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RHEINSBERG Schlosstheater „The War of Love in Baroque Opera“: DIDO AND AENEAS / VENUS AND ADONIS

Grandioses Gastspiel des Opera Collective Ireland in Kooperation mit der Akademie für Alte Musik Berlin

11.08.2024 | Oper international

RHEINSBERG Schlosstheater „The War of Love in Baroque Opera“: DIDO AND AENEAS / VENUS AND ADONIS; 10.8.

Grandioses Gastspiel des Opera Collective Ireland in Kooperation mit der Akademie für Alte Musik Berlin

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Foto: Frances Marshall

Die Liebe ist eine verflixte Sache und Cupido ein launiger Bursche, der mit seinem spitzen Pfeil so manches Unheil anrichtet. Mal bereitet der Liebesidylle der Ruf der Pflicht ein jähes Ende, mal kommt ein tragischer Jagdunfall dazwischen. Ein Wildschwein ist doch nicht immer so harmlos als die berühmt gewordene Elsa am Berliner Teufelssee.

In den zwei legendären Opern von John Blow und Henry Purcell wird die Unmöglichkeit von dauerhafter Liebe und die Preisgabe der davon Getroffenen in die absolute Schutzlosigkeit exemplarisch vorgeführt, tragisch und komisch zugleich, mit melodiösen Soli und Duetten zum Herzerweichen, kunstvollen Chören und einem diese Highlights der englischen Barockmusik schwungvoll zelebrierenden Orchester.

Im 250. Jahr ihres Bestehens feiert die Kammeroper Rheinsberg im Schlosstheater Rheinsberg mit viel Musik den Geburtstag des Hauses. 1774 lässt Prinz Heinrich den Baumeister Carl Wilhelm Hennert das Schlosstheater als Komödienhaus für moderne französische und italienische Oper errichten. Dann brechen dunkle Jahre herein, die in die komplette Zerstörung im April 1945 münden. Bis 1990 ist das einst so prächtige Theater eine Ruine, ab 1990 wird wiedererrichtet, 1999 wiedereröffnet „Die Jahre der Entbehrung seit dem Tod Heinrichs Tod 1802 und dem Wiederaufbau sollen durch die 250 Jahrfeiern abgestreift werden.“ ist in der Veranstaltungsbroschüre zum Jubiläumsjahr 2024 als schönes Motto zu lesen.

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Eine-Szene-aus-John-Blows-Oper-Venus-and-Adonis-Opera-Collective-Ireland-Kammeroper-Schloss-Rheinsberg-2024. Copyright: Frances Marshall

Und wirklich kann man sich kaum ein würdigeres und edleres Musikspektakel vorstellen, als die beiden englischen Barockopern Venus and Adonis und Dido and Aeneas, die in der Originalsprache mit deutschen Übertiteln halbszenisch von den Sängerinnen und Sängern des Opera Collective Ireland (hat sich die Förderung junger Operntalente zur Aufgabe gemacht) in einer überaus gelungenen Koproduktion mit Resurgam, Irlands erstem projektbasierten professionellen Vokalensemble und der Akademie für Alte Musik Berlin an drei aufeinander folgenden Spieltagen (9.8. bis 11.8.) dargeboten wurden. Das Projekt bildet einen prominenten Teil von Zeitgeist Irland24, einer Initiative von Culture Ireland und der irischen Botschaft in Deutschland, die vor allem jungen Künstlern ein Forum geben will.

In der mit wenigen Requisiten auskommenden Regie von Patrick Mason steht vor allem eine intensive Personenführung im Zentrum, in der die bewegenden Geschichten so erzählt werden, wie sie im 17. Jahrhundert geschrieben wurden. John Blow, Organist an der Westminster Abbey, an der St. Pauls Cathedral sowie Chormeister am Hofe war auch der Lehrer Henry Purcells. Seine formal dreiaktige Miniaturoper samt Prolog, dennoch innovativ durchkomponierte Venus and Adonis, eine Masque zur Unterhaltung des Königs, nach einem Libretto von Anne Kingsmill Finch, wurde vermutlich 1683 uraufgeführt.

Venus lässt ihren schönen Adonis zur Jagd ziehen, was sinnbildlich für den Krieg stehen könnte. Nach Adonis‘ Tod tragen trauernde Amoretten Adonis durch die linden Lüfte und die schöne Venus will sich vor selbstverschuldetem Gram die Augen ausweinen, bis sie in den Todesschlaf versinkt.

Die irische lyrische Sopranistin Anna Devin und der dunkel granulierte Bariton Rory Musgrave geben dieses unglückliche Paar eindrücklich mit jener anfänglichen heiteren Leichtigkeit und Euphorie, die das tragische Ende umso schmerzlicher erscheinen lässt. Die Musik, die zwischen virtuos verzierter Deklamation, melancholischer Klage und ausdrucksstarken Tänzen changiert, ist vokal völlig den Eigenheiten der englischen Sprache verpflichtet. Devin und Musgrave formen jedes Wort verständlich, stilistisch singen sie verzierungssicher, punktgenau expressiv und voller Passion, wie es dieses musikhistorisch so einzigartige Werk verdient hat. Die restliche Besetzung, die sich allesamt aus dem Ensemble Resurgam rekrutiert, mit der entzückenden Hannah Gries als Cupido, Christopher Bowen als Schäfer/Jäger, Francis Brett als zweitem Schäfer, Aisling Kenny als Schäferin und Aaron O‘Hare als drittem Schäfer, bietet Barockgesang vom Allerfeinsten.

Wir können von einer Modellaufführung berichten, die es nicht zuletzt dank der hervorragenden Leistung der im Lautmalerischen wie der artikulatorisch beredten Streichergruppe fantastischen Akademie der Alten Musik Berlin unter der Leitung des britischen Dirigenten und Cembalisten Christian Curnyn – einige werden ihn als Barockspezialisten an der Komischen Oper Berlin (u.a. „Castor et Pollux) in guter Erinnerung haben – mit den besten Festivals der Welt aufnehmen kann.

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Dido and Aeneas-_c_Frances Marshall

Atmosphärisch ähnlich dicht, wenn auch nicht ganz auf demselben Niveau, gab es vor der Pause Henry Purcells bekanntere, ein wenig später entstandene Oper Dido and Aeneas zu bewundern. Auch hier steht eine in Liebessachen einsam zurückbleibende Frau im Mittelpunkt von Handlung und musikalisch drängender Emotion. Im Unterschied zu Venus and Adonis ist allerdings das in der Nachfolge von Shakespeares Macbeth präsentierte magisch-dämonische Element wesentlicher Bestandteil der Oper. Mit schwarzer Sonnenbrille und klangsattem Kontraalt berät Carolyn Dobbin als unheilvolle Zauberin mit den beiden Hexen (Sarah Lutrell und Charlotte O’Hare), wie sie die verhasste Königin von Karthago Dido ins Unglück stürzen könnten. Die Zauberin weiß Rat, als sie selbst in Gestalt des Merkur als vermeintlich Abgesandten von Jupiter Aeneas am Rande einer schlechtwetterbedingt abgebrochenen Jagd den Befehl des Götterclanchefs ausrichten lässt, dass Aeneas sofort aufbrechen muss. Das Ende: Dido stirbt nach ihrem traurigen Monolog “When I am laid in earth, may my wrongs create no trouble in thy breast, remember me, rmember me, ah forget my fate“.

Die junge Mezzosopranistin Aebh Kelly wirft ihr ganzes Können, also eine makellose Technik, eine tolle Höhe und die Möglichkeit zu dramatischer Expansion, in die Waagschale. Die seelisch zu Tode verletzte Königin und Tragödin, eine Primadonnenrolle par excellence von Kirsten Flagstad über Janet Baker bis zu Teresa Berganza nimmt man Kelly jedoch weder von den Stimmfarben noch darstellerisch ab. Ab September 2024 wird dieses bemerkenswerte junge Talent dem Internationalen Opernstudio der Staatsoper Hamburg angehören.

Der Könner Rory Musgrave als Aeneas sowie Anna Devin als Belinda sowie das durch Präzision, Stimmkraft und Präzision überwältigende Ensemble Resurgam boten Barockoper in Vollendung. Zur Vorbereitung habe ich mir die Aufnahmen von Blows Venus & Adonis (Dirigent: Philip Pickett) und Purcells Dido & Aeneas (Christopher Hogwood), beide einst erschienen bei L’Oiseau-Lyre, angehört. Die Vorstellung in Rheinsberg hat mich in allen vokalen und instrumentalen Aspekten, der packenderen Dramatik, ihrer Lebendigkeit halber, nicht zuletzt der Leidenschaftlichkeit aller Beteiligten wegen, weit mehr angesprochen.

P.S. an die Veranstalter: Es wäre vorteilhaft, wenn nach der Vorstellung der arg düstere und kaum beleuchtete Weg aus dem Schlosspark ein wenig besser erhellt werden könnte.

Dr. Ingobert Waltenberger

 
 

 

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