Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

RESDEN/ Semperoper: EIN LIEDERABEND VON GEORG ZEPPENFELD MIT FRANZ SCHUBERT UND JOHANNES BRAHMS

01.11.2024 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper: EIN LIEDERABEND VON GEORG ZEPPENFELD MIT FRANZ SCHUBERT UND JOHANNES BRAHMS – 31.10.2024

Der 31. Oktober wird in Sachsen und vier weiteren deutschen Bundesländern in Erinnerung an den Beginn der Reformation, als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg anschlug, als Reformationstag gefeiert. Von Amerika schwappte aber auch die Tradition des Halloween an diesem Tag herüber. Beide Anlässe wurden in Dresden eher zurückhaltend wahrgenommen. Viel wichtiger war ein Liederabend mit Georg Zeppenfeld in der Semperoper. Er sang anstelle von Marlis Petersen, die ursprünglich vorgesehen war, keineswegs als „Ersatz“. Er bot einen Liederabend auf sehr hohem Niveau.

Seine Qualitäten als Opernsänger und -darsteller sind weltweit bekannt, aber er hat auch ein besonderes Faible für Konzertgesang, Oratorium und Lied, was in Dresden bisher in dem Oratorium „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy mit dem Dresdner Kreuzchor und zwei wunderbaren Liederabenden, die von Presse und Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen wurden, erlebt werden konnte. Die besondere Faszination eines Liederabends besteht für ihn in dem Liedgut, das der Komponist bereits interpretiert hat, um die inneren Vorgänge dem Publikum nahe zu bringen, die Freiheit der Programmauswahl und -gestaltung, ohne die Vorgaben eines Dirigenten oder Regisseurs und dem direkten Kontakt mit dem Publikum.

Für sein Programm hatte er vorwiegend ernste und ernsthafte Lieder und Gesänge und solche, bei denen seitens des Textes immer auch ein bisschen Wehmut mitschwingt, von Franz Schubert und Johannes Brahms ausgewählt. Unter dem Thema: „Zu leiden, zu weinen, zu genießen und zu freuen sich“, wie es in Goethes Gedicht „Prometheus“ heißt, bei dem die Selbstbehauptung des Menschen, die Zeppenfeld in Schuberts genialer Vertonung sehr eindrucksvoll zum Ausdruck brachte, sowie die Empfindungen und Reflexionen des Menschen in allen Höhen und Tiefen des Lebens im Mittelpunkt standen, interpretierte er außerdem Schuberts „Schwanengesang“ (D 957) und „Fünf Lieder“ (op. 94), „Lieder und Gesänge“ (op. 63) und „Fünf Lieder“ (op. 105) von Johannes Brahms und beschloss den Liederabend mit dessen „Vier ernsten Gesängen“ (op. 121).

Bereits bei dem vorangestellten ersten Lied „Der Wanderer“ (D 493 op. 4/1), der sich überall als Fremder fühlt und für den das Glück immer da ist, wo er gerade nicht ist, „zelebrierte“ Zeppenfeld jedes Wort und jeden Ton, noch verstärkt durch geschickte ritardierende Momente, um Sinn und Tiefe des Textes in seiner musikalischen Umsetzung zu verdeutlichen und auf die Stimmung der anderen Lieder voller Hoffnung und Wehmut hinzuführen. Seine eindrucksvolle, nicht alltägliche, individuelle Art der Interpretation verführte bereits nach diesem ersten Lied zu verfrühtem Applaus (auch Kenner mussten an sich halten), und natürlich applaudieren die Touristen gern nach jedem Satz und jedem Lied. Nach dem zweiten Lied mit eher heiter unbeschwertem Charakter („Liebesbotschaft“) ebbte der unpassende Applaus zwar langsam ab, flammte aber hier und da gelegentlich wieder auf.

Da es nicht nur Kenner und Liebhaber in den Konzerten gibt, sollte man über eine wirkungsvolle Lösung nachdenken, vielleicht vor Beginn mit ein paar Worten eines Mitarbeiters der Semperoper als Hinweis oder mit elektronischen Einblendungen an der Stelle, wo sonst die Übersetzungen der Operntexte eingeblendet werden. Das Problem des vorzeitigen Beifalls gibt es zwar oft, hier wirkte es aber nicht nur störend, sondern peinlich.

Zeppenfeld nahm jedes Lied, sehr ernst, ob lyrisch oder etwas dramatischer, gestaltete es in seiner inhaltlichen Spezifik und lotete es in seiner lyrischen Einfachheit und musikalischen Schlichtheit sowie gedanklichen und gefühlsmäßigen Tiefe aus und ließ die Lieder und Gesänge von Johannes Brahms in ihrer strukturellen Komplexität deutlich werden. Allein, wie eindringlich und erschütternd er den „Doppelgänger“ von Schubert sang und gestaltete, berührte. Seine Stimme mit der profunden, gut klingenden Tiefe und seine gute Artikulation und Textverständlichkeit kamen seiner Interpretation sehr entgegen. Sparsam, aber geschickt eingesetzte Gesten unterstrichen seinen ausdrucksvollen Vortrag und lockerten die Lieder auf.

Gerold Huber begleitete ihn am Flügel mit seinen pianistischen Fähigkeiten und ging auf seine differenzierte Liedgestaltung ein und steuerte manche, auf die Stimmung des jeweiligen Liedes hinführende instrumentale Einleitung bei. Bei den „Vier ernsten Gesängen“ von Brahms, insbesondere in „O Tod, wie bitter bist du“ wurde eine völlige vokale und instrumentale Übereinstimmung erreicht. Mit den von Brahms vertonten Bibelworten: „… aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ klang der Liederabend offiziell aus, aber für den enthusiastischen Beifall des Publikums gab es noch zwei ebenso intensiv interpretierte Zugaben von Carl Loewe: „Der selt’ne Beter“ („Der alte Dessauer“) für Singstimme und Klavier (op. 41) und den skurrilen „Totentanz“.

Ingrid Gerk

 

 

Diese Seite drucken