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RETZ/ Pfarrkirche: JEPHTA von G.F.Händel – Kirchenoper

12.07.2016 | Oper

8.7. 2016: Händels JEPHTA in Retz/ Pfarrkirche

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Daniel Johannsen in der Titelrolle, mitreißend als ehrgeiziger und leidenschaftlicher Feldherr Jephta. Copyright: Szynkariuk     

 Jedes Jahr zu den sommerlichen Festspielen in Retz  wird eine Kirchenoper zur Aufführung gebracht. War es im vergangenen Jahr die packende Inszenierung von Benjamin Britten’s  Cerlew River, so hat man sich unter der Intendanz von Alexander Löffler, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, heuer auf einen der ganz großen barocken Meister, Georg Friedrich Händel, besonnen und sein letztes großes Bibel-Oratorium Jephta zur szenischen Aufführung gebracht. Er begann dieses Werk im Januar 1751 (21.1.) und vollendete es erst im August (30.8.) denn er, der Schnell- und Vielkompo­nie­rer, musste seine Arbeit immer wieder unterbrechen, da er in ihrem Verlauf nach und nach völlig erblindete. Die brausende Dynamik seiner Chöre vermittelt den Eindruck eines Schaffenden, der sich durch nichts und kein noch so hartes Schicksal bremsen lässt.

Das Libretto von Reverend Thomas Morell, das in der Originalsprache gesungen wird,  stützt sich im Wesentlichen auf die alttestamentarische Geschichte von Jephta nach dem Buch Richter (Kap.11). Doch erhalten die handelnden Personen schärfere Konturen in ihrer gegenseitigen Beziehung zueinander. Jephta steht hier nicht für sich allein, sondern er hat logischerweise eine Frau, Storgé, die ihn  liebt, und eine Tochter, die er von ganzem Herzen liebt. Die Tochter hat hier nicht nur einen Namen, sondern einen Verlobten namens Hamor (fast wie Hämon in Antigone). Und auch der rechtzeitig rettende Engel stellt sich in der Bibel nicht ein.

Jephta, als Hurensohn von seinen 11 Brüdern vom väterlichen Erbe ausgeschlossen und verstoßen, wird in der Fremde ein bedeutender Feldherr. Als sein Volk in kriegerische Bedrängnis gerät, wird er in allen Ehren zurückgerufen und zum obersten Heerführer ernannt. Er gelobt dem Gott Jehova, das erste Wesen, das ihm auf seiner Heimkehr begegnet, zu opfern, falls ihm der Sieg zuteil würde. Und es trifft ihn mit antiker Wucht, als er erkennen muss, dass es seine geliebte Tochter ist.

Die vielseitige Regisseurin Monika Steiner hat sich mittlerweile zur Spezialistin für die Kirchenoper entwickelt. Die Stadtpfarrkirche St. Stephan mit dem Altarbild des Schutzheiligen von Leopold Kupelwieser bildet für ihr Konzept den passenden Rahmen sowohl in szenischer als auch akustischer Hinsicht. Die Bühne von Alexander Löffler ist lediglich eine schräge Fläche vor einem schief gestellten Kreuz, die durch das akzentuierte Lichtdesign von Pepe Starman zur Plattform für die verschiedenen Schauplätze und Gefühlsebenen wird. Die sprechenden Kostüme von Inge Stolterfoht unterstreichen nicht nur die Charakterisierung der Solisten, sondern besonders durch die Halbmasken unter den schwarzen Pharaonenhüten die Blindheit der Kinder Israels, die im Kollektiv handeln. Sie werden dargestellt durch das 14-köpfige Labyrinthevocalensemble unter der Leitung von Andreas Salzbrunn, das für die mächtige Chorleistung dieses Händelwerkes aufkommt – großartig. Und zum vollen Wohlklang trägt das Ensemble Continuum unter der musikalischen Leitung von Ewald Donhoffer  mit hörbarem Engagement und beseelter Präzision bei.

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Daniel Johannsen als Vater Jephta muss seine einzige Tochter Iphis in der berührenden Darstellung von Bernarda Bobro einem Gottesschwur zum Opfer bringen. © Szynkariuk  

Der Jephta von Daniel Johannsen ist sowohl stimmlich als auch darstellerisch ein Ereignis. Sein lyrischer Tenor ist stark in allen Lagen mit leicht metallischem Glanz, der die Skala von Jephtas Gefühlen von zärtlicher Liebe über stürmische Kampfeslust und eiserne Frömmigkeit bis zur tiefsten Verzweiflung in unglaublicher Mannigfaltigkeit wiedergibt. Ein wunderbarer Sänger, der auch darstellerisch von großer Ausdruckskraft ist.

Iphis, seine Tochter, wird von Bernarda Bobro sehr gut gesungen. Ihr Sopran ist klar, in den Höhen jedoch bisweilen nicht ohne Schärfe; sie verkörpert die Reinheit des Mädchens in ihrer Mischung aus Iphigenie und Julia wunderschön und eindrucksvoll.

Der Countertenor Nicholas Spanos als Hamor, sozusagen ihr kaltgestellter Romeo, überrascht mit klarem Sopran, der in der Tiefe bisweilen bruchlos in eine Tenorstimme fällt; dennoch gefällt er.

Monika Schwabegger als Mutter Storgé gibt mit ihrem warmen edlen Mezzo der liebevollen Gattin und Mutter, die  durch das Gelübde Jephtas bis an ihre äußersten Grenzen gehen muss, eindrucksvoll Gestalt.

Günter Haumer ist der keineswegs feindliche Bruder Jephtas und edle Richter des Volksstammes. Sein schöner dunkler Bariton und sein nobles Spiel lassen keinen Wunsch offen. Mit seinen musikalischen Söhnen Emilio, Manuel und Santiago als alternative Engel steuert er auch maßgeblich zum Gelingen der Rettung der Jephta-Tochter bei, wenn es sich in Hinblick auf den Bräutigam auch nicht unbedingt sum ein Happy-end handelt.

Vorausschauend wird auch schon der Vorhang über das nächste Jahr gelüftet. Für 2017 ist erstmals im Rahmen der Kirchenopernfestspiele eine Uraufführung geplant, die sich thematisch mit der Geschichte des Christus-Verräters Judas Ischariot und dem berühmtesten Kuss der Menschheitsgeschichte befasst. Ein entsprechender Kompositionsauftrag wurde bereits an den Komponisten Christoph Ehrenfellner vergeben. Zur Finanzierung des Projekts wurde von Alexander Löffler und seinem Team bereits eine Sammelkampagne gestartet. Crowdfunding – so wird das heutzutage vornehm umschrieben.

 Ursula Szynkariuk         

 

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