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RIEHEN bei Basel/Schweiz / Kammertheater: DIE ZAUBERFLÖTE FÜR KINDER. Premiere

16.11.2017 | Oper

 

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Klein, aber fein: Das „Kammertheater Riehen“. Foto: Michael Hug

Riehen (bei Basel):  Kammertheater – W. A. Mozart „Die Zauberflöte für Kinder“     –  Premiere  15.11.2017

 Wenn im Kleinen Grosses entsteht

Riehen, der schmucke Ort an Basels Grenze, hat in kultureller Hinsicht viel zu bieten. Da ist die „Fondation Beyeler“, welche nebst der eigenen Kunstsammlung immer wieder mit bedeutenden Ausstellungen von z. B. Monet und heuer Paul Klee aufwartet und damit sowohl nationales wie auch internationales Publikum in seinen Bann zieht. 1979 gründete Dieter Ballmann in dieser kunstbegeisterten Umgebung sein Ateliertheater und bereicherte so die blühende Kleinkunstszene in der Regio Basiliensis um ein weiteres Bijou. 38 Jahre leitete der umtriebige Theatermann sein Theater mit grosser Leidenschaft. Nebst eigenen Produktionen mit eigenen Ensemble bot Ballmann den Basler Theater- und Kleinkunstfreunden im Rahmen von Gastspielen die Gelegenheit namhafte nationale und internationale Künstler wie Gert Fröbe und Gisela May – im wahrsten Sinne des Wortes – hautnah im kleinen, feinen Theater zu erleben. Nach 38 Jahren nun wendet sich das Blatt: Dieter Ballmann übergibt das Theater in jüngere Hände – der „Touch of Ballmann“ bleibt jedoch bestehen: Isolde Polzin und Simon Rösch sind seit Jahren feste Bestandteile des Atelier-Theaters. Ein Neuanfang wird es dennoch. Die neuen Theaterleiter verpassen dem etablierten Theater einen neuen Namen: Kammertheater Riehen. Alles im Wandel: „Atelier“ wird „Kammer“, Ensemblemitglieder werden Theaterleiter und Hausherren Gäste. Und eben als Gast präsentiert nun Dieter Ballmann seine „Zauberflöte für Kinder“. Die Produktion ist zwar nicht neu, hat aber nichts an Charme und Zauber eingebüsst – ganz im Gegenteil. Im märchenhaften Bühnenbild und den zauberhaften Kostümen von Dietlind Ballmann werden Kinder (und deren Eltern) in die wunderbare Welt der Oper eingeführt und können dabei nicht nur Theater sehen sondern gleich erleben und mitgestalten. So braucht es für die Schlange, welche Tamino verfolgt, eine ganze Reihe Kinder, welche ins Kostüm der giftgrünen Schlange schlüpfen und mit allergrösstem Vergnügen den Prinzen über die Bühne jagen – zu Hilfe, zu Hilfe! Dem kleinen Lionel, der noch kleineren Lisa und ihrem Bruder Moris gefällt das so gut, dass sie Papageno, wann immer er Statisten als Tiere oder Sklaven sucht, als allererste zur Verfügung stehen wollen und die Bühne stürmen. Philipp Steiner gibt einen lustigen Papageno, der als Moderator durch das Stück führt und das Eis zwischen Bühne und dem jungen Publikum sofort brechen kann. Natürlich darf dabei das berühmte Vogelfängerlied nicht fehlen. Philipp Steiner meistert auch den musikalischen Part mit viel Witz, Charme und Bravour. Besonders anrührend gerät ihm „Ein Mädchen oder Weibchen“. – Überhaupt wird musikalisch einiges geboten!

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Papageno (Philipp Steiner), die drei Damen (Kimberley Nebel, Barbara Wädele, Sandra Lucco), Tamino (Philipp Borghesi) – und die Schlange – fast tot zu deren Füssen. Foto: Michael Hug

Einfühlsam hat Barbara Kleiner diese „Zauberflöte“ musikalisch einstudiert. Sie hat darauf geachtet, dass die jungen ZuhörerInnen gefordert aber nicht überfordert werden. Spiel- und Musikszenen sind wunderbar aufeinander abgestimmt – so wird es nie eintönig und es gibt immer etwas zu erleben. Barbara Kleiner begleitet die Aufführung differenziert und spielerfreundlich am Klavier. Das Quintett mit Tamino, Papageno und den drei Damen gelingt perfekt! Apropos Damen: Kimberly Nebel, Barbara Wäldele und Sandra Lucco harmonieren musikalisch wunderbar als erste, zweite und dritte Dame. Barbara Wäldele verdreht zudem Papageno als hinreissende Papagena ihrem Papageno charmant den Kopf und erobert mit ihrer quirligen Art auch die Herzen der Kinder, welche als kleine Papagenas und –nos zu ihrem letzten Einsatz auf der Bühne kommen. Sandra Lucco begeistert optisch als auch musikalisch als Märchenprinzessin Pamina. Bei den „Männern, welche Liebe fühlen“ fällt ihre fein differenzierte musikalische Gestaltung besonders auf. Kimberly Nebel tritt immer wieder als Tänzerin in Erscheinung und gibt dem Baum und den Elementen Feuer und Wasser konkrete Gestalt. Dieter Ballmann gibt einen herrlich keifenden Monostatos. Fehlt nur noch Tamino: Der mittlerweile 19jährige Philipp Borghesi machte bereits im zarten Alter von 15 Jahren an der „Baseldytsche Bihni“ auf sein Schauspieltalent aufmerksam. In der vergangenen Spielzeit brillierte er an derselben Bühne als Max in „Otello darf nicht platzen“. Dabei wurde auch sein Gesangstalent offenkundig – denn in der „Otello“-Produktion der „Baseldytsche Bihni“ kamen die Gesangsnummern (unter anderem das Freundschaftsduett aus Verdis „Don Carlo“) nicht ab Band sondern wurden live dargeboten. Nach dieser Erfolgsproduktion nahm der junge Künstler weiterhin regelmässig Gesangsunterricht, entwickelte seine Stimme erfolgreich weiter – und kann jetzt sein erstes musikalisches Engagement in dieser herrlichen „Zauberflöte“ bestreiten. Dies macht er mit Bravour! Er setzt seine jugendliche Tenorstimme geschickt ein, lässt bei „Zu Hilfe, zu Hilfe“ durchaus auch heldisches durchblitzen – das freut die Wagnerianer im Publikum – und begeistert bei „Wie stark ist nicht dein Zauberton“ mit reinem, fein differenziertem, höchst lyrischem Gesang mit perfekter Diktion – ein Attribut, das auf sämtliche Aufführenden zutrifft.

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Tamino (Philipp Borghesi). Foto: Michael Hug

Strahlende Kinderaugen vor, während und nach der Aufführung, welche den Aufführenden entgegen leuchten und ein riesiger Applaus – was gibt es schöneres für die aufführenden Künstler? Und: Wenn Lionel, Lisa und Moris den Weg ins Theater oder sogar auf die Bretter, welche die Welt bedeuten,  dank dem heuer erlebten, finden, dann ist das der allerbeste Beweis dafür, dass wirklich Grosses nicht selten auf den kleinen Bühnen passiert.

Michael Hug

 

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