wurde, zur Aufführung. Das Libretto verfasste Marie Françoise Sophie Gay nach einer Komödie von Alexandre Duval. Die Handlung: Hausherr Barnabas hält sich für einen genialen Komponisten. Er arbeitet an seiner ersten Oper Cleopatra, bei der seine französische Haushälterin Gertrude die Titelpartie singen soll. Für den Abend hat er ein Souper geplant, bei dem auch die Angebetete seines Mündelsohnes Benetto zur Heirat bewegt werden soll. Doch plötzlich werden zwei französische Soldaten einquartiert, die sich nicht nur über das scheinbar für sie vorbereitete Abendessen freuen. Es stellt sich heraus, dass sich der Offizier Firmin in die Mündeltochter Coeline verliebt hat und sein Adjutant Sans-Quartier der Cousin von Gertrude ist. Barnabas wehrt sich gegen die unerwünschten Soldaten und holt die Wache sowie bewaffnete Nachbarn, um die Eindringlinge zu vertreiben. Doch die beiden Soldaten erpressen ihn erfolgreich, indem sie die Partituren seiner Oper ins Feuer zu werfen drohen. Um seine Kompositionen zu retten, stimmt Barnabas allem zu: Firmin darf Coeline heiraten und alle Gäste bleiben beim Souper.
Dem Kapellmeister und Komponisten Barnabas lieh Andreas Agler seine kräftige Baritonstimme, wobei er die Verzweiflung um seine Partituren anschaulich darzustellen verstand. Coeline, seine Mündeltochter, wurde von Sieglinde Zehetbauer gespielt, sein Mündelsohn Benetto von Tobias Gründl. Beide konnten auch in diesen Rollen sowohl stimmlich wie schauspielerisch überzeugen.
Den französischen Offizier Firmin gab der elegant wirkende Tenor Bernhard Teufl mit starker Ausstrahlung, seinen Adjutanten Sans-Quartier spielte der Bassist Michael Doumas.
Mit großer Spielfreude agierte die Sopranistin Kayo Hashimoto als Köchin Gertrude. Dass sie als Japanerin bei der sprachlichen Verständlichkeit ihres Gesangs noch Luft nach oben hat, kann man ihr verzeihen. Wie schon im ersten Einakter war der Chor des Vereins „erlesene oper“ als Landleute und Nachbarn spielfreudig und stimmkräftig im Einsatz (Einstudierung: Marion Hummel).
Die Regie der beiden Opern lag wieder in den Händen von Georg Hermansdorfer, dem es neuerlich gelang, eine flotte Inszenierung mit eloquenter Personenführung auf die breite Bühne des KUKO Rosenheim zu bannen. Er leitete auch das Orchester des Vereins „erlesene oper“, das alle Feinheiten der Partitur des Komponisten herauszuarbeiten verstand. Schon die lange Ouvertüre der ersten Paër-Oper begeisterte das Publikum, das immer wieder mit Szenenapplaus aufwartete.
Für die trefflichen Kostüme sorgte Irmtraud Pichler, die künstlerisch aufwendigen Bühnentafeln gestaltete – wie auch in den vergangenen Jahren – Otto von Kotzebue.
Das Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall, unter den sich auch „Bravi“-Rufe mischten.
Udo Pacolt
PS: Schon jetzt dürfen sich Opernfreunde von selten gespielten Werken auf das Programm des nächsten Jahres in Rosenheim freuen. Der Vorschau auf 2019 ist zu entnehmen, dass zwei Märchenopern von Jean Sibelius und Ottorino Respighi geplant sind. Spieltermine: 16. und 24. 2. 2019 (23. 2. eventueller Zusatztermin), Kinderaufführung: 24. 2. 2019, 13:30 Uhr.