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RICHARD WAGNER: SIEGFRIED – Hong Kong Philharmonic Orchestra, Jaap van Zweden, NAXOS 4 CDs, High Definition Audio Blu-ray

25.11.2017 | cd

RICHARD WAGNER: SIEGFRIED – Hong Kong Philharmonic Orchestra, Jaap van Zweden, NAXOS 4 CDs, High Definition Audio Blu-ray

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Jetzt liegt er also vor, der dritte Teil der asiatischen Ring-Aufnahme, der live im Jänner 2017 in der Hong Kong Cultural Center Concert Hall mitgeschnitten wurde. Nach Rheingold und Walküre stellt sich immer mehr heraus, dass die großen Meriten dieses Rings in der kapellmeisterlichen Qualität des Jaap van Zweden und des von ihm zu ungeahnten Höhenflügen animierten Hong Kong Philharmonic Orchestra liegen. Man versteht, warum Jaap van Zweden der designierte neue Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra geworden und damit im Olymp der Dirigenten angekommen ist.  Jaap van Zweden dirigiert den Ring wie aus einem Guss. Eine wie magisch konsistente und faszinierende übergeordnete Tempo- und Klangregie sowie Leitmotivik wird deutlich. Neben den vielen mit Präzision und individuell signifikanter Aneignung erarbeiteten Details vermag Jaap van der Zweden den ganz großen Bogen zu spannen, das wahre Markenzeichen bedeutender Wagner-Interpretation. Der Fall liegt ähnlich wie beim ersten Janowski Ring. Der war ebenfalls ein gewaltiger orchestraler Wurf mit teils durchwachsener Besetzung. Was bei diesem Ring allerdings viele – vor allem High-End Freaks –  entzücken wird, ist die herausragende Tonqualität, die wahrlich Maßstäbe setzt. Dementsprechend ist die Aufnahme auch in zwei unterschiedlichen Audio-Formaten erhältlich.

 

Sängerisch schreibt dieser Ring durch das Wotan-Debüt des Matthias Goerne Geschichte. Der legendäre Barde des deutschen Liedes hat sich mittlerweile mit Erfolg das schwere Bariton-Fach erobert. Davon zeugt das kürzlich auf CD erschienene „Wagner Project“ mit dem Swedish Radio Symphony Orchestra unter Daniel Harding, wo Goerne Ausschnitte aus Tristan, den Meistersingern, der Walküre, dem Fliegenden Holländer, Tannhäuser und Parsifal interpretiert. Auch anhand von Siegfried ist zu konstatieren, dass Matthias Goerne gut bei Wagner angekommen ist. Der Wanderer Goernes überzeugt mit der Differenzierungskunst eines Liedsängers, aber eben einer üppig-schönen, klanglich breit dimensionierten Stimme. Die Vorzüge von Matthias Goerne liegen in einem großartigen Legato, aber auch einer aus dem Wort kommenden Dramatik, die auf ein organisch gewachsenes gigantisches Stimmmaterial zurückgreifen kann. Ich glaube, Karajan hätte an diesem Sänger als Wagner-Interpreten seine helle Freude gehabt. Agiert Goerne im ersten Akt in der Zwiesprache mit Mime bisweilen noch sehr lyrisch und nach innen gewandt, gibt es in dritten Akt in der Szene mit Erda und Siegfried kein Halten mehr. Da ist einer der besten Wanderer auf CD zu hören, eine sensationelle Leistung, die alleine schon die Anschaffung der Aufnahme rechtfertigt. Selbstverständlich wird Goernes Darbietung aufgrund der lyrischen und wenig heldischen Grunddisposition im Endeffekt Geschmacksache bleiben, das war aber im Hinblick auf José van Dams Wagner-Gesang auch nicht anders.

 

Als Mime und Siegfried sind David Cangelosi und Simon O‘Neill aufgeboten. Beide sind irgendwo zwischen Charaktertenor und heldisch einzuordnen, mit bisweilen arg undeutlicher Diktion. Vom Timbre her wenig unterscheidbar, muss der Hörer, wenn er den Text nicht auswendig kennt, raten, wer vor allem im ersten Akt gerade singt. Für den Siegmund vom Dienst O‘Neill ist die Partie des Siegfried grenzwertig und eigentlich eine halbe Schuhnummer zu groß. Mit metallisch glänzender Höhe vermag er zwar imponierend loszulegen und viele Klippen (Schmiedelieder) gut zu nehmen, allerdings stellen sich im Verlaufe der Aufführung Ermüdungserscheinungen ein. Im Schlussduett mit der ganz frischen und wunderbar jugendlich klingenden Heidi Melton als Brünnhilde fällt das besonders ins Gewicht. Im Passagio klingt O‘Neills Tenor oft eng und wenig flexibel und der Höhe fehlt bisweilen Raum. Das Problem dürfte grundsätzlich die „Kondition“ sein, ein gestandenes Durchhaltevermögen gehört zu so einer Rolle aber halt auch dazu. Fafner („Ich lieg und besitz“) ist beim exzellent disponierten Falk Struckmann in den besten Händen, Werner Van Mechelen bringt für den Alberich ausreichend spröde Dämonie und düstere Farben mit. Deborah Humble singt eine balsamische Erda, Valentina Farcas ist als Waldvogel eine gute Wahl.

 

Fazit: Ein neuer Siegfried in bester Aufnahmequalität, mit unzähligen orchestralen Wonnen und einer insgesamt  – mit Einschränkungen beim Titelhelden – sehr überzeugenden Sängerschar, allen voran Matthias Goerne als Maßstab setzender Wanderer.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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