Reinhardtsgrimma/Schloss: „ZARTE IMPRESSIONEN“ AUS 4 JAHRHUNDERTEN FÜR FLÖTE UND HARFE – 18.4.2015
„Zarte Impressionen“ werden allgemein mit der Zeit des Impressionismus in Verbindung gebracht, aber schon die beiden leiseren Instrumente Flöte und Harfe können solche Assoziationen hervorrufen und selbst Kompositionen von J. S. Bach, wenn sie mit so viel Charme und Klangsinn wie von Eckart Haupt, dem früheren Soloflötisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden und Aline Khouri an der Harfe dargeboten werden.
Im letzten der Schloss-Konzerte der Wintersaison 2014/15, die unter der Künstlerischen Leitung von Holger Gehring, dem Organisten der Dresdner Kreuzkirche und des Dresdner Kreuzchores, stattfinden, wurde unter diesem Thema ein musikalischer Bogen von Bach bis in die neuere Zeit geschlagen.
In wenigen Tagen war plötzlich der Frühling erwacht, und der Reigen musikalischer Impressionen passte so recht in diese Naturstimmung. Der Blick der Besucher fiel durch die großen Fenster des Festsaales auf die grünenden und blühenden Bäume des kleinen, aber sehr hübschen Parks, die wie eine Fortsetzung der idyllischen Landschaftsszenen auf den in Öl gemalten Tapeten erschienen.
Eröffnet wurde das Konzert mit der „Föten-Sonate Es‑Dur“ (BWV 1032) von J. S. Bach, bei der die Harfe den Cembalopart übernahm, eine andere, die „Sonate g‑Moll“ (BWV 1020), schloss am Ende des Konzertes den Kreis als vorletztes Stück, denn beendet wurde der musikalische Abend – zurück in die neuere Zeit – mit dem perfekt musizierten „Entr‘ acte“ von Jaques Ibert.
Beide Flöten-Sonaten von Bach sprühten vor lebensbejahender Musizierfreude. Sie umrahmten quasi den Reigen der sehr unterschiedlichen Kompositionen mit echt impressionistischem Charakter. Obwohl kritische Stimmen die „Sonate Es-Dur“ eher Bachs Sohn C. P. E. Bach zuschreiben (er hat sie vielleicht für eine eigene Aufführung bearbeitet), war doch die Genialität und Qualität des Vaters zu erkennen. Die glanzvolle Aufführung beider Sonaten begeisterte durch festliche Klangfülle und Unmittelbarkeit, die bei allzu streng befolgter „historischer Aufführungspraxis“ oft verlorengeht. Hier hatte Bachs Musik ihre ursprüngliche Klangfülle und Opulenz, ihre überschäumende Lebensfreude wieder und faszinierte unmittelbar und sehr gegenwärtig.
War man bei der einleitenden Solopassage der Harfe, bevor die Flöte mit ihrem edlen Klang in der ersten Sonate einsetzte, zunächst vom ungewöhnlich lauten Klang der Harfe, überrascht – es war kein zarter Harfenklang, wie man ihn von älteren Instrumenten kennt, sondern der eines modernen Instrumentes einer Chicagoer Firma mit großer Resonanz, für große Konzertsäle ausgelegt, wenn auch äußerlich im Stil einer historischen Harfe – so ging diese leichte Diskrepanz doch sehr bald in ein kongeniales Miteinander der beiden Künstler über. Aline Khouri verstand es dennoch, sich dem feineren Klang der Flöte anzupassen und zu einem guten Zusammenwirken zu finden, so dass beide Instrumente letztlich doch klangschön harmonierten.
Von ganz anderem Charakter als die Sonaten Bachs waren die, später von anderen Komponisten für Flöte und Harfe bearbeiteten Stücke von Claude Debussy: „La plus que lente“, „La Fille aux Cheveux de Lin“, „Clair de Lune“ und „Arabesque Nr. 1“. Hier gab es die für Debussy typischen zarten Impressionen. Allein der auf der Harfe leise und leicht verhallende 3. Satz, dessen „sphärischer“ Charakter sich im 4. Satz fortsetzte, waren vom Feinsten. Eckart Haupt vertiefte sich mit viel Feingefühl in die Stücke und die Harfe begleitete und setzte die musikalischen Linien in guter Korrespondenz fort.
Danach hatte Aline Khouri Gelegenheit, ihr Können auf der Harfe mit „Danse les Lutins“ für Harfe solo (viso. scherzando) von Henriette Renie (1875-1956), die selbst Harfenistin war, vorzustellen. Es ist eine tonale Komposition mit modernen, aber auch melodischen, romantischen Passagen, entstanden um die Wende vom 20. zum 21. Jh., ein virtuos melodisches Stück mit spieltechnischen Effekten, wie kurzen Glissandi, bei dem die Harfenistin Fingerfertigkeit, Treffsicherheit und Exaktheit bewies, was (nebenbei) auch an der Ästhetik ihrer Hände abzulesen war.
Maurice Ravels „Habanera“, die um die Welt ging und sich auch jetzt allgemeiner Beliebtheit erfreut, verfehlte mit ihrem temperamentvollen Charakter in dieser Interpretation ihre mitreißende Wirkung nicht und hatte nebenbei symbolisch fast „politische“ Bedeutung, gespielt auf einem US-amerikanischen Instrument in einer Zeit, da sich Kuba nach jahrzehntelanger Abschottung wieder öffnet.
Bei drei Stücken von Gabriel Fauré: „Berceuse (op. 16),„Sicilienne“ (op. 78) und „Fantasie“ à Paul Taffanel“ (op. 80) aus „Pelleas und Melisande“ vertiefte sich Eckart Haupt ganz in Melodik und Charakter der Musik im Übergang von der französischen Romantik zum Impressionismus und brachte es im Konsens mit der Harfe zu wunderbarer Klangwirkung und vermochte auch, den geistigem Inhalt zu vermitteln.
Witold Lutoslawski als Vertreter der klassischen Moderne, hat seinen „Drei Fragmenten“: „Magia (von Theokrit)“, „Odysseus in Ithaka“ und „Presto“ ein Programm der griechischen Mythologie unterlegt, nach altgriechischer „Sitte“ bis zum Blutbad bei Odysseus‘ Heimkehr. Auch hier gelang der Harfenistin ein bewundernswert leise verhallendes Nachspiel am Ende des 1. Satzes. Ihr bereitet nichts Schwierigkeiten. Sie vermochte auch, sich in sehr gutem Zusammenspiel dem hervorragenden Flötenspiel in dem zügigen, gut gewählten Tempo anzupassen. Allein das 2. Fragment gelang „zum Dahinschmelzen“ schön.
Eckart Haupt erfasste mit seinem klangschönen, differenzierenden Flötenspiel in höchster Perfektion auch die Mentalität eines jeden Komponisten und die spezifischen Besonderheiten der Stücke, begleitet, unterstützt und in den musikalischen Linien weitergeführt von der Virtuosität, Spielfreude und Sicherheit der Harfenistin, was (nebenbei) sogar an der Ästhetik ihre Hände „abzulesen“ war.
Natürlich entließ das begeisterte Publikum die beiden Musiker erst nach einer Zugabe, der „Piéce“ von Maurice Ravel.
Ingrid Gerk