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REINHARDSGRIMMA/ Schloss: „MUSIK AUS DRESDNER HANDSCHRIFTEN – KAMMERMUSIK AM SÄCHSISCH-POLNISCHEN HOF“ –

23.11.2015 | Konzert/Liederabende

Reinhardtsgrimma/Schloss: „MUSIK AUS DRESDNER HANDSCHRIFTEN – KAMMERMUSIK AM SÄCHSISCH-POLNISCHEN HOF“ – 21.11.2015

Gegenwärtig „geistert“ der legendäre Schrank II der Katholischen Hofkirche in Dresden (jetzt Kathedrale) mit seinen Notenhandschriften aus dem 16. bis zur 1. Hälfte des 18. Jh. durch die Alte-Musik-Szene. In diesem Schrank wurden seinerzeit alle nicht mehr aktuellen Notenhandschriften sorgsam gesammelt und der Schrank verschlossen, da sich neue Stilrichtungen, zunächst der „Galante Stil“, später Klassik und Romantik, durchgesetzt hatten.

Der Schrank verbrannte 1945 beim Bombenangriff auf Dresden, aber sein Inhalt blieb erhalten, dank eines Musikers der damaligen Dresdner Hofkapelle (jetzt Sächsische Staatskapelle Dresden). Er veranlasste, dass dieses Notenmaterial in die damalige Königliche Bibliothek (jetzt SLUB – Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek) überführt und katalogisiert wurde.

Jetzt bemühen sich Musiker aus vieler Herren Länder mit Leidenschaft, diese Schätze zu „heben“ und – mit oder ohne „historisch orientierter Aufführungspraxis“ – wieder aufzuführen, mit altem oder neuem (oder gemischtem) Instrumentarium, selbst, wenn vorher ein mühsames „Übersetzen“ der alten Notenhandschriften erforderlich ist.

In dem ca. 20 km südlich von Dresden, idyllisch im Osterzgebirge gelegenen, spätbarocken Schloss Reinhardtsgrimma widmeten sich jetzt Holger Gehring, der Organist der Dresdner Kreuzkirche, und 3 versierte Instrumentalisten: Ulrike Tietze – Violine, Juliane Gilbert – Cello und Guido Tietze – Barockoboe, in einem Schlosskonzert den Sonaten von bekannten, aber auch kaum bekannten Komponisten aus diesem „bewussten“ Schrank. Die Funktion des Basso continuo (B. c.) erfüllte Holger Gehring (allein) am Cembalo. Bei dieser Musik sind die verschiedensten Besetzungen möglich. Schließlich wurde auch in der Barockzeit „ad libidum“ damit umgegangen.

Neben Sonaten von A. Vivaldi, („Sonate für Oboe solo in c-Moll“ – RV 53), G. P. Telemann („Sonate in g für Oboe, Violine und B. c.“), J. G. Pisendel („Sonate in c-Moll für Violine und B. c.“) und einer Bearbeitung nach  G. F. Händel („Sonate in F für Oboe, Violine und B. c.“ – ursprünglich für 2 Violinen) standen auch eine „Sonate für Oboe, Violine und B. c. in g“ von Melchior Hoffmann (1670-1715) und eine „Sonate in c für Oboe, Violine und B. c.“ von Johann Pfeiffer (1696-1701) auf dem Programm, die selbst den Ausführenden bis dato nicht bekannt waren.   

Melchior Hoffmann war u. a. Leiter des von Telemann gegründeten und geleiteten Leipziger Collegium musicum aus Laien und professionellen Künstlern, das später auch J. S. Bach leitete. Johann Pfeiffer war in Weimar dem berühmten Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle, J. G. Pisendel, begegnet und ebenfalls über das Leipziger Collegium musicum in Dresden bekannt geworden.

Die vier Musiker waren eines Sinnes in ihrer Musikauffassung. Sie hatten das richtige Gespür für diese Musik und ein Tempo gewählt, bei dem die Musik „ausschwingen“ konnte, schöngeistig unterhaltsam, abwechslungsreich und erbaulich und vor allem auf sehr hohem Niveau. Ob nun akribisch an „historischer Aufführungspraxis orientiert“ oder nicht, sie hatten vor allem das richtige „Feeling“ für diese vitale Musik und verliehen ihr Leichtigkeit und Lebhaftigkeit und vor allem die Klangschönheit, wie man sie sich bei den schwärmerischen Berichten von Zeitgenossen dieser Komponisten vorstellt.

Guido Tietze erreichte auf einem Barock-Oboen-Nachbau besonders bei der Sonate von Hoffmann diesen „verführerischen“ Klangzauber, der die „Herzen höher schlagen lässt“. Volker Gehring spielte auf einem Cembalo-Nachbau des originalen Cembalos, von wo aus in der Barockzeit die Aufführungen in der Dresdner Oper – vermutlich auch von J. A. Hasse – geleitet wurden und das sich jetzt im Schloss in Dresden-Pillnitz befindet. Mehr „Authentizität“ kann man sich kaum wünschen,  zumal die Musiker vor allem auch „mit dem Herzen“ dabei waren. Ihr Musizieren kam aus einer persönlichen Beziehung zu den Kompositionen der Barockzeit.

 Ingrid Gerk

 

 

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