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ROM/Teatro dell‘ Opera: LOHENGRIN. Ein Belcantokönig s(chw)ingt sich auf den Schwanenthron

08.12.2025 | Oper international

7.12. 2025Teatro dell’Opera di Roma LOHENGRIN

Ein Belcantokönig s(chw)ingt sich auf den Schwanenthron

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Jennifer Holloway, Dmitry Korchak. Foto: Andrea Matzker

50 Jahre ist es her, dass im Teatro dell’Opera di Roma Wagners Meisterwerk aufgeführt wurde, und es stellte nun eine Premiere für dessen musikalischen Leiter Michele Mariotti ebenso wie für den auch in Österreich – er war insbesondere in der vorigen Intendantenära ein viel beschäftigter Gast im Theater an der Wien – heftig akklamierten Regisseur Damiano Michieletto dar, ein Opernwerk des Leipziger Musikgiganten zur Aufführung zu bringen. Die Wahl viel auf Lohengrin, demjenigen seiner Stücke, das über die meisten „Arien“ und „Duette“ verfügt und dessen Melodien das Publikum noch Stunden später schwelgen lassen.

Michieletto hat gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Paolo Fantin eine Welt voller Symbole geschaffen, das Bühnenrund ist mit Holzpaneelen begrenzt – diese stellen Elsas Welt da, Lohengrin ist silber zugeordnet, Ortrud agiert in schwarz. Der Schwan ist tot – Das Ei lebt: Des Schwanes Federn werden von Lohengrin in einem Sarg auf die Bühne gezogen, dessen Platz nimmt das Ei als Symbol des Geheimnisvollen und Unsagbaren ein – zunächst mit Silber übergossen, sodann in schwarz getaucht, in der Brautgemachszene wieder silber, von Elsa an deren Ende geöffnet schwarzen Inhalts. Zu den Klängen des Vorspiels zieht Elsa Gottfrieds Kleidung aus einer Badewanne, aus der zuletzt Lohengrin seine Gaben an den neuen Herrscher entnimmt.

Krieg und Kampfeslust, Heeresstärke und Siegeswillen sucht man auf der Bühne vergeblich: Mariotti und Michieletto wollten eine Liebesgeschichte erzählen. Trotz dieser Fokussierung auf das Beziehungsgeflecht gelingen die vielfältigen und fordernden Chorpassagen (Leitung: Ciro Visco) überzeugend und großteils wortdeutlich.

Mariotti, der demnächst an der Wiener Staatsoper nach seiner Norma mit Luisa Miller zu weiteren Premierenehren kommen wird, entlockt dem Orchestra dell’ Opera di Roma großartige Wagnerklänge, die von Akt zu Akt gesteigert in der spannungsgeladenen Brautgemachszene ihren interpretatorischen Höhepunkt finden, um die Gralserzählung und Lohengrins Abschied mit der größtmöglichen Traurigkeit zu gestalten.

Der russisch-österreichische Tenor Dmitry Korchak ist seit Jahrzehnten ein Fixstern am Belcantohimmel und hat sich auch mit seinen Interpretationen französischer Opern (Hoffmann, Werther, Les pêcheurs des perles) einen Namen gemacht. Richard Wagner stellt für ihn Neuland dar, das er zu einem Triumph gestaltet. Entschlossen seiner (Liebes-)Mission folgend sich allen Aufgaben stellend, romantisch, aber doch unerbittlich im Brautgemach findet er zuletzt einen todtraurigen Abgesang an das von ihm erhoffte Glück. Mit den großen und routinierten Wagnerstimmen problemlos im 1. und 2. Akt mithaltend, mit prächtigem Timbre die Legatobögen in der drängenden Musik der Brautgemachszene formend lässt er zwischendurch (besonders delikat: „Heil dir, Elsa“ im 2. Akt) zarte Töne hören, um mit seiner wie aus einer Welt der Engelscharen tönenden Gralserzählung das Publikum in den Pianissimohimmel zu entführen (hier gelingt die „Taube“ formidabel) und mit seinem Abschied von der Welt und Elsa mit feinen Klängen in eine andere Welt zu gleiten.

Seine Elsa ist bei der us-amerikanischen Sopranistin Jennifer Holloway in bewährten Händen. Aus dem Mezzofach kommend nahm sie sich in den letzten Jahren dramatischerer Sopranrollen an, stellte sich an der Wiener Staatsoper bereits einige Male als Salome vor und debütierte in diesem Festspielsommer in Bayreuth als Sieglinde. Ihre zum Tremolo neigende Stimme weist für die jugendliche Elsa zu viel Dramatik auf und hebt sich in den Konfrontationen mit Ortrud nicht maßgeblich von deren Stimmfarbe ab. Schöne Kantilenentöne sucht man mit Ausnahme der Brautgemachszene vergeblich, allerdings gelingt die Darstellung der zu Unrecht beschuldigten Brudermörderin, die mit ihrer Situation völlig überfordert in einen Sog von Unwahrheiten und Anklagen geratend sich nur durch die Vernichtung ihres eigenen Glücks aus dieser befreien kann, hervorragend.

Lohengrins große Gegenspielerin ist Ortrud: In der Kehle der äußerst routinierten Wagnerinterpretin Ekaterina Gubanova ist diese bestens aufgehoben. In einem höchst eleganten schwarzen Kostüm (Kostümbildnerin Carla Teti) – teilweise mit einem rabenschwarzen Federmantel auftretend – verzaubert sie nicht nur ihren Gemahl, sondern ist mit christlicher Kreuzsymbolik, die sie bühnenwirksam vernichtet, Elsas hochmanipulative Unheilsbringerin. Stimmlich einschmeichelnd, aber doch fordernd sind gerade die Duettszenen im 2. Akt die Kernstücke ihrer Interpretation.

Ihr Gemahl Friedrich von Telramund, ist ohne Chance gegen seine intrigante Gattin und seinen Duellpartner: In der etwas verstörenden „Kampfesszene“, in der aus einem trichterartigen Gefäß, das vom Schnürboden herabgesenkt wird, Silberfarbe tropft, verbrennt ihn diese, während Lohengrin sich mit dieser einreibend quasi selbst eine Ritterrüstung kreiert. Telramund darf sodann nur mehr verletzt und humpelnd über das Bühnengeschehen taumeln und entleibt sich publikumswirksam am Beginn des 3. Aktes. Eine bemitleidenswerte Kreatur, vom isländischen Bassbariton Tómas Tómasson rollendeckend, aber stimmlich nicht sehr facettenreich interpretiert.

Clive Bayley als König Heinrich fehlt es an durchschlagskräftiger Höhe, Andrei Bondarenko ist mit seinem grundsätzlich weichen, aber doch auch, wenn es verlangt wird, metallisch tönenden Bariton als Heerrufer ein großes Versprechen und empfiehlt sich für weitere verantwortungsvolle Aufgaben im deutschen und italienischen Fach.

Bei Damiano Michieletto gibt es am Ende keine Sieger. Das (Weiter-)Leben scheint für alle unmöglich geworden. Der kleine Gottfried wird zum Herzog ernannt: In welcher Welt wird er regieren?

Sabine Längle

 

 

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