ROMA/ TEATRO DELL’OPERA: LUISA MILLA von GIUSEPPE VERDI
am 8.2.2022 (Premiere)
Zu ebener Erde und im ersten Stock. Foto: Teatro dell Opera Roma. Copyright: Teatro dell Opera Roma
„Luisa Miller“ ist das Stiefkind von Verdis Opern. Die dritte seiner Schiller-Vertonungen, für Neapel geschrieben, hat nie die Popularität seiner anderen Werke erreicht. Das mag daran liegen, dass der Titel nicht so „fetzt“ wie der der Vorlage: „Kabale und Liebe“. Und natürlich auch daran, dass es keine Gassenhauer enthält wie “ Libiamo !“, „Celeste Aida“, „Di quella pira“ oder „La donna è mobile“..
Was für ein Juwel diese „Luisa“ aber in Wirklichkeit ist (nicht umsonst haben sich in den letzten Jahrzehnten Monserrat Caballé, Katia Ricciarelli, Luciano Pavarotti, Placido Domingo etc. ihrer hin und wieder angenommen), hat die Römische Oper mit ihrer rundum gelungenen Neuproduktion jetzt erneut unter Beweis gestellt.
Die Kühnheit beginnt bereits mit der Ouvertüre: sie besteht nicht wie sonst aus einem Potpourri der gängigsten Arien, sondern ist eher eine von einem „Intrigenmotiv“ getragene Schicksals-Sinfonia.
In weiterer Folge überrascht immer wieder die Subtilität der Instrumentation, der Einsatz ungewöhnlicher Solo-Instrumente, die Durchkomponiertheit der Oper an sich, die schon weit in die Zukunft weist, und generell die Abwesenheit jeglicher umtata-umtata Begleitung, für die Verdi später so berüchtigt wurde.
Die Premiere der „Luisa Miller“ war gleichzeitig der Einstand von Michele Mariotti (früher in Bologna tätig) als neuer Musikdirektor des Teatro dell’Opera di Roma.Und er bewältigt diese Probe souverän. Mit großer Eleganz gelingt es ihm, die doch ein wenig disparaten Einzelteile der Partitur zusammenzuhalten, ohne je in Versuchung zu fallen, am „Lautstärkeregler“ zu drehen.
Wurm bedrängt Luisa. Copyright: Teatro dell Opera Roma
Ihm steht aber auch ein großartiger Cast zu Verfügung: als Vater Miller glänzt der mongolische (!) Bariton Amartuvshin Enkhbat mit warmen Timbre und homogen ineinander übergehenden Registern. Antonio Poli (als Rodolfo) hat sich mittlerweile zu einem ganz wunderbaren Verdi-Tenor entwickelt, Daniela Barcellona (Federica) hat seit Jahrzehnten nichts an Bravour eingebüßt, und Michele Pertusi (Conte di Walter) schafft es sogar, im Alter immer besser zu werden. Alle aber werden überstrahlt vom neuen Star am italienischen Sopranhimmel, der Sizilianerin Roberta Mantagna. Wir haben sie unlängst als Mina in Verdis anderem verkannten Frühwerk „Aroldo“ gehört, aber diese Rolle der Luisa Miller liegt ihr noch viel viel besser. Sie verkörpert diese unglücklich Liebende mit grosser Anmut und Innigkeit und vermag alle Facetten ihrer Gefühle – von Freude bis zur Verzweiflung – mit scheinbarer Leichtigkeit grandios zum Ausdruck zu bringen. Kann man irgendwie nicht besser singen…
Regisseur Damiano Michieletto und sein kongenialer Bühnenbildner Paolo Fantin (oder sollte man lieber sagen: Bühnenbildner Paolo Fantin und sein kongenialer Regisseur Damiano Michieletto?) inszenieren das Ganze in einem vertikal geteilten Raum (sozusagen „zu ebener Erde und im ersten Stock), hochkomplex (mit einer eigentlich die ganze Zeit in Bewegung seienden Drehbühne), aber auch wieder ganz einfach (mit wenigen Requisiten wie Stühle, Bett und Schränke).
Hervorragend der Chor (unter der Leitung von Roberto Gabbiani) und die Bewegungsregie (von Carlo Diego Massari). Absolut atemberaubend jedoch die beiden Kinder Elisa Scaglia und Ernesto Ruggieri, die die jugendlichen Doubles von Luisa und Rodolfo darstellen. Wie sich die zwei am Ende im Hintergrund eine unschuldige Polsterschlacht liefern, während im Vordergrund das unglückselige Liebespaar vergiftet sein Leben aushaucht, ist schlicht und einfach herzzerreißend.
Während die Kinder spielen, haucht Luisa ihr Leben aus. Copyright: Teatro dell Opera Roma
Triumph für alle !
Robert Quitta, Rom