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Richard Wagner Der Ring des Nibelungen Berliner Philharmoniker Herbert von Karajan, Leitung Deutsche Grammophon, 486 5502

28.06.2024 | cd

Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Berliner Philharmoniker. Herbert von Karajan, Leitung. Deutsche Grammophon, 486 5502

Wiederveröffentlichung von Karajans Ring-Zyklus: Ein Monument der Klangkunst in neuem Glanz
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Nachdem die luxuriöse Hardcover-Ausgabe längere Zeit vergriffen war, präsentiert die Deutsche Grammophon Herbert von Karajans bedeutenden Ring-Zyklus in einer neuen Auflage. Diese umfassende Aufnahme, die Karajan mit den Berliner Philharmonikern und einer hochkarätigen Sängerbesetzung realisierte, erscheint 35 Jahre nach seinem Tod im Digipack-Format mit einem 48-seitigen Booklet. Dieses enthält zweisprachige Essays des Karajan-Biografen Richard Osborne sowie seltene Fotografien von den Aufnahmesitzungen und Proben der Salzburger Live-Aufführungen. Karajans Ring-Zyklus ist geprägt von einem außergewöhnlichen Ensemble von Sängern, die seine Interpretation durch lyrische Sensibilität und klare, lebendige Textdeklamation umsetzten. Diese Aufnahme zeichnet sich durch einen Ansatz aus, der sich durch eine Fokussierung auf ästhetische Schönheit, lyrische Ausdruckskraft und strukturelle Präzision von anderen Interpretationen abhebt. Der orchestrale Klang ist reich und farbenreich, zugleich jedoch transparent und in vielen Passagen von kammermusikalischer Qualität, was dieser Version eine ungewöhnliche Stellung verleiht. Das Remastering dieser Neuauflage wurde von den Spezialisten der Emil Berliner Studios durchgeführt, wodurch die Aufnahme eine verbesserte klangliche Qualität erhält. Die digital neu abgemischte Bluray-Audio-Version ermöglicht es, bisher verborgene Details und Nuancen zu hören, die in früheren Veröffentlichungen nicht zur Geltung kamen. Diese technologische Aufbereitung macht die subtilen Facetten von Karajans Interpretation in einer bisher nicht erreichten Klangtiefe und Klarheit erfahrbar.

Richard Wagners Hauptwerk „Der Ring des Nibelungen“ nimmt als Opern-Tetralogie einen ganz besonderen Platz in der Musikwelt ein. Seit der Uraufführung 1876 in Bayreuth messen sich die besten Dirigenten, Sänger und Musiker an diesen musikalisch, lyrisch und szenisch opulenten Bühnenwerken.  Vor mittlerweile 50 Jahren entstand in der Berliner Jesus-Christus-Kirche mit den Berliner Philharmonikern und Künstlern wie Janowitz, Moser, Fischer-Dieskau und Vickers nicht weniger als eine Referenzeinspielung. Karajans Interpretation war kühn, neu und polarisierend. Kein „Ring“ vor oder nach dieser epochalen Aufnahme wurde derart farbintensiv musiziert und vor allem gesungen.

Den Wotan teilen sich Dietrich Fischer-Dieskau und Thomas Stewart. Fischer-Dieskau, der für seine außergewöhnliche Fähigkeit zur Textdeklamation bekannt ist, bringt in seiner Interpretation eine intellektuelle Tiefe und Sensibilität ein, die besonders in den introspektiven Momenten Wotans zum Tragen kommt. Seine klare Artikulation und die subtile Farbgebung seiner Stimme verleihen dem Göttervater eine philosophische Dimension, die besonders ist. Thomas Stewart hingegen beeindruckt mit seinem kraftvollen, kernigen Bariton, der die heroischen und dramatischen Aspekte der Rolle hervorhebt. Hervorragend ist seine durchlebte Textgestaltung. Besonders bemerkenswert ist seine Darstellung als Wanderer, in der er eine spürbare Abgeklärtheit und innere Zerrissenheit zum Ausdruck bringt.

Die Partie der Brünnhilde ist aufgeteilt zwischen Régine Crespin und Helga Dernesch. Crespin, deren royales Timbre und tiefer emotionaler Ausdruck sie zu einer idealen Wahl für „Die Walküre“ machen, verkörpert die Tochter Wotans mit einer berührenden Menschlichkeit und einem erhabenen Klang. Ihr Gesang ist von einer majestätischen Wärme durchdrungen, die sowohl ihre Stärke als auch ihre Verletzlichkeit offenbart. Helga Dernesch übernimmt die Rolle in „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ und verleiht Brünnhilde eine tiefere, mezzobetontere Färbung. Ihre Darbietung zeichnet sich durch eine berührende Intensität und dramatische Kraft aus, obwohl ihr Kampf mit den Höhen zuweilen spürbar ist, trübt dies den Gesamteindruck nur unwesentlich.

Jess Thomas und Helge Brilioth teilen sich die Rolle des Siegfried. Thomas, bekannt für seine kraftvollen strahlende Tenorstimme, bringt eine jugendliche Energie und Unbekümmertheit in seine Interpretation ein, die die Heldentaten des jungen Siegfrieds lebendig werden lassen. Brilioth ergänzt dies mit einer kraftvollen und zugleich lyrischen Darstellung, die den reiferen und nachdenklicheren Aspekten der Figur gerecht wird. Beide Sänger sind in dieser Aufnahme im Zenit ihrer Möglichkeiten und bieten eine Vielzahl an Gestaltungsaspekten.

Jon Vickers als Siegmund in „Die Walküre“ ist ein besonderer Höhepunkt. Mit seiner heroischen und zugleich verletzlichen Stimme schafft er eine tief bewegende und eindrucksvolle Interpretation. Vickers‘ Siegmund ist ein Charakter voller innerer Konflikte und emotionaler Tiefe, dessen Darbietung von einer fast unerträglichen Intensität geprägt ist. Gerhard Stolze und Erwin Wohlfahrth bieten bemerkenswerte Leistungen als Loge und Mime. Stolze bringt als Loge und als Mime im Siegfried eine scharfsinnige Listigkeit und eine gewisse dämonische Qualität ein, während Wohlfahrth als Mime in „Das Rheingold“ eine eindrucksvolle Vielschichtigkeit zeigt. Zoltan Kélémen als Alberich fasziniert mit seiner dunklen, bedrohlichen Präsenz und der Dämonie seiner Interpretation, die den tragischen und zugleich boshaften Charakter dieser Rolle perfekt einfängt.

Matti Talvela und Karl Ridderbusch sind als Fasolt/Hunding und Fafner/Hagen ebenfalls herausragend. Talvela beeindruckt mit seiner tiefen, resonanten Bassstimme, die sowohl die bedrohliche Kraft als auch die verletzliche Seite seiner Charaktere vermittelt. Ridderbusch, besonders als Hagen, bringt eine einzigartige Interpretation ein, die durch subtile, leise Töne und eine ungewöhnliche Charakteranlage besticht.

Gundula Janowitz als Sieglinde und Gutrune sowie Josephine Veasey als Fricka ragen ebenfalls aus dem Ensemble heraus. Janowitz‘ helle, lyrische Sopranstimme verleiht Sieglinde eine zarte, fast ätherische Qualität, die perfekt zur verzweifelten Liebesgeschichte in „Die Walküre“ passt. Veasey bringt als Fricka eine majestätische Autorität in ihre Darstellung ein, die die inneren Konflikte und die Stärke der Figur eindrucksvoll zur Geltung bringen.

Einen starken Eindruck hinterlässt der Chor der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Walter Hagen-Groll. Der Chor zeichnet sich durch Präzision, kraftvollen Ausdruck und eine beeindruckende klangliche Geschlossenheit aus, die besonders in den dramatischen Höhepunkten der Tetralogie zur Geltung kommen. Doch der Hauptprotagonist dieser Aufnahme sind zweifellos die Berliner Philharmoniker. Mit betörender Klangschönheit und impressionistisch anmutenden Valeurs zelebrieren sie die Tetralogie und verleihen ihr eine fast mystische Dimension. Unter Karajans Leitung entfalten sie einen orchestralen Glanz und eine Farbreichtum, der seinesgleichen sucht. Karajan selbst steht als über den Dingen thronender Gestalter, der wie ein Regisseur einem musikalischen Drehbuch folgt, das seine Kulmination in der „Götterdämmerung“ findet.

Die Neuabmischung dieser einzigartigen Aufnahme auf Bluray-Audio erweist sich als wahrer Coup. Niemals zuvor ertönte dieser Ring-Zyklus besser und reichhaltiger. Jede Nuance, jede dynamische Abstufung wird klarer und lebendiger als je zuvor. Diese Edition ist eine würdige Würdigung für eine meisterliche Aufnahme, die in ihrer klanglichen Qualität und interpretatorischen Tiefe ihresgleichen sucht. Die Wiederveröffentlichung von Karajans Ring-Zyklus auf Bluray-Audio ist ein monumentales Ereignis in der Welt der klassischen Musik. Die klangliche Aufwertung durch das neue Mastering hebt diese epochale Aufnahme auf ein neues Niveau und ermöglicht es, Wagners Meisterwerk in einer bisher unerreichten Qualität zu erleben.

Dirk Schauß, im Juni 2024

 

Richard Wagner

Der Ring des Nibelungen

Berliner Philharmoniker

Herbert von Karajan, Leitung

Deutsche Grammophon, 486 5502

 

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