RETZ/ Pfarrkirche St.Stephan : KAIN UND ABEL (La morte di Abele) von Leonardo Leo
am 14.7.2024
Conelia Sonnleithner. Foto: Festval Retz/ Soukup
Leonardo Leo, 1694 im apulischen San Vito dei Schiavoni (das später von Mussolini in San Vito dei Normanni umbenannt wurde) ist einer der bedeutendsten Vertreter der neapolitanischen Schule. Äußerst produktiv, hat er über 500 großartige Werke (Opern, Oratorien, Kantaten, Messen etc.) verfasst.
Aus unerfindlichen Gründen selbst in Italien wenig gespielt, verweigert sogar sein Heimatort dem von Cosimo Pontrera gegründeten Leonardo Leo-Festival ausreichende Unterstützung, sodass es des öfteren nach Brindisi, Lecce etc. (immer mit großem Erfolg) ausweichen muss.
Umso mehr ist es dem neuen Intendanten des Retz Festivals anzurechnen, dass er den großen und genialen Leo mit seiner „szenischen Aktion“ „ La morte di Abele“ (hier offenbar aus Marketinggründen unnötigerweise in Kain und Abel umbenannt) zum ersten Mal nach Österreich gebracht hat. Das Libretto wurde vom Meister aller Meister, dem unvergleichlichen Metastasio (in Wien) verfasst und nicht weniger als weitere 39 Mal vertont, die bekannteste Version stammt von Antonio Caldara.
Die Aufführung ist das reinste Vergnügen, was dem in einer Seitenkapelle zusammengedrängten Ensemble Continuum unter Luca de Marchi und dem exzellenten Sängerquartett ( Eldrid Gorset, Cornelia Sonnleithner. Markus Bjørlykke, Nikita Ivasenchko ) zu verdanken ist. Junge, aber schon erstaunlich ausgereifte Talente mit himmlischen Stimmen, die die bis zu 15 Minuten langen Arien virtuos bewältigen.
Die Kostüme von Constanze Knapp sind wunderbar prägnant und farbig und charakterisieren die vier Personen (Adam, Eva, Abel, Kain) sehr treffend.
Nach wie vor nicht ideal ist die Pfarrkirche als Spielort. Naturgemäß nicht als Theater gebaut, ist das Geschehen in ihr leider nicht für alle von überall einsehbar, was die Wahrnehmung der Handlung dementsprechend beeinträchtigt.
Die Personenregie (Sebastian Hirn) durchaus durchdacht und auf den Punkt gebracht. Der Sinn der Dutzenden von Plüschtieren ( Tintenfische, Pandas, kleine fette Braunbären etc.) auf der Vorderbühne und der Sinn der Videoprojektionen auf den Altar im Hintergrund (eine Trauerprozession durchwandert Retz mit einem bandagierten Leichnam wie in einem Tatort-Krimi) erschließt sich einem nicht wirklich, diese modischen Zutaten stören letztlich aber auch nicht weiter…
Das Publikum zeigte sich sehr begeistert. Ich habe gestandene Retzer sagen hören, dass „diese Musik runtergeht wie Olivenöl“, was für einen hier weitgehend unbekannten Komponisten doch ein Riesenkompliment ist.
Vielleicht sollte die Satdtgemeinde Retz den göttlichen Leonardo Leo (allein schon der Name!) adoptieren – wenn ihn schon sein Geburtsort San Vito nicht gebührend zu würdigen weiss.
Robert Quitta, Retz